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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.

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Secundärzeit oder Zeitalter der Nadelwälder.
Trotzdem können wir das primäre Zeitalter das der Fische nennen,
weil diese wenigen Amphibien und Reptilien ganz gegen die unge-
heure Menge der paläolithischen Fische zurücktreten. Ebenso wie die
Fische unter den Wirbelthieren, so herrschen unter den Pflanzen wäh-
rend dieses Zeitraums die Farnpflanzen oder Filicinen vor, und
zwar sowohl echte Farnkräuter und Farnbäume (Geopteriden),
als Schaftfarne (Calamophyten) und Schuppenfarne (Lepidophy-
ten). Diese landbewohnenden Farne oder Filicinen bildeten die
Hauptmasse der dichten paläolithischen Jnselwälder, deren fossile
Reste uns in den ungeheuer mächtigen Steinkohlenlagern des carbo-
nischen Systems, und in den schwächeren Kohlenlagern des devoni-
schen und permischen Systems erhalten sind. Sie berechtigen uns,
die Primärzeit eben sowohl das Zeitalter der Farne, als das der
Fische zu nennen.

Der dritte große Hauptabschnitt der paläontologischen Entwicke-
lungsgeschichte wird durch die Secundärzeit oder das Zeitalter der
Nadelwälder
gebildet, welches auch das mesolithische oder mesozoi-
sche Zeitalter genannt wird. Es reicht vom Ende der permischen
Schichtenbildung bis zum Ende der Kreideschichtenbildung, und zer-
fällt abermals in drei große Perioden. Die währenddessen abgela-
gerten Schichtensysteme sind zu unterst das Triassystem, in der Mitte
das Jurasystem, und zu oberst das Kreidesystem. Die durch-
schnittliche Dicke dieser drei Systeme zusammengenommen bleibt schon
weit hinter derjenigen der primären Systeme zurück und beträgt im
Ganzen nur ungefähr 15,000 Fuß. Die Secundärzeit wird demnach
wahrscheinlich nicht halb so lang als die Primärzeit gewesen sein.

Wie in der Primärzeit die Fische, so herrschen in der Secundär-
zeit die Schleicher oder Reptilien über alle übrigen Wirbel-
thiere vor. Zwar entstanden während dieses Zeitraums die ersten
Vögel und Säugethiere; auch lebten damals wichtige Amphibien, und
zu den zahlreich vorhandenen Urfischen und Schmelzfischen der älteren
Zeit gesellten sich die ersten Knochenfische. Allein die ganz charakte-
ristische und überwiegende Wirbelthierklasse der Secundärzeit bildeten

Secundaͤrzeit oder Zeitalter der Nadelwaͤlder.
Trotzdem koͤnnen wir das primaͤre Zeitalter das der Fiſche nennen,
weil dieſe wenigen Amphibien und Reptilien ganz gegen die unge-
heure Menge der palaͤolithiſchen Fiſche zuruͤcktreten. Ebenſo wie die
Fiſche unter den Wirbelthieren, ſo herrſchen unter den Pflanzen waͤh-
rend dieſes Zeitraums die Farnpflanzen oder Filicinen vor, und
zwar ſowohl echte Farnkraͤuter und Farnbaͤume (Geopteriden),
als Schaftfarne (Calamophyten) und Schuppenfarne (Lepidophy-
ten). Dieſe landbewohnenden Farne oder Filicinen bildeten die
Hauptmaſſe der dichten palaͤolithiſchen Jnſelwaͤlder, deren foſſile
Reſte uns in den ungeheuer maͤchtigen Steinkohlenlagern des carbo-
niſchen Syſtems, und in den ſchwaͤcheren Kohlenlagern des devoni-
ſchen und permiſchen Syſtems erhalten ſind. Sie berechtigen uns,
die Primaͤrzeit eben ſowohl das Zeitalter der Farne, als das der
Fiſche zu nennen.

Der dritte große Hauptabſchnitt der palaͤontologiſchen Entwicke-
lungsgeſchichte wird durch die Secundaͤrzeit oder das Zeitalter der
Nadelwaͤlder
gebildet, welches auch das meſolithiſche oder meſozoi-
ſche Zeitalter genannt wird. Es reicht vom Ende der permiſchen
Schichtenbildung bis zum Ende der Kreideſchichtenbildung, und zer-
faͤllt abermals in drei große Perioden. Die waͤhrenddeſſen abgela-
gerten Schichtenſyſteme ſind zu unterſt das Triasſyſtem, in der Mitte
das Juraſyſtem, und zu oberſt das Kreideſyſtem. Die durch-
ſchnittliche Dicke dieſer drei Syſteme zuſammengenommen bleibt ſchon
weit hinter derjenigen der primaͤren Syſteme zuruͤck und betraͤgt im
Ganzen nur ungefaͤhr 15,000 Fuß. Die Secundaͤrzeit wird demnach
wahrſcheinlich nicht halb ſo lang als die Primaͤrzeit geweſen ſein.

Wie in der Primaͤrzeit die Fiſche, ſo herrſchen in der Secundaͤr-
zeit die Schleicher oder Reptilien uͤber alle uͤbrigen Wirbel-
thiere vor. Zwar entſtanden waͤhrend dieſes Zeitraums die erſten
Voͤgel und Saͤugethiere; auch lebten damals wichtige Amphibien, und
zu den zahlreich vorhandenen Urfiſchen und Schmelzfiſchen der aͤlteren
Zeit geſellten ſich die erſten Knochenfiſche. Allein die ganz charakte-
riſtiſche und uͤberwiegende Wirbelthierklaſſe der Secundaͤrzeit bildeten

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[298/0323] Secundaͤrzeit oder Zeitalter der Nadelwaͤlder. Trotzdem koͤnnen wir das primaͤre Zeitalter das der Fiſche nennen, weil dieſe wenigen Amphibien und Reptilien ganz gegen die unge- heure Menge der palaͤolithiſchen Fiſche zuruͤcktreten. Ebenſo wie die Fiſche unter den Wirbelthieren, ſo herrſchen unter den Pflanzen waͤh- rend dieſes Zeitraums die Farnpflanzen oder Filicinen vor, und zwar ſowohl echte Farnkraͤuter und Farnbaͤume (Geopteriden), als Schaftfarne (Calamophyten) und Schuppenfarne (Lepidophy- ten). Dieſe landbewohnenden Farne oder Filicinen bildeten die Hauptmaſſe der dichten palaͤolithiſchen Jnſelwaͤlder, deren foſſile Reſte uns in den ungeheuer maͤchtigen Steinkohlenlagern des carbo- niſchen Syſtems, und in den ſchwaͤcheren Kohlenlagern des devoni- ſchen und permiſchen Syſtems erhalten ſind. Sie berechtigen uns, die Primaͤrzeit eben ſowohl das Zeitalter der Farne, als das der Fiſche zu nennen. Der dritte große Hauptabſchnitt der palaͤontologiſchen Entwicke- lungsgeſchichte wird durch die Secundaͤrzeit oder das Zeitalter der Nadelwaͤlder gebildet, welches auch das meſolithiſche oder meſozoi- ſche Zeitalter genannt wird. Es reicht vom Ende der permiſchen Schichtenbildung bis zum Ende der Kreideſchichtenbildung, und zer- faͤllt abermals in drei große Perioden. Die waͤhrenddeſſen abgela- gerten Schichtenſyſteme ſind zu unterſt das Triasſyſtem, in der Mitte das Juraſyſtem, und zu oberſt das Kreideſyſtem. Die durch- ſchnittliche Dicke dieſer drei Syſteme zuſammengenommen bleibt ſchon weit hinter derjenigen der primaͤren Syſteme zuruͤck und betraͤgt im Ganzen nur ungefaͤhr 15,000 Fuß. Die Secundaͤrzeit wird demnach wahrſcheinlich nicht halb ſo lang als die Primaͤrzeit geweſen ſein. Wie in der Primaͤrzeit die Fiſche, ſo herrſchen in der Secundaͤr- zeit die Schleicher oder Reptilien uͤber alle uͤbrigen Wirbel- thiere vor. Zwar entſtanden waͤhrend dieſes Zeitraums die erſten Voͤgel und Saͤugethiere; auch lebten damals wichtige Amphibien, und zu den zahlreich vorhandenen Urfiſchen und Schmelzfiſchen der aͤlteren Zeit geſellten ſich die erſten Knochenfiſche. Allein die ganz charakte- riſtiſche und uͤberwiegende Wirbelthierklaſſe der Secundaͤrzeit bildeten

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/323>, abgerufen am 26.11.2024.