gesetzten und zugleich die wichtigsten von allen, die Eiweißverbindun- gen oder Plasmakörper, früher oder später künstlich in unseren chemi- schen Werkstätten zu erzeugen. Dadurch ist aber die tiefe Kluft zwi- schen organischen und anorganischen Körpern, die man früher allge- mein festhielt, größtentheils beseitigt, und für die Vorstellung der Urzeugung der Weg gebahnt.
Von noch größerer, ja von der allergrößten Wichtigkeit für die Hypothese der Urzeugung sind endlich die höchst merkwürdigen Mo- neren, jene schon vorher mehrfach erwähnten Lebewesen, welche nicht nur die einfachsten beobachteten, sondern auch überhaupt die denkbar einfachsten von allen Organismen sind 15). Schon früher, als wir die einfachsten Erscheinungen der Fortpflanzung und Vererbung untersuchten, habe ich Jhnen diese wunderbaren "Organismen ohne Organ" beschrieben. Wir kennen jetzt schon sechs verschiedene Gattungen solcher Moneren, von denen einige im süßen Wasser, andere im Meere leben (vergl. oben S. 142--144). Jn vollkommen ausgebildetem und frei beweglichem Zustande stellen sie sämmtlich wei- ter Nichts dar, als ein structurloses Klümpchen einer eiweißartigen Kohlenstoffverbindung. Nur durch die Art der Fortpflanzung und Entwickelung, sowie der Nahrungsaufnahme sind die einzelnen Gat- tungen und Arten ein wenig verschieden. Durch die Entdeckung dieser Organismen, die von der allergrößten Bedeutung ist, verliert die An- nahme einer Urzeugung den größten Theil ihrer Schwierigkeiten. Denn da denselben noch jede Organisation, jeder Unterschied ungleichartiger Theile fehlt, da alle Lebenserscheinungen von einer und derselben gleichartigen und formlosen Materie vollzogen werden, so können wir uns ihre Entstehung durch Urzeugung sehr wohl denken. Geschieht dieselbe durch Plasmagonie, ist bereits lebensfähiges Plasma vorhanden, so braucht dasselbe bloß sich zu individualisiren, in gleicher Weise, wie bei der Krystallbildung sich die Mutterlauge der Krystalle individualisirt. Geschieht dagegen die Urzeugung der Moneren durch wahre Autogonie, so ist dazu noch erforderlich, daß vorher jenes lebensfähige Plasma, jener Urschleim, aus einfacheren Kohlenstoffver-
Entſtehung der Moneren durch Urzeugung.
geſetzten und zugleich die wichtigſten von allen, die Eiweißverbindun- gen oder Plasmakoͤrper, fruͤher oder ſpaͤter kuͤnſtlich in unſeren chemi- ſchen Werkſtaͤtten zu erzeugen. Dadurch iſt aber die tiefe Kluft zwi- ſchen organiſchen und anorganiſchen Koͤrpern, die man fruͤher allge- mein feſthielt, groͤßtentheils beſeitigt, und fuͤr die Vorſtellung der Urzeugung der Weg gebahnt.
Von noch groͤßerer, ja von der allergroͤßten Wichtigkeit fuͤr die Hypotheſe der Urzeugung ſind endlich die hoͤchſt merkwuͤrdigen Mo- neren, jene ſchon vorher mehrfach erwaͤhnten Lebeweſen, welche nicht nur die einfachſten beobachteten, ſondern auch uͤberhaupt die denkbar einfachſten von allen Organismen ſind 15). Schon fruͤher, als wir die einfachſten Erſcheinungen der Fortpflanzung und Vererbung unterſuchten, habe ich Jhnen dieſe wunderbaren „Organismen ohne Organ“ beſchrieben. Wir kennen jetzt ſchon ſechs verſchiedene Gattungen ſolcher Moneren, von denen einige im ſuͤßen Waſſer, andere im Meere leben (vergl. oben S. 142—144). Jn vollkommen ausgebildetem und frei beweglichem Zuſtande ſtellen ſie ſaͤmmtlich wei- ter Nichts dar, als ein ſtructurloſes Kluͤmpchen einer eiweißartigen Kohlenſtoffverbindung. Nur durch die Art der Fortpflanzung und Entwickelung, ſowie der Nahrungsaufnahme ſind die einzelnen Gat- tungen und Arten ein wenig verſchieden. Durch die Entdeckung dieſer Organismen, die von der allergroͤßten Bedeutung iſt, verliert die An- nahme einer Urzeugung den groͤßten Theil ihrer Schwierigkeiten. Denn da denſelben noch jede Organiſation, jeder Unterſchied ungleichartiger Theile fehlt, da alle Lebenserſcheinungen von einer und derſelben gleichartigen und formloſen Materie vollzogen werden, ſo koͤnnen wir uns ihre Entſtehung durch Urzeugung ſehr wohl denken. Geſchieht dieſelbe durch Plasmagonie, iſt bereits lebensfaͤhiges Plasma vorhanden, ſo braucht daſſelbe bloß ſich zu individualiſiren, in gleicher Weiſe, wie bei der Kryſtallbildung ſich die Mutterlauge der Kryſtalle individualiſirt. Geſchieht dagegen die Urzeugung der Moneren durch wahre Autogonie, ſo iſt dazu noch erforderlich, daß vorher jenes lebensfaͤhige Plasma, jener Urſchleim, aus einfacheren Kohlenſtoffver-
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Entſtehung der Moneren durch Urzeugung.
geſetzten und zugleich die wichtigſten von allen, die Eiweißverbindun-
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ſchen Werkſtaͤtten zu erzeugen. Dadurch iſt aber die tiefe Kluft zwi-
ſchen organiſchen und anorganiſchen Koͤrpern, die man fruͤher allge-
mein feſthielt, groͤßtentheils beſeitigt, und fuͤr die Vorſtellung der
Urzeugung der Weg gebahnt.
Von noch groͤßerer, ja von der allergroͤßten Wichtigkeit fuͤr die
Hypotheſe der Urzeugung ſind endlich die hoͤchſt merkwuͤrdigen Mo-
neren, jene ſchon vorher mehrfach erwaͤhnten Lebeweſen, welche
nicht nur die einfachſten beobachteten, ſondern auch uͤberhaupt die
denkbar einfachſten von allen Organismen ſind 15). Schon fruͤher,
als wir die einfachſten Erſcheinungen der Fortpflanzung und Vererbung
unterſuchten, habe ich Jhnen dieſe wunderbaren „Organismen
ohne Organ“ beſchrieben. Wir kennen jetzt ſchon ſechs verſchiedene
Gattungen ſolcher Moneren, von denen einige im ſuͤßen Waſſer,
andere im Meere leben (vergl. oben S. 142—144). Jn vollkommen
ausgebildetem und frei beweglichem Zuſtande ſtellen ſie ſaͤmmtlich wei-
ter Nichts dar, als ein ſtructurloſes Kluͤmpchen einer eiweißartigen
Kohlenſtoffverbindung. Nur durch die Art der Fortpflanzung und
Entwickelung, ſowie der Nahrungsaufnahme ſind die einzelnen Gat-
tungen und Arten ein wenig verſchieden. Durch die Entdeckung dieſer
Organismen, die von der allergroͤßten Bedeutung iſt, verliert die An-
nahme einer Urzeugung den groͤßten Theil ihrer Schwierigkeiten. Denn
da denſelben noch jede Organiſation, jeder Unterſchied ungleichartiger
Theile fehlt, da alle Lebenserſcheinungen von einer und derſelben
gleichartigen und formloſen Materie vollzogen werden, ſo koͤnnen wir
uns ihre Entſtehung durch Urzeugung ſehr wohl denken. Geſchieht
dieſelbe durch Plasmagonie, iſt bereits lebensfaͤhiges Plasma
vorhanden, ſo braucht daſſelbe bloß ſich zu individualiſiren, in gleicher
Weiſe, wie bei der Kryſtallbildung ſich die Mutterlauge der Kryſtalle
individualiſirt. Geſchieht dagegen die Urzeugung der Moneren durch
wahre Autogonie, ſo iſt dazu noch erforderlich, daß vorher jenes
lebensfaͤhige Plasma, jener Urſchleim, aus einfacheren Kohlenſtoffver-
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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/308>, abgerufen am 25.11.2024.
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