sphaera echinoides von Nizza 25). Das Skelet besteht hier bloß aus einer einfachen Gitterkugel (s), welche kurze radiale Stacheln (a) trägt, und welche die Centralkapsel (c) locker umschließt. Von der Schleimhülle, die letztere umgiebt, strahlen sehr zahlreiche und feine Scheinfüßchen (p) aus, welche links zum Theil zurückgezogen und in eine klumpige Schleimmasse verschmolzen sind. Dazwischen sind viele gelbe Zellen (l) zerstreut.
Während die Acyttarien meistens nur auf dem Grunde des Mee- res leben, auf Steinen und Seepflanzen, zwischen Sand und Schlamm mittelst ihrer Scheinfüßchen umherkriechend, schwimmen dagegen die Radiolarien meistens an der Oberfläche des Meeres, mit rings aus- gestreckten Pseudopodien flottirend. Sie finden sich hier in ungeheuren Mengen beisammen, sind aber meistens so klein, daß man sie bis vor zwanzig Jahren fast völlig übersah und erst seit zehn Jahren ge- nauer kennen lernte. Fast nur diejenigen Radiolarien, welche in Ge- sellschaften beisammen leben (Polycyttarien) bilden Gallertklumpen von einigen Linien Durchmesser. Dagegen die meisten einzeln lebenden (Monocyttarien) kann man mit bloßem Auge nicht sehen. Trotzdem finden sich ihre versteinerten Schalen in solchen Massen angehäuft, daß sie an manchen Stellen ganze Berge zusammensetzen, z. B. die Niko- bareninseln bei Hinterindien und die Jnsel Barbados in den Antillen.
Da die Meisten von Jhnen mit den eben angeführten acht Pro- tistenklassen vermuthlich nur sehr wenig oder vielleicht gar nicht genauer bekannt sein werden, so will ich jetzt zunächst noch einiges Allgemeine über ihre Naturgeschichte bemerken. Die große Mehrzahl aller Proti- sten lebt im Meere, theils freischwimmend an der Oberfläche der See, theils auf dem Meeresboden kriechend, oder an Steinen, Muscheln, Pflanzen u. s. w. festgewachsen. Sehr viele Arten von Protisten leben auch im süßen Wasser, aber nur eine sehr geringe Anzahl auf dem festen Lande (z. B. die Myxomyceten, einige Protoplasten). Die meisten können nur durch das Mikroskop wahrgenommen werden, ausge- nommen, wenn sie zu Millionen von Jndividuen zusammengehäuft vorkommen. Nur Wenige erreichen einen Durchmesser von mehreren
Kieſelſchalige Strahlweſen oder Radiolarien.
sphaera echinoides von Nizza 25). Das Skelet beſteht hier bloß aus einer einfachen Gitterkugel (s), welche kurze radiale Stacheln (a) traͤgt, und welche die Centralkapſel (c) locker umſchließt. Von der Schleimhuͤlle, die letztere umgiebt, ſtrahlen ſehr zahlreiche und feine Scheinfuͤßchen (p) aus, welche links zum Theil zuruͤckgezogen und in eine klumpige Schleimmaſſe verſchmolzen ſind. Dazwiſchen ſind viele gelbe Zellen (l) zerſtreut.
Waͤhrend die Acyttarien meiſtens nur auf dem Grunde des Mee- res leben, auf Steinen und Seepflanzen, zwiſchen Sand und Schlamm mittelſt ihrer Scheinfuͤßchen umherkriechend, ſchwimmen dagegen die Radiolarien meiſtens an der Oberflaͤche des Meeres, mit rings aus- geſtreckten Pſeudopodien flottirend. Sie finden ſich hier in ungeheuren Mengen beiſammen, ſind aber meiſtens ſo klein, daß man ſie bis vor zwanzig Jahren faſt voͤllig uͤberſah und erſt ſeit zehn Jahren ge- nauer kennen lernte. Faſt nur diejenigen Radiolarien, welche in Ge- ſellſchaften beiſammen leben (Polycyttarien) bilden Gallertklumpen von einigen Linien Durchmeſſer. Dagegen die meiſten einzeln lebenden (Monocyttarien) kann man mit bloßem Auge nicht ſehen. Trotzdem finden ſich ihre verſteinerten Schalen in ſolchen Maſſen angehaͤuft, daß ſie an manchen Stellen ganze Berge zuſammenſetzen, z. B. die Niko- bareninſeln bei Hinterindien und die Jnſel Barbados in den Antillen.
Da die Meiſten von Jhnen mit den eben angefuͤhrten acht Pro- tiſtenklaſſen vermuthlich nur ſehr wenig oder vielleicht gar nicht genauer bekannt ſein werden, ſo will ich jetzt zunaͤchſt noch einiges Allgemeine uͤber ihre Naturgeſchichte bemerken. Die große Mehrzahl aller Proti- ſten lebt im Meere, theils freiſchwimmend an der Oberflaͤche der See, theils auf dem Meeresboden kriechend, oder an Steinen, Muſcheln, Pflanzen u. ſ. w. feſtgewachſen. Sehr viele Arten von Protiſten leben auch im ſuͤßen Waſſer, aber nur eine ſehr geringe Anzahl auf dem feſten Lande (z. B. die Myxomyceten, einige Protoplaſten). Die meiſten koͤnnen nur durch das Mikroſkop wahrgenommen werden, ausge- nommen, wenn ſie zu Millionen von Jndividuen zuſammengehaͤuft vorkommen. Nur Wenige erreichen einen Durchmeſſer von mehreren
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Kieſelſchalige Strahlweſen oder Radiolarien.
sphaera echinoides von Nizza 25). Das Skelet beſteht hier bloß
aus einer einfachen Gitterkugel (s), welche kurze radiale Stacheln (a)
traͤgt, und welche die Centralkapſel (c) locker umſchließt. Von der
Schleimhuͤlle, die letztere umgiebt, ſtrahlen ſehr zahlreiche und feine
Scheinfuͤßchen (p) aus, welche links zum Theil zuruͤckgezogen und in
eine klumpige Schleimmaſſe verſchmolzen ſind. Dazwiſchen ſind viele
gelbe Zellen (l) zerſtreut.
Waͤhrend die Acyttarien meiſtens nur auf dem Grunde des Mee-
res leben, auf Steinen und Seepflanzen, zwiſchen Sand und Schlamm
mittelſt ihrer Scheinfuͤßchen umherkriechend, ſchwimmen dagegen die
Radiolarien meiſtens an der Oberflaͤche des Meeres, mit rings aus-
geſtreckten Pſeudopodien flottirend. Sie finden ſich hier in ungeheuren
Mengen beiſammen, ſind aber meiſtens ſo klein, daß man ſie bis
vor zwanzig Jahren faſt voͤllig uͤberſah und erſt ſeit zehn Jahren ge-
nauer kennen lernte. Faſt nur diejenigen Radiolarien, welche in Ge-
ſellſchaften beiſammen leben (Polycyttarien) bilden Gallertklumpen von
einigen Linien Durchmeſſer. Dagegen die meiſten einzeln lebenden
(Monocyttarien) kann man mit bloßem Auge nicht ſehen. Trotzdem
finden ſich ihre verſteinerten Schalen in ſolchen Maſſen angehaͤuft, daß
ſie an manchen Stellen ganze Berge zuſammenſetzen, z. B. die Niko-
bareninſeln bei Hinterindien und die Jnſel Barbados in den Antillen.
Da die Meiſten von Jhnen mit den eben angefuͤhrten acht Pro-
tiſtenklaſſen vermuthlich nur ſehr wenig oder vielleicht gar nicht genauer
bekannt ſein werden, ſo will ich jetzt zunaͤchſt noch einiges Allgemeine
uͤber ihre Naturgeſchichte bemerken. Die große Mehrzahl aller Proti-
ſten lebt im Meere, theils freiſchwimmend an der Oberflaͤche der See,
theils auf dem Meeresboden kriechend, oder an Steinen, Muſcheln,
Pflanzen u. ſ. w. feſtgewachſen. Sehr viele Arten von Protiſten leben
auch im ſuͤßen Waſſer, aber nur eine ſehr geringe Anzahl auf dem
feſten Lande (z. B. die Myxomyceten, einige Protoplaſten). Die meiſten
koͤnnen nur durch das Mikroſkop wahrgenommen werden, ausge-
nommen, wenn ſie zu Millionen von Jndividuen zuſammengehaͤuft
vorkommen. Nur Wenige erreichen einen Durchmeſſer von mehreren
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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/365>, abgerufen am 26.11.2024.
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