Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.Tangmose oder Characeen. Lebermose oder Thallobryen. anatomischen Bau, besonders der Fortpflanzungsorgane, den Mosenund werden diesen neuerdings unmittelbar angereiht. Andrerseits ste- hen sie durch viele Eigenschaften tief unter den übrigen Mosen und schließen sich vielmehr den Grüntangen oder Chlorophyceen an. Man könnte sie daher wohl als übrig gebliebene und eigenthümlich ausge- bildete Abkömmlinge von jenen Grüntangen betrachten, aus denen sich die übrigen Mose entwickelt haben. Durch manche Eigenthümlich- keiten sind übrigens die Tangmose so sehr von allen übrigen Pflanzen verschieden, daß viele Botaniker sie als eine besondere Hauptabthei- lung des Pflanzenreichs betrachten. Man könnte sogar daran denken, daß sie einen ganz besonderen Stamm bilden, welcher sich selbststän- dig aus einer eigenen archigonen Monerenform entwickelt hat. Die Versteinerungskunde kann uns darüber nicht belehren. Die zweite Klasse der Mose bilden die Lebermose (Hepaticae Diejenigen Mose, welche der Laie gewöhnlich allein kennt, und Tangmoſe oder Characeen. Lebermoſe oder Thallobryen. anatomiſchen Bau, beſonders der Fortpflanzungsorgane, den Moſenund werden dieſen neuerdings unmittelbar angereiht. Andrerſeits ſte- hen ſie durch viele Eigenſchaften tief unter den uͤbrigen Moſen und ſchließen ſich vielmehr den Gruͤntangen oder Chlorophyceen an. Man koͤnnte ſie daher wohl als uͤbrig gebliebene und eigenthuͤmlich ausge- bildete Abkoͤmmlinge von jenen Gruͤntangen betrachten, aus denen ſich die uͤbrigen Moſe entwickelt haben. Durch manche Eigenthuͤmlich- keiten ſind uͤbrigens die Tangmoſe ſo ſehr von allen uͤbrigen Pflanzen verſchieden, daß viele Botaniker ſie als eine beſondere Hauptabthei- lung des Pflanzenreichs betrachten. Man koͤnnte ſogar daran denken, daß ſie einen ganz beſonderen Stamm bilden, welcher ſich ſelbſtſtaͤn- dig aus einer eigenen archigonen Monerenform entwickelt hat. Die Verſteinerungskunde kann uns daruͤber nicht belehren. Die zweite Klaſſe der Moſe bilden die Lebermoſe (Hepaticae Diejenigen Moſe, welche der Laie gewoͤhnlich allein kennt, und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0390" n="365"/><fw place="top" type="header">Tangmoſe oder Characeen. Lebermoſe oder Thallobryen.</fw><lb/> anatomiſchen Bau, beſonders der Fortpflanzungsorgane, den Moſen<lb/> und werden dieſen neuerdings unmittelbar angereiht. Andrerſeits ſte-<lb/> hen ſie durch viele Eigenſchaften tief unter den uͤbrigen Moſen und<lb/> ſchließen ſich vielmehr den Gruͤntangen oder Chlorophyceen an. Man<lb/> koͤnnte ſie daher wohl als uͤbrig gebliebene und eigenthuͤmlich ausge-<lb/> bildete Abkoͤmmlinge von jenen Gruͤntangen betrachten, aus denen ſich<lb/> die uͤbrigen Moſe entwickelt haben. Durch manche Eigenthuͤmlich-<lb/> keiten ſind uͤbrigens die Tangmoſe ſo ſehr von allen uͤbrigen Pflanzen<lb/> verſchieden, daß viele Botaniker ſie als eine beſondere Hauptabthei-<lb/> lung des Pflanzenreichs betrachten. Man koͤnnte ſogar daran denken,<lb/> daß ſie einen ganz beſonderen Stamm bilden, welcher ſich ſelbſtſtaͤn-<lb/> dig aus einer eigenen archigonen Monerenform entwickelt hat. Die<lb/> Verſteinerungskunde kann uns daruͤber nicht belehren.</p><lb/> <p>Die zweite Klaſſe der Moſe bilden die <hi rendition="#g">Lebermoſe</hi> (<hi rendition="#aq">Hepaticae</hi><lb/> oder <hi rendition="#aq">Thallobrya</hi>). Die hierher gehoͤrigen Moſe ſind meiſtens wenig<lb/> bekannte, kleine und unanſehnliche Formen. Die niederſten Formen<lb/> derſelben beſitzen noch in beiden Generationen einen einfachen Thallus,<lb/> wie die Thalluspflanzen, ſo z. B. die Riccien und Marchantien. Die<lb/> hoͤheren Lebermoſe dagegen, die Jungermannien und Verwandte, be-<lb/> ginnen allmaͤhlich Stengel und Blatt zu ſondern, und die hoͤchſten<lb/> ſchließen ſich unmittelbar an die Laubmoſe an. Die Lebermoſe zeigen<lb/> durch dieſe Uebergangsbildung ihre direkte Abſtammung von den<lb/> Thallophyten, und zwar wahrſcheinlich von den Gruͤntangen.</p><lb/> <p>Diejenigen Moſe, welche der Laie gewoͤhnlich allein kennt, und<lb/> welche auch in der That den hauptſaͤchlichſten Beſtandtheil der ganzen<lb/> Hauptklaſſe bilden, gehoͤren zu der dritten Klaſſe, den <hi rendition="#g">Laubmoſen</hi><lb/> (<hi rendition="#aq">Musci frondosi, Musci</hi> im engeren Sinne oder <hi rendition="#aq">Phyllobrya</hi> ge-<lb/> nannt). Hierher gehoͤren die meiſten jener zierlichen Pflaͤnzchen, die<lb/> zu dichten Gruppen vereinigt, den ſeidenglaͤnzenden Mosteppich unſerer<lb/> Waͤlder bilden, oder auch in Gemeinſchaft mit Lebermoſen und Flech-<lb/> ten die Rinde der Baͤume uͤberziehen. Als die Waſſerbehaͤlter, welche<lb/> die Feuchtigkeit ſorgfaͤltig aufbewahren, ſind ſie fuͤr die Oekonomie<lb/> der Natur von der groͤßten Wichtigkeit. Wo der Menſch ſchonungs-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [365/0390]
Tangmoſe oder Characeen. Lebermoſe oder Thallobryen.
anatomiſchen Bau, beſonders der Fortpflanzungsorgane, den Moſen
und werden dieſen neuerdings unmittelbar angereiht. Andrerſeits ſte-
hen ſie durch viele Eigenſchaften tief unter den uͤbrigen Moſen und
ſchließen ſich vielmehr den Gruͤntangen oder Chlorophyceen an. Man
koͤnnte ſie daher wohl als uͤbrig gebliebene und eigenthuͤmlich ausge-
bildete Abkoͤmmlinge von jenen Gruͤntangen betrachten, aus denen ſich
die uͤbrigen Moſe entwickelt haben. Durch manche Eigenthuͤmlich-
keiten ſind uͤbrigens die Tangmoſe ſo ſehr von allen uͤbrigen Pflanzen
verſchieden, daß viele Botaniker ſie als eine beſondere Hauptabthei-
lung des Pflanzenreichs betrachten. Man koͤnnte ſogar daran denken,
daß ſie einen ganz beſonderen Stamm bilden, welcher ſich ſelbſtſtaͤn-
dig aus einer eigenen archigonen Monerenform entwickelt hat. Die
Verſteinerungskunde kann uns daruͤber nicht belehren.
Die zweite Klaſſe der Moſe bilden die Lebermoſe (Hepaticae
oder Thallobrya). Die hierher gehoͤrigen Moſe ſind meiſtens wenig
bekannte, kleine und unanſehnliche Formen. Die niederſten Formen
derſelben beſitzen noch in beiden Generationen einen einfachen Thallus,
wie die Thalluspflanzen, ſo z. B. die Riccien und Marchantien. Die
hoͤheren Lebermoſe dagegen, die Jungermannien und Verwandte, be-
ginnen allmaͤhlich Stengel und Blatt zu ſondern, und die hoͤchſten
ſchließen ſich unmittelbar an die Laubmoſe an. Die Lebermoſe zeigen
durch dieſe Uebergangsbildung ihre direkte Abſtammung von den
Thallophyten, und zwar wahrſcheinlich von den Gruͤntangen.
Diejenigen Moſe, welche der Laie gewoͤhnlich allein kennt, und
welche auch in der That den hauptſaͤchlichſten Beſtandtheil der ganzen
Hauptklaſſe bilden, gehoͤren zu der dritten Klaſſe, den Laubmoſen
(Musci frondosi, Musci im engeren Sinne oder Phyllobrya ge-
nannt). Hierher gehoͤren die meiſten jener zierlichen Pflaͤnzchen, die
zu dichten Gruppen vereinigt, den ſeidenglaͤnzenden Mosteppich unſerer
Waͤlder bilden, oder auch in Gemeinſchaft mit Lebermoſen und Flech-
ten die Rinde der Baͤume uͤberziehen. Als die Waſſerbehaͤlter, welche
die Feuchtigkeit ſorgfaͤltig aufbewahren, ſind ſie fuͤr die Oekonomie
der Natur von der groͤßten Wichtigkeit. Wo der Menſch ſchonungs-
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