Vormaliger geschmolzener Zustand des ganzen Erdballs.
Hitze von 1500 0 herrschen, hinreichend, um die meisten festen Stoffe unserer Erdrinde in geschmolzenem feuerflüssigem Zustande zu er- halten. Diese Tiefe ist aber erst der 286ste Theil des ganzen Erddurch- messers (1717 Meilen). Wir wissen ferner, daß Quellen, die aus beträchtlicher Tiefe hervorkommen, eine sehr hohe Temperatur besitzen, und zum Theil selbst das Wasser im kochenden Zustande an die Ober- fläche befördern. Sehr wichtige Zeugen sind endlich die vulkanischen Erscheinungen, das Hervorbrechen feurigflüssiger Gesteinsmassen durch einzelne berstende Puncte der Erdrinde hindurch. Alle diese Erschei- nungen führen uns mit großer Sicherheit zu der wichtigen Annahme, daß die feste Erdrinde nur einen ganz geringen Bruchtheil, noch lange nicht den tausendsten Theil von dem ganzen Durchmesser der Erdkugel bildet, und daß diese sich noch heute größtentheils in geschmolzenem oder feuerflüssigem Zustande befindet.
Wenn wir nun auf Grund dieser Annahme über die einstige Ent- wickelungsgeschichte des Erdballs nachdenken, so werden wir folge- richtig noch einen Schritt weiter geführt, nämlich zu der Annahme, daß in früherer Zeit die ganze Erde ein feurigflüssiger Körper, und daß die Bildung einer dünnen erstarrten Rinde auf der Oberfläche dieses Balls erst ein späterer Vorgang war. Erst allmählich, durch Aus- strahlung der inneren Gluthhitze an den kalten Weltraum, verdichtete sich die Oberfläche des glühenden Erdballs zu einer dünnen Rinde. Daß die Temperatur der Erde früher allgemein eine viel höhere war, wird durch viele Erscheinungen bezeugt. Unter Anderen spricht dafür die gleichmäßige Vertheilung der Organismen in früheren Zeiten der Erdgeschichte. Während bekanntlich jetzt den verschiedenen Erdzonen und ihren mittleren Temperaturen verschiedene Bevölkerungen von Thieren und Pflanzen entsprechen, war dies früher entschieden nicht der Fall, und wir sehen aus der Vertheilung der Versteinerungen in den älteren Zeiträumen, daß erst sehr spät, in einer verhältnißmäßig neuen Zeit der organischen Erdgeschichte (im Beginn der sogenannten ceno- lithischen oder Tertiärzeit), eine Sonderung der Zonen und dem ent- sprechend auch ihrer organischen Bevölkerung stattfand. Während
Vormaliger geſchmolzener Zuſtand des ganzen Erdballs.
Hitze von 1500 0 herrſchen, hinreichend, um die meiſten feſten Stoffe unſerer Erdrinde in geſchmolzenem feuerfluͤſſigem Zuſtande zu er- halten. Dieſe Tiefe iſt aber erſt der 286ſte Theil des ganzen Erddurch- meſſers (1717 Meilen). Wir wiſſen ferner, daß Quellen, die aus betraͤchtlicher Tiefe hervorkommen, eine ſehr hohe Temperatur beſitzen, und zum Theil ſelbſt das Waſſer im kochenden Zuſtande an die Ober- flaͤche befoͤrdern. Sehr wichtige Zeugen ſind endlich die vulkaniſchen Erſcheinungen, das Hervorbrechen feurigfluͤſſiger Geſteinsmaſſen durch einzelne berſtende Puncte der Erdrinde hindurch. Alle dieſe Erſchei- nungen fuͤhren uns mit großer Sicherheit zu der wichtigen Annahme, daß die feſte Erdrinde nur einen ganz geringen Bruchtheil, noch lange nicht den tauſendſten Theil von dem ganzen Durchmeſſer der Erdkugel bildet, und daß dieſe ſich noch heute groͤßtentheils in geſchmolzenem oder feuerfluͤſſigem Zuſtande befindet.
Wenn wir nun auf Grund dieſer Annahme uͤber die einſtige Ent- wickelungsgeſchichte des Erdballs nachdenken, ſo werden wir folge- richtig noch einen Schritt weiter gefuͤhrt, naͤmlich zu der Annahme, daß in fruͤherer Zeit die ganze Erde ein feurigfluͤſſiger Koͤrper, und daß die Bildung einer duͤnnen erſtarrten Rinde auf der Oberflaͤche dieſes Balls erſt ein ſpaͤterer Vorgang war. Erſt allmaͤhlich, durch Aus- ſtrahlung der inneren Gluthhitze an den kalten Weltraum, verdichtete ſich die Oberflaͤche des gluͤhenden Erdballs zu einer duͤnnen Rinde. Daß die Temperatur der Erde fruͤher allgemein eine viel hoͤhere war, wird durch viele Erſcheinungen bezeugt. Unter Anderen ſpricht dafuͤr die gleichmaͤßige Vertheilung der Organismen in fruͤheren Zeiten der Erdgeſchichte. Waͤhrend bekanntlich jetzt den verſchiedenen Erdzonen und ihren mittleren Temperaturen verſchiedene Bevoͤlkerungen von Thieren und Pflanzen entſprechen, war dies fruͤher entſchieden nicht der Fall, und wir ſehen aus der Vertheilung der Verſteinerungen in den aͤlteren Zeitraͤumen, daß erſt ſehr ſpaͤt, in einer verhaͤltnißmaͤßig neuen Zeit der organiſchen Erdgeſchichte (im Beginn der ſogenannten ceno- lithiſchen oder Tertiaͤrzeit), eine Sonderung der Zonen und dem ent- ſprechend auch ihrer organiſchen Bevoͤlkerung ſtattfand. Waͤhrend
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Vormaliger geſchmolzener Zuſtand des ganzen Erdballs.
Hitze von 1500 0 herrſchen, hinreichend, um die meiſten feſten Stoffe
unſerer Erdrinde in geſchmolzenem feuerfluͤſſigem Zuſtande zu er-
halten. Dieſe Tiefe iſt aber erſt der 286ſte Theil des ganzen Erddurch-
meſſers (1717 Meilen). Wir wiſſen ferner, daß Quellen, die aus
betraͤchtlicher Tiefe hervorkommen, eine ſehr hohe Temperatur beſitzen,
und zum Theil ſelbſt das Waſſer im kochenden Zuſtande an die Ober-
flaͤche befoͤrdern. Sehr wichtige Zeugen ſind endlich die vulkaniſchen
Erſcheinungen, das Hervorbrechen feurigfluͤſſiger Geſteinsmaſſen durch
einzelne berſtende Puncte der Erdrinde hindurch. Alle dieſe Erſchei-
nungen fuͤhren uns mit großer Sicherheit zu der wichtigen Annahme,
daß die feſte Erdrinde nur einen ganz geringen Bruchtheil, noch lange
nicht den tauſendſten Theil von dem ganzen Durchmeſſer der Erdkugel
bildet, und daß dieſe ſich noch heute groͤßtentheils in geſchmolzenem
oder feuerfluͤſſigem Zuſtande befindet.
Wenn wir nun auf Grund dieſer Annahme uͤber die einſtige Ent-
wickelungsgeſchichte des Erdballs nachdenken, ſo werden wir folge-
richtig noch einen Schritt weiter gefuͤhrt, naͤmlich zu der Annahme, daß
in fruͤherer Zeit die ganze Erde ein feurigfluͤſſiger Koͤrper, und daß
die Bildung einer duͤnnen erſtarrten Rinde auf der Oberflaͤche dieſes
Balls erſt ein ſpaͤterer Vorgang war. Erſt allmaͤhlich, durch Aus-
ſtrahlung der inneren Gluthhitze an den kalten Weltraum, verdichtete
ſich die Oberflaͤche des gluͤhenden Erdballs zu einer duͤnnen Rinde.
Daß die Temperatur der Erde fruͤher allgemein eine viel hoͤhere war,
wird durch viele Erſcheinungen bezeugt. Unter Anderen ſpricht dafuͤr
die gleichmaͤßige Vertheilung der Organismen in fruͤheren Zeiten der
Erdgeſchichte. Waͤhrend bekanntlich jetzt den verſchiedenen Erdzonen
und ihren mittleren Temperaturen verſchiedene Bevoͤlkerungen von
Thieren und Pflanzen entſprechen, war dies fruͤher entſchieden nicht der
Fall, und wir ſehen aus der Vertheilung der Verſteinerungen in den
aͤlteren Zeitraͤumen, daß erſt ſehr ſpaͤt, in einer verhaͤltnißmaͤßig neuen
Zeit der organiſchen Erdgeſchichte (im Beginn der ſogenannten ceno-
lithiſchen oder Tertiaͤrzeit), eine Sonderung der Zonen und dem ent-
ſprechend auch ihrer organiſchen Bevoͤlkerung ſtattfand. Waͤhrend
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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/287>, abgerufen am 15.06.2024.
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