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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.

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Wechsel der Senkungszeiträume und Hebungszeiträume.
zwei auf einanderfolgenden Schichtensystemen und zwischen je zwei For-
mationen derselben wahrnimmt, einem beträchtlichen Zwischenraum
von vielen Jahrtausenden, während dessen die betreffende Stelle der
Erdrinde über das Wasser gehoben war. Erst nach Ablauf dieser
Zwischenzeit, als eine neue Senkung diese Stelle wieder unter Wasser
brachte, fand die Ablagerung einer neuen Bodenschicht statt. Da
aber inzwischen die anorganischen und organischen Verhältnisse an
diesem Orte eine beträchtliche Umbildung erfahren hatten, mußte die
neugebildete Schlammschicht aus verschiedenen Bodenbestandtheilen zu-
sammengesetzt sein und verschiedene Versteinerungen einschließen.

Die auffallenden Unterschiede, die zwischen den Versteinerungen
zweier übereinander liegenden Schichten so häufig stattfinden, sind ein-
fach und leicht nur durch die Annahme zu erklären, daß derselbe
Punkt der Erdoberfläche wiederholten Senkungen und He-
bungen
ausgesetzt wurde. Noch gegenwärtig finden solche wechselnde
Hebungen und Senkungen, welche wir der Reaction des feuerflüssigen
Erdkerns gegen die erstarrte Rinde zuschreiben, in weiter Ausdehnung
statt. So steigt z. B. die Küste von Schweden und ein Theil von
der Westküste Südamerikas beständig langsam empor, während die
Küste von Holland und ein Theil von der Ostküste Südamerikas lang-
sam untersinkt. Das Steigen wie das Sinken geschieht nur sehr lang-
sam und beträgt im Jahrhundert bald nur einige Linien, bald einige
Zoll oder höchstens einige Fuß. Wenn aber diese Bewegung hun-
derte von Jahrtausenden hindurch ununterbrochen andauert, wird sie
fähig, die höchsten Gebirge zu bilden.

Offenbar haben ähnliche Hebungen und Senkungen, wie sie an
jenen Stellen noch heute zu messen sind, während des ganzen Ver-
laufs der organischen Erdgeschichte ununterbrochen an verschiedenen
Stellen mit einander gewechselt. Nun ist es aber für die Beurthei-
lung unserer paläontologischen Schöpfungsurkunde außerordentlich
wichtig, sich klar zu machen, daß bleibende Schichten sich bloß wäh-
rend langsamer Senkung des Bodens unter Wasser ablagern können,
nicht aber während andauernder Hebung. Wenn der Boden langsam

Wechſel der Senkungszeitraͤume und Hebungszeitraͤume.
zwei auf einanderfolgenden Schichtenſyſtemen und zwiſchen je zwei For-
mationen derſelben wahrnimmt, einem betraͤchtlichen Zwiſchenraum
von vielen Jahrtauſenden, waͤhrend deſſen die betreffende Stelle der
Erdrinde uͤber das Waſſer gehoben war. Erſt nach Ablauf dieſer
Zwiſchenzeit, als eine neue Senkung dieſe Stelle wieder unter Waſſer
brachte, fand die Ablagerung einer neuen Bodenſchicht ſtatt. Da
aber inzwiſchen die anorganiſchen und organiſchen Verhaͤltniſſe an
dieſem Orte eine betraͤchtliche Umbildung erfahren hatten, mußte die
neugebildete Schlammſchicht aus verſchiedenen Bodenbeſtandtheilen zu-
ſammengeſetzt ſein und verſchiedene Verſteinerungen einſchließen.

Die auffallenden Unterſchiede, die zwiſchen den Verſteinerungen
zweier uͤbereinander liegenden Schichten ſo haͤufig ſtattfinden, ſind ein-
fach und leicht nur durch die Annahme zu erklaͤren, daß derſelbe
Punkt der Erdoberflaͤche wiederholten Senkungen und He-
bungen
ausgeſetzt wurde. Noch gegenwaͤrtig finden ſolche wechſelnde
Hebungen und Senkungen, welche wir der Reaction des feuerfluͤſſigen
Erdkerns gegen die erſtarrte Rinde zuſchreiben, in weiter Ausdehnung
ſtatt. So ſteigt z. B. die Kuͤſte von Schweden und ein Theil von
der Weſtkuͤſte Suͤdamerikas beſtaͤndig langſam empor, waͤhrend die
Kuͤſte von Holland und ein Theil von der Oſtkuͤſte Suͤdamerikas lang-
ſam unterſinkt. Das Steigen wie das Sinken geſchieht nur ſehr lang-
ſam und betraͤgt im Jahrhundert bald nur einige Linien, bald einige
Zoll oder hoͤchſtens einige Fuß. Wenn aber dieſe Bewegung hun-
derte von Jahrtauſenden hindurch ununterbrochen andauert, wird ſie
faͤhig, die hoͤchſten Gebirge zu bilden.

Offenbar haben aͤhnliche Hebungen und Senkungen, wie ſie an
jenen Stellen noch heute zu meſſen ſind, waͤhrend des ganzen Ver-
laufs der organiſchen Erdgeſchichte ununterbrochen an verſchiedenen
Stellen mit einander gewechſelt. Nun iſt es aber fuͤr die Beurthei-
lung unſerer palaͤontologiſchen Schoͤpfungsurkunde außerordentlich
wichtig, ſich klar zu machen, daß bleibende Schichten ſich bloß waͤh-
rend langſamer Senkung des Bodens unter Waſſer ablagern koͤnnen,
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[303/0328] Wechſel der Senkungszeitraͤume und Hebungszeitraͤume. zwei auf einanderfolgenden Schichtenſyſtemen und zwiſchen je zwei For- mationen derſelben wahrnimmt, einem betraͤchtlichen Zwiſchenraum von vielen Jahrtauſenden, waͤhrend deſſen die betreffende Stelle der Erdrinde uͤber das Waſſer gehoben war. Erſt nach Ablauf dieſer Zwiſchenzeit, als eine neue Senkung dieſe Stelle wieder unter Waſſer brachte, fand die Ablagerung einer neuen Bodenſchicht ſtatt. Da aber inzwiſchen die anorganiſchen und organiſchen Verhaͤltniſſe an dieſem Orte eine betraͤchtliche Umbildung erfahren hatten, mußte die neugebildete Schlammſchicht aus verſchiedenen Bodenbeſtandtheilen zu- ſammengeſetzt ſein und verſchiedene Verſteinerungen einſchließen. Die auffallenden Unterſchiede, die zwiſchen den Verſteinerungen zweier uͤbereinander liegenden Schichten ſo haͤufig ſtattfinden, ſind ein- fach und leicht nur durch die Annahme zu erklaͤren, daß derſelbe Punkt der Erdoberflaͤche wiederholten Senkungen und He- bungen ausgeſetzt wurde. Noch gegenwaͤrtig finden ſolche wechſelnde Hebungen und Senkungen, welche wir der Reaction des feuerfluͤſſigen Erdkerns gegen die erſtarrte Rinde zuſchreiben, in weiter Ausdehnung ſtatt. So ſteigt z. B. die Kuͤſte von Schweden und ein Theil von der Weſtkuͤſte Suͤdamerikas beſtaͤndig langſam empor, waͤhrend die Kuͤſte von Holland und ein Theil von der Oſtkuͤſte Suͤdamerikas lang- ſam unterſinkt. Das Steigen wie das Sinken geſchieht nur ſehr lang- ſam und betraͤgt im Jahrhundert bald nur einige Linien, bald einige Zoll oder hoͤchſtens einige Fuß. Wenn aber dieſe Bewegung hun- derte von Jahrtauſenden hindurch ununterbrochen andauert, wird ſie faͤhig, die hoͤchſten Gebirge zu bilden. Offenbar haben aͤhnliche Hebungen und Senkungen, wie ſie an jenen Stellen noch heute zu meſſen ſind, waͤhrend des ganzen Ver- laufs der organiſchen Erdgeſchichte ununterbrochen an verſchiedenen Stellen mit einander gewechſelt. Nun iſt es aber fuͤr die Beurthei- lung unſerer palaͤontologiſchen Schoͤpfungsurkunde außerordentlich wichtig, ſich klar zu machen, daß bleibende Schichten ſich bloß waͤh- rend langſamer Senkung des Bodens unter Waſſer ablagern koͤnnen, nicht aber waͤhrend andauernder Hebung. Wenn der Boden langſam

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/328>, abgerufen am 27.11.2024.