Eintheilung der organischen Erdgeschichte in geologische Perioden.
Thieren und Pflanzen. Wenn die Leichen derselben auf den Boden der Gewässer herabsanken, drückten sie ihre Körperform in dem wei- chen Schlamme ab, und unverwesliche Theile, harte Knochen, Zähne, Schalen u. s. w. wurden unzerstört in demselben eingeschlossen. Sie blieben in dem Schlamm, der sich zu neptunischem Gestein verdichtete, erhalten, und dienten nun als Versteinerungen zur Charakteristik der betreffenden Schichten. Durch sorgfältige Vergleichung der verschie- denen über einander gelagerten Schichten und der in ihnen enthaltenen Versteinerungen ist es so möglich geworden, sowohl das relative Alter der Schichten und Schichtengruppen zu bestimmen, als auch die Haupt- momente der Phylogenie oder der Entwickelungsgeschichte der Thier- und Pflanzenstämme empirisch festzustellen.
Die verschiedenen über einander abgelagerten Schichten der nep- tunischen Gesteine, welche in sehr mannichfaltiger Weise aus Kalk, Thon und Sand zusammengesetzt sind, haben die Geologen gruppen- weise in ein ideales System zusamengestellt, welches dem ganzen Zu- sammenhang der organischen Erdgeschichte entspricht, d. h. desjenigen Theiles der Erdgeschichte, während dessen organisches Leben existirte. Wie die sogenannte "Weltgeschichte" in größere und kleinere Perioden zerfällt, welche durch den zeitweiligen Entwickelungszustand der be- deutendsten Völker charakterisirt und durch hervorragende Ereignisse von einander abgegrenzt werden, so theilen wir auch die unendlich längere organische Erdgeschichte in eine Reihe von größeren oder klei- neren Perioden ein. Jede dieser Perioden ist durch eine charakteristische Flora und Fauna, durch die besonders starke Entwickelung einer be- stimmten Pflanzen- oder Thiergruppe ausgezeichnet, und jede ist von der vorhergehenden und folgenden Periode durch einen auffallenden Wechsel in der Zusammensetzung der Thier- und Pflanzenbevölkerung getrennt.
Für die nachfolgende Uebersicht des historischen Entwickelungs- ganges, den die großen Thier- und Pflanzenstämme genommen ha- ben, ist es nothwendig, zunächst hier die systematische Classification der neptunischen Schichtengruppen und der denselben entsprechenden grö-
Eintheilung der organiſchen Erdgeſchichte in geologiſche Perioden.
Thieren und Pflanzen. Wenn die Leichen derſelben auf den Boden der Gewaͤſſer herabſanken, druͤckten ſie ihre Koͤrperform in dem wei- chen Schlamme ab, und unverwesliche Theile, harte Knochen, Zaͤhne, Schalen u. ſ. w. wurden unzerſtoͤrt in demſelben eingeſchloſſen. Sie blieben in dem Schlamm, der ſich zu neptuniſchem Geſtein verdichtete, erhalten, und dienten nun als Verſteinerungen zur Charakteriſtik der betreffenden Schichten. Durch ſorgfaͤltige Vergleichung der verſchie- denen uͤber einander gelagerten Schichten und der in ihnen enthaltenen Verſteinerungen iſt es ſo moͤglich geworden, ſowohl das relative Alter der Schichten und Schichtengruppen zu beſtimmen, als auch die Haupt- momente der Phylogenie oder der Entwickelungsgeſchichte der Thier- und Pflanzenſtaͤmme empiriſch feſtzuſtellen.
Die verſchiedenen uͤber einander abgelagerten Schichten der nep- tuniſchen Geſteine, welche in ſehr mannichfaltiger Weiſe aus Kalk, Thon und Sand zuſammengeſetzt ſind, haben die Geologen gruppen- weiſe in ein ideales Syſtem zuſamengeſtellt, welches dem ganzen Zu- ſammenhang der organiſchen Erdgeſchichte entſpricht, d. h. desjenigen Theiles der Erdgeſchichte, waͤhrend deſſen organiſches Leben exiſtirte. Wie die ſogenannte „Weltgeſchichte“ in groͤßere und kleinere Perioden zerfaͤllt, welche durch den zeitweiligen Entwickelungszuſtand der be- deutendſten Voͤlker charakteriſirt und durch hervorragende Ereigniſſe von einander abgegrenzt werden, ſo theilen wir auch die unendlich laͤngere organiſche Erdgeſchichte in eine Reihe von groͤßeren oder klei- neren Perioden ein. Jede dieſer Perioden iſt durch eine charakteriſtiſche Flora und Fauna, durch die beſonders ſtarke Entwickelung einer be- ſtimmten Pflanzen- oder Thiergruppe ausgezeichnet, und jede iſt von der vorhergehenden und folgenden Periode durch einen auffallenden Wechſel in der Zuſammenſetzung der Thier- und Pflanzenbevoͤlkerung getrennt.
Fuͤr die nachfolgende Ueberſicht des hiſtoriſchen Entwickelungs- ganges, den die großen Thier- und Pflanzenſtaͤmme genommen ha- ben, iſt es nothwendig, zunaͤchſt hier die ſyſtematiſche Claſſification der neptuniſchen Schichtengruppen und der denſelben entſprechenden groͤ-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0318"n="293"/><fwplace="top"type="header">Eintheilung der organiſchen Erdgeſchichte in geologiſche Perioden.</fw><lb/>
Thieren und Pflanzen. Wenn die Leichen derſelben auf den Boden<lb/>
der Gewaͤſſer herabſanken, druͤckten ſie ihre Koͤrperform in dem wei-<lb/>
chen Schlamme ab, und unverwesliche Theile, harte Knochen, Zaͤhne,<lb/>
Schalen u. ſ. w. wurden unzerſtoͤrt in demſelben eingeſchloſſen. Sie<lb/>
blieben in dem Schlamm, der ſich zu neptuniſchem Geſtein verdichtete,<lb/>
erhalten, und dienten nun als Verſteinerungen zur Charakteriſtik der<lb/>
betreffenden Schichten. Durch ſorgfaͤltige Vergleichung der verſchie-<lb/>
denen uͤber einander gelagerten Schichten und der in ihnen enthaltenen<lb/>
Verſteinerungen iſt es ſo moͤglich geworden, ſowohl das relative Alter<lb/>
der Schichten und Schichtengruppen zu beſtimmen, als auch die Haupt-<lb/>
momente der Phylogenie oder der Entwickelungsgeſchichte der Thier-<lb/>
und Pflanzenſtaͤmme empiriſch feſtzuſtellen.</p><lb/><p>Die verſchiedenen uͤber einander abgelagerten Schichten der nep-<lb/>
tuniſchen Geſteine, welche in ſehr mannichfaltiger Weiſe aus Kalk,<lb/>
Thon und Sand zuſammengeſetzt ſind, haben die Geologen gruppen-<lb/>
weiſe in ein ideales Syſtem zuſamengeſtellt, welches dem ganzen Zu-<lb/>ſammenhang der organiſchen Erdgeſchichte entſpricht, d. h. desjenigen<lb/>
Theiles der Erdgeſchichte, waͤhrend deſſen organiſches Leben exiſtirte.<lb/>
Wie die ſogenannte „Weltgeſchichte“ in groͤßere und kleinere Perioden<lb/>
zerfaͤllt, welche durch den zeitweiligen Entwickelungszuſtand der be-<lb/>
deutendſten Voͤlker charakteriſirt und durch hervorragende Ereigniſſe<lb/>
von einander abgegrenzt werden, ſo theilen wir auch die unendlich<lb/>
laͤngere organiſche Erdgeſchichte in eine Reihe von groͤßeren oder klei-<lb/>
neren Perioden ein. Jede dieſer Perioden iſt durch eine charakteriſtiſche<lb/>
Flora und Fauna, durch die beſonders ſtarke Entwickelung einer be-<lb/>ſtimmten Pflanzen- oder Thiergruppe ausgezeichnet, und jede iſt von<lb/>
der vorhergehenden und folgenden Periode durch einen auffallenden<lb/>
Wechſel in der Zuſammenſetzung der Thier- und Pflanzenbevoͤlkerung<lb/>
getrennt.</p><lb/><p>Fuͤr die nachfolgende Ueberſicht des hiſtoriſchen Entwickelungs-<lb/>
ganges, den die großen Thier- und Pflanzenſtaͤmme genommen ha-<lb/>
ben, iſt es nothwendig, zunaͤchſt hier die ſyſtematiſche Claſſification der<lb/>
neptuniſchen Schichtengruppen und der denſelben entſprechenden groͤ-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[293/0318]
Eintheilung der organiſchen Erdgeſchichte in geologiſche Perioden.
Thieren und Pflanzen. Wenn die Leichen derſelben auf den Boden
der Gewaͤſſer herabſanken, druͤckten ſie ihre Koͤrperform in dem wei-
chen Schlamme ab, und unverwesliche Theile, harte Knochen, Zaͤhne,
Schalen u. ſ. w. wurden unzerſtoͤrt in demſelben eingeſchloſſen. Sie
blieben in dem Schlamm, der ſich zu neptuniſchem Geſtein verdichtete,
erhalten, und dienten nun als Verſteinerungen zur Charakteriſtik der
betreffenden Schichten. Durch ſorgfaͤltige Vergleichung der verſchie-
denen uͤber einander gelagerten Schichten und der in ihnen enthaltenen
Verſteinerungen iſt es ſo moͤglich geworden, ſowohl das relative Alter
der Schichten und Schichtengruppen zu beſtimmen, als auch die Haupt-
momente der Phylogenie oder der Entwickelungsgeſchichte der Thier-
und Pflanzenſtaͤmme empiriſch feſtzuſtellen.
Die verſchiedenen uͤber einander abgelagerten Schichten der nep-
tuniſchen Geſteine, welche in ſehr mannichfaltiger Weiſe aus Kalk,
Thon und Sand zuſammengeſetzt ſind, haben die Geologen gruppen-
weiſe in ein ideales Syſtem zuſamengeſtellt, welches dem ganzen Zu-
ſammenhang der organiſchen Erdgeſchichte entſpricht, d. h. desjenigen
Theiles der Erdgeſchichte, waͤhrend deſſen organiſches Leben exiſtirte.
Wie die ſogenannte „Weltgeſchichte“ in groͤßere und kleinere Perioden
zerfaͤllt, welche durch den zeitweiligen Entwickelungszuſtand der be-
deutendſten Voͤlker charakteriſirt und durch hervorragende Ereigniſſe
von einander abgegrenzt werden, ſo theilen wir auch die unendlich
laͤngere organiſche Erdgeſchichte in eine Reihe von groͤßeren oder klei-
neren Perioden ein. Jede dieſer Perioden iſt durch eine charakteriſtiſche
Flora und Fauna, durch die beſonders ſtarke Entwickelung einer be-
ſtimmten Pflanzen- oder Thiergruppe ausgezeichnet, und jede iſt von
der vorhergehenden und folgenden Periode durch einen auffallenden
Wechſel in der Zuſammenſetzung der Thier- und Pflanzenbevoͤlkerung
getrennt.
Fuͤr die nachfolgende Ueberſicht des hiſtoriſchen Entwickelungs-
ganges, den die großen Thier- und Pflanzenſtaͤmme genommen ha-
ben, iſt es nothwendig, zunaͤchſt hier die ſyſtematiſche Claſſification der
neptuniſchen Schichtengruppen und der denſelben entſprechenden groͤ-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/318>, abgerufen am 24.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.