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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.

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Ungeschlechtliche Fortpflanzung durch Theilung.
so beginnt dieser Entwickelungsprozeß stets damit, daß die einfache Eizelle
(Fig. 3) durch fortgesetzte Selbsttheilung einen Zellenhaufen bildet (Fig. 4).
Die äußere Hülle oder Zellhaut des kugeligen Eies bleibt ungetheilt.
Zuerst zerfällt der Zellenkern des Eies (das sogenannte Keimbläschen)
durch Selbsttheilung in zwei Kerne, dann folgt der Zellstoff (der Dotter
des Eies) nach (Fig. 4 A). Jn gleicher Weise zerfallen durch die
fortgesetzte Selbsttheilung die zwei Zellen in vier (Fig. 4 B), diese in
acht (Fig. 4 C), in sechzehn, zweiunddreißig u. s. w., und es entsteht
schließlich ein kugeliger Haufe von sehr zahlreichen kleinen Zellen (Fig.
4 D), die nun durch weitere Vermehrung und ungleichartige Ausbil-
dung (Arbeitstheilung) allmählich den zusammengesetzten mehrzelligen
Organismus aufbauen. Jeder von uns hat im Beginne seiner indi-
viduellen Entwickelung denselben, in Fig. 4 dargestellten Prozeß durch-
gemacht. Das in Fig. 3 abgebildete Säugethierei und die in Fig. 4
dargestellte Entwickelung desselben könnte eben so gut vom Menschen,
als vom Affen, vom Hunde oder irgend einem anderen placentalen
Säugethier herrühren.

Wenn Sie nun zunächst nur diese einfachste Form der Fortpflan-
zung, die Selbsttheilung betrachten, so werden Sie es gewiß nicht
wunderbar finden, daß die Theilproducte des ursprünglichen Orga-
nismus dieselben Eigenschaften besitzen, wie das elterliche Jndivi-
duum. Sie sind ja Theilhälften des elterlichen Organismus, und da
die Materie, der Stoff in beiden Hälften derselbe ist, da die beiden
jungen Jndividuen gleich viel und gleich beschaffene Materie von dem
elterlichen Jndividuum überkommen haben, so finden Sie es gewiß na-
türlich, daß auch die Lebenserscheinungen, die physiologischen Eigen-
schaften in den beiden Kindern dieselben sind. Jn der That sind in
jeder Beziehung, sowohl hinsichtlich ihrer Form und ihres Stoffes, als
hinsichtlich ihrer Lebenserscheinungen, die beiden Tochterzellen (wenig-
stens im Anfang) nicht von einander und von der Mutterzelle zu un-
terscheiden. Sie haben von ihr die gleiche Natur geerbt.

Nun findet sich aber dieselbe einfache Fortpflanzung durch Thei-
lung nicht bloß bei den einfachen Zellen, sondern auch bei höher ste-

10 *

Ungeſchlechtliche Fortpflanzung durch Theilung.
ſo beginnt dieſer Entwickelungsprozeß ſtets damit, daß die einfache Eizelle
(Fig. 3) durch fortgeſetzte Selbſttheilung einen Zellenhaufen bildet (Fig. 4).
Die aͤußere Huͤlle oder Zellhaut des kugeligen Eies bleibt ungetheilt.
Zuerſt zerfaͤllt der Zellenkern des Eies (das ſogenannte Keimblaͤschen)
durch Selbſttheilung in zwei Kerne, dann folgt der Zellſtoff (der Dotter
des Eies) nach (Fig. 4 A). Jn gleicher Weiſe zerfallen durch die
fortgeſetzte Selbſttheilung die zwei Zellen in vier (Fig. 4 B), dieſe in
acht (Fig. 4 C), in ſechzehn, zweiunddreißig u. ſ. w., und es entſteht
ſchließlich ein kugeliger Haufe von ſehr zahlreichen kleinen Zellen (Fig.
4 D), die nun durch weitere Vermehrung und ungleichartige Ausbil-
dung (Arbeitstheilung) allmaͤhlich den zuſammengeſetzten mehrzelligen
Organismus aufbauen. Jeder von uns hat im Beginne ſeiner indi-
viduellen Entwickelung denſelben, in Fig. 4 dargeſtellten Prozeß durch-
gemacht. Das in Fig. 3 abgebildete Saͤugethierei und die in Fig. 4
dargeſtellte Entwickelung deſſelben koͤnnte eben ſo gut vom Menſchen,
als vom Affen, vom Hunde oder irgend einem anderen placentalen
Saͤugethier herruͤhren.

Wenn Sie nun zunaͤchſt nur dieſe einfachſte Form der Fortpflan-
zung, die Selbſttheilung betrachten, ſo werden Sie es gewiß nicht
wunderbar finden, daß die Theilproducte des urſpruͤnglichen Orga-
nismus dieſelben Eigenſchaften beſitzen, wie das elterliche Jndivi-
duum. Sie ſind ja Theilhaͤlften des elterlichen Organismus, und da
die Materie, der Stoff in beiden Haͤlften derſelbe iſt, da die beiden
jungen Jndividuen gleich viel und gleich beſchaffene Materie von dem
elterlichen Jndividuum uͤberkommen haben, ſo finden Sie es gewiß na-
tuͤrlich, daß auch die Lebenserſcheinungen, die phyſiologiſchen Eigen-
ſchaften in den beiden Kindern dieſelben ſind. Jn der That ſind in
jeder Beziehung, ſowohl hinſichtlich ihrer Form und ihres Stoffes, als
hinſichtlich ihrer Lebenserſcheinungen, die beiden Tochterzellen (wenig-
ſtens im Anfang) nicht von einander und von der Mutterzelle zu un-
terſcheiden. Sie haben von ihr die gleiche Natur geerbt.

Nun findet ſich aber dieſelbe einfache Fortpflanzung durch Thei-
lung nicht bloß bei den einfachen Zellen, ſondern auch bei hoͤher ſte-

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[147/0168] Ungeſchlechtliche Fortpflanzung durch Theilung. ſo beginnt dieſer Entwickelungsprozeß ſtets damit, daß die einfache Eizelle (Fig. 3) durch fortgeſetzte Selbſttheilung einen Zellenhaufen bildet (Fig. 4). Die aͤußere Huͤlle oder Zellhaut des kugeligen Eies bleibt ungetheilt. Zuerſt zerfaͤllt der Zellenkern des Eies (das ſogenannte Keimblaͤschen) durch Selbſttheilung in zwei Kerne, dann folgt der Zellſtoff (der Dotter des Eies) nach (Fig. 4 A). Jn gleicher Weiſe zerfallen durch die fortgeſetzte Selbſttheilung die zwei Zellen in vier (Fig. 4 B), dieſe in acht (Fig. 4 C), in ſechzehn, zweiunddreißig u. ſ. w., und es entſteht ſchließlich ein kugeliger Haufe von ſehr zahlreichen kleinen Zellen (Fig. 4 D), die nun durch weitere Vermehrung und ungleichartige Ausbil- dung (Arbeitstheilung) allmaͤhlich den zuſammengeſetzten mehrzelligen Organismus aufbauen. Jeder von uns hat im Beginne ſeiner indi- viduellen Entwickelung denſelben, in Fig. 4 dargeſtellten Prozeß durch- gemacht. Das in Fig. 3 abgebildete Saͤugethierei und die in Fig. 4 dargeſtellte Entwickelung deſſelben koͤnnte eben ſo gut vom Menſchen, als vom Affen, vom Hunde oder irgend einem anderen placentalen Saͤugethier herruͤhren. Wenn Sie nun zunaͤchſt nur dieſe einfachſte Form der Fortpflan- zung, die Selbſttheilung betrachten, ſo werden Sie es gewiß nicht wunderbar finden, daß die Theilproducte des urſpruͤnglichen Orga- nismus dieſelben Eigenſchaften beſitzen, wie das elterliche Jndivi- duum. Sie ſind ja Theilhaͤlften des elterlichen Organismus, und da die Materie, der Stoff in beiden Haͤlften derſelbe iſt, da die beiden jungen Jndividuen gleich viel und gleich beſchaffene Materie von dem elterlichen Jndividuum uͤberkommen haben, ſo finden Sie es gewiß na- tuͤrlich, daß auch die Lebenserſcheinungen, die phyſiologiſchen Eigen- ſchaften in den beiden Kindern dieſelben ſind. Jn der That ſind in jeder Beziehung, ſowohl hinſichtlich ihrer Form und ihres Stoffes, als hinſichtlich ihrer Lebenserſcheinungen, die beiden Tochterzellen (wenig- ſtens im Anfang) nicht von einander und von der Mutterzelle zu un- terſcheiden. Sie haben von ihr die gleiche Natur geerbt. Nun findet ſich aber dieſelbe einfache Fortpflanzung durch Thei- lung nicht bloß bei den einfachen Zellen, ſondern auch bei hoͤher ſte- 10 *

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/168>, abgerufen am 04.12.2024.