Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

Bild:
<< vorherige Seite
System der organischen Grundformen.
Erste Untergattung der Zeugiten:
Schienige Grundformen. Amphipleura.
(Heterostaura allopola amphipleura.)
(Strahlige ungleichpolige Bilateralformen.)

(Sogenannte "bilateral-symmetrische Strahlformen.")
Stereometrische Grundform: Halbe amphithecte Pyramide von 4 + 2 n Seiten.

Die Abtheilung der amphipleuren Zeugiten oder der Amphi-
pleuren,
wie wir sie kurzweg nennen wollen, steht zwar an Aus-
dehnung weit hinter derjenigen der Zygopleuren zurück, umfasst aber
eine Reihe von höchst interessanten und wichtigen Grundformen, die
den bisherigen Betrachtungs-Versuchen, welche bloss von der äusseren
Form ausgingen und die Axen vernachlässigten, unübersteigliche Hin-
dernisse bereiteten. Die Grundform aller Amphipleuren ist die Hälfte
einer amphithecten Pyramide von 4 + 2 n Seiten, und zwar muss die
Seitenzahl dieser Pyramide stets doppelt so gross sein, als die Zahl
der Antimeren. Es ist also die Grundform der dreizähligen Amphi-
pleuren die Hälfte einer sechsseitigen, die Grundform der fünfzähligen
Amphipleuren die Hälfte einer zehnseitigen amphithecten Pyramide u. s. w.

Da die homotypische Grundzahl, welche bei den Amphipleuren
demgemäss drei, fünf, sechs oder mehr (n) ist, stets der Zahl der
radialen oder semiradialen Kreuzebenen gleich sein muss, so müssen
sich hier mindestens drei semiradiale oder radiale Kreuzebenen finden,
welche sich unter spitzen Winkeln schneiden.

Von den zahlreichen Arten der Amphipleuren, die nach der ver-
schiedenen Antimerenzahl (drei, fünf, sechs oder mehr) möglich wären,
finden sich, ebenso wie von den amphithecten Pyramiden, nur sehr
wenige in der Natur verkörpert, nämlich vier verschiedene Arten,
siebenzählige, sechszählige, fünfzählige und dreizählige. Von diesen
sind die beiden ersten Arten im Ganzen selten, die beiden letzten
dagegen in sehr grosser Ausdehnung und Mannichfaltigkeit entwickelt.
Zu den dreizähligen oder Triamphipleuren gehören nur sehr wenige
Protisten, nämlich eine Anzahl von Radiolarien aus der Cyrtiden-Familie,
dagegen eine sehr grosse Zahl von Pflanzen-Blüthen, nämlich die
meisten sogenannten unregelmässigen Monocotyledonen-Blüthen, von
den Orchideen, Gramineen, Cyperaceen etc. Die fünfzähligen oder
Pentamphipleuren sind im Thierreiche sehr zahlreich vertreten durch
die sogenannten irregulären oder bilateral-symmetrischen Echinodermen,
aber auch unter den Dicotyledonen im Pflanzenreiche äusserst zahlreich;
es gehören dahin die grossen Familien der Leguminosen, Compositen,
Umbelliferen, Labiatifloren und sehr viele Andere.

System der organischen Grundformen.
Erste Untergattung der Zeugiten:
Schienige Grundformen. Amphipleura.
(Heterostaura allopola amphipleura.)
(Strahlige ungleichpolige Bilateralformen.)

(Sogenannte „bilateral-symmetrische Strahlformen.“)
Stereometrische Grundform: Halbe amphithecte Pyramide von 4 + 2 n Seiten.

Die Abtheilung der amphipleuren Zeugiten oder der Amphi-
pleuren,
wie wir sie kurzweg nennen wollen, steht zwar an Aus-
dehnung weit hinter derjenigen der Zygopleuren zurück, umfasst aber
eine Reihe von höchst interessanten und wichtigen Grundformen, die
den bisherigen Betrachtungs-Versuchen, welche bloss von der äusseren
Form ausgingen und die Axen vernachlässigten, unübersteigliche Hin-
dernisse bereiteten. Die Grundform aller Amphipleuren ist die Hälfte
einer amphithecten Pyramide von 4 + 2 n Seiten, und zwar muss die
Seitenzahl dieser Pyramide stets doppelt so gross sein, als die Zahl
der Antimeren. Es ist also die Grundform der dreizähligen Amphi-
pleuren die Hälfte einer sechsseitigen, die Grundform der fünfzähligen
Amphipleuren die Hälfte einer zehnseitigen amphithecten Pyramide u. s. w.

Da die homotypische Grundzahl, welche bei den Amphipleuren
demgemäss drei, fünf, sechs oder mehr (n) ist, stets der Zahl der
radialen oder semiradialen Kreuzebenen gleich sein muss, so müssen
sich hier mindestens drei semiradiale oder radiale Kreuzebenen finden,
welche sich unter spitzen Winkeln schneiden.

Von den zahlreichen Arten der Amphipleuren, die nach der ver-
schiedenen Antimerenzahl (drei, fünf, sechs oder mehr) möglich wären,
finden sich, ebenso wie von den amphithecten Pyramiden, nur sehr
wenige in der Natur verkörpert, nämlich vier verschiedene Arten,
siebenzählige, sechszählige, fünfzählige und dreizählige. Von diesen
sind die beiden ersten Arten im Ganzen selten, die beiden letzten
dagegen in sehr grosser Ausdehnung und Mannichfaltigkeit entwickelt.
Zu den dreizähligen oder Triamphipleuren gehören nur sehr wenige
Protisten, nämlich eine Anzahl von Radiolarien aus der Cyrtiden-Familie,
dagegen eine sehr grosse Zahl von Pflanzen-Blüthen, nämlich die
meisten sogenannten unregelmässigen Monocotyledonen-Blüthen, von
den Orchideen, Gramineen, Cyperaceen etc. Die fünfzähligen oder
Pentamphipleuren sind im Thierreiche sehr zahlreich vertreten durch
die sogenannten irregulären oder bilateral-symmetrischen Echinodermen,
aber auch unter den Dicotyledonen im Pflanzenreiche äusserst zahlreich;
es gehören dahin die grossen Familien der Leguminosen, Compositen,
Umbelliferen, Labiatifloren und sehr viele Andere.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0539" n="500"/>
          <fw place="top" type="header">System der organischen Grundformen.</fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>Erste Untergattung der Zeugiten:<lb/><hi rendition="#b">Schienige Grundformen. Amphipleura.</hi><lb/><hi rendition="#g">(Heterostaura allopola amphipleura.)<lb/>
(Strahlige ungleichpolige Bilateralformen.)</hi><lb/>
(Sogenannte &#x201E;bilateral-symmetrische Strahlformen.&#x201C;)<lb/><hi rendition="#i">Stereometrische Grundform: Halbe amphithecte Pyramide von</hi> 4 + 2 <hi rendition="#i">n Seiten.</hi></head><lb/>
            <p>Die Abtheilung der amphipleuren Zeugiten oder der <hi rendition="#g">Amphi-<lb/>
pleuren,</hi> wie wir sie kurzweg nennen wollen, steht zwar an Aus-<lb/>
dehnung weit hinter derjenigen der Zygopleuren zurück, umfasst aber<lb/>
eine Reihe von höchst interessanten und wichtigen Grundformen, die<lb/>
den bisherigen Betrachtungs-Versuchen, welche bloss von der äusseren<lb/>
Form ausgingen und die Axen vernachlässigten, unübersteigliche Hin-<lb/>
dernisse bereiteten. Die Grundform aller Amphipleuren ist die Hälfte<lb/>
einer amphithecten Pyramide von 4 + 2 n Seiten, und zwar muss die<lb/>
Seitenzahl dieser Pyramide stets doppelt so gross sein, als die Zahl<lb/>
der Antimeren. Es ist also die Grundform der dreizähligen Amphi-<lb/>
pleuren die Hälfte einer sechsseitigen, die Grundform der fünfzähligen<lb/>
Amphipleuren die Hälfte einer zehnseitigen amphithecten Pyramide u. s. w.</p><lb/>
            <p>Da die homotypische Grundzahl, welche bei den Amphipleuren<lb/>
demgemäss drei, fünf, sechs oder mehr (n) ist, stets der Zahl der<lb/>
radialen oder semiradialen Kreuzebenen gleich sein muss, so müssen<lb/>
sich hier mindestens drei semiradiale oder radiale Kreuzebenen finden,<lb/>
welche sich unter spitzen Winkeln schneiden.</p><lb/>
            <p>Von den zahlreichen Arten der Amphipleuren, die nach der ver-<lb/>
schiedenen Antimerenzahl (drei, fünf, sechs oder mehr) möglich wären,<lb/>
finden sich, ebenso wie von den amphithecten Pyramiden, nur sehr<lb/>
wenige in der Natur verkörpert, nämlich vier verschiedene Arten,<lb/>
siebenzählige, sechszählige, fünfzählige und dreizählige. Von diesen<lb/>
sind die beiden ersten Arten im Ganzen selten, die beiden letzten<lb/>
dagegen in sehr grosser Ausdehnung und Mannichfaltigkeit entwickelt.<lb/>
Zu den dreizähligen oder Triamphipleuren gehören nur sehr wenige<lb/>
Protisten, nämlich eine Anzahl von Radiolarien aus der Cyrtiden-Familie,<lb/>
dagegen eine sehr grosse Zahl von Pflanzen-Blüthen, nämlich die<lb/>
meisten sogenannten unregelmässigen Monocotyledonen-Blüthen, von<lb/>
den Orchideen, Gramineen, Cyperaceen etc. Die fünfzähligen oder<lb/>
Pentamphipleuren sind im Thierreiche sehr zahlreich vertreten durch<lb/>
die sogenannten irregulären oder bilateral-symmetrischen Echinodermen,<lb/>
aber auch unter den Dicotyledonen im Pflanzenreiche äusserst zahlreich;<lb/>
es gehören dahin die grossen Familien der Leguminosen, Compositen,<lb/>
Umbelliferen, Labiatifloren und sehr viele Andere.</p>
          </div><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[500/0539] System der organischen Grundformen. Erste Untergattung der Zeugiten: Schienige Grundformen. Amphipleura. (Heterostaura allopola amphipleura.) (Strahlige ungleichpolige Bilateralformen.) (Sogenannte „bilateral-symmetrische Strahlformen.“) Stereometrische Grundform: Halbe amphithecte Pyramide von 4 + 2 n Seiten. Die Abtheilung der amphipleuren Zeugiten oder der Amphi- pleuren, wie wir sie kurzweg nennen wollen, steht zwar an Aus- dehnung weit hinter derjenigen der Zygopleuren zurück, umfasst aber eine Reihe von höchst interessanten und wichtigen Grundformen, die den bisherigen Betrachtungs-Versuchen, welche bloss von der äusseren Form ausgingen und die Axen vernachlässigten, unübersteigliche Hin- dernisse bereiteten. Die Grundform aller Amphipleuren ist die Hälfte einer amphithecten Pyramide von 4 + 2 n Seiten, und zwar muss die Seitenzahl dieser Pyramide stets doppelt so gross sein, als die Zahl der Antimeren. Es ist also die Grundform der dreizähligen Amphi- pleuren die Hälfte einer sechsseitigen, die Grundform der fünfzähligen Amphipleuren die Hälfte einer zehnseitigen amphithecten Pyramide u. s. w. Da die homotypische Grundzahl, welche bei den Amphipleuren demgemäss drei, fünf, sechs oder mehr (n) ist, stets der Zahl der radialen oder semiradialen Kreuzebenen gleich sein muss, so müssen sich hier mindestens drei semiradiale oder radiale Kreuzebenen finden, welche sich unter spitzen Winkeln schneiden. Von den zahlreichen Arten der Amphipleuren, die nach der ver- schiedenen Antimerenzahl (drei, fünf, sechs oder mehr) möglich wären, finden sich, ebenso wie von den amphithecten Pyramiden, nur sehr wenige in der Natur verkörpert, nämlich vier verschiedene Arten, siebenzählige, sechszählige, fünfzählige und dreizählige. Von diesen sind die beiden ersten Arten im Ganzen selten, die beiden letzten dagegen in sehr grosser Ausdehnung und Mannichfaltigkeit entwickelt. Zu den dreizähligen oder Triamphipleuren gehören nur sehr wenige Protisten, nämlich eine Anzahl von Radiolarien aus der Cyrtiden-Familie, dagegen eine sehr grosse Zahl von Pflanzen-Blüthen, nämlich die meisten sogenannten unregelmässigen Monocotyledonen-Blüthen, von den Orchideen, Gramineen, Cyperaceen etc. Die fünfzähligen oder Pentamphipleuren sind im Thierreiche sehr zahlreich vertreten durch die sogenannten irregulären oder bilateral-symmetrischen Echinodermen, aber auch unter den Dicotyledonen im Pflanzenreiche äusserst zahlreich; es gehören dahin die grossen Familien der Leguminosen, Compositen, Umbelliferen, Labiatifloren und sehr viele Andere.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/539
Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 500. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/539>, abgerufen am 01.06.2024.