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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.

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Schuppenfarne oder Lepidophyten.
(Sigillarieae). Diese beiden Ordnungen treten schon in der Devon-
zeit mit einzelnen Arten auf, erreichen jedoch ihre massenhafte und er-
staunliche Ausbildung erst in der Steinkohlenzeit, und sterben bereits
gegen Ende derselben oder in der darauf folgenden Antepermzeit wie-
der aus. Die Schuppenbäume oder Lepidodendren waren wahr-
scheinlich den Bärlappen noch näher verwandt, als die Siegelbäume.
Sie erhoben sich zu prachtvollen, unverästelten und gerade aufsteigen-
den Stämmen, die sich am Gipfel nach Art eines Kronleuchters
gabelspaltig in zahlreiche Aeste theilten. Diese trugen eine mächtige
Krone von Schuppenblättern und waren gleich dem Stamm in zierlichen
Spirallinien von den Narben oder Ansatzstellen der abgefallenen Blät-
ter bedeckt. Man kennt Schuppenbäume von 40 -- 60 Fuß Länge
und 12 -- 15 Fuß Durchmesser am Wurzelende. Einzelne Stämme
sollen selbst mehr als hundert Fuß lang sein. Noch viel massenhafter
finden sich in der Steinkohle die nicht minder hohen, aber schlankeren
Stämme der merkwürdigen Siegelbäume oder Sigillarien angehäuft, die
an manchen Orten hauptsächlich die Steinkohlenflötze zusammensetzen.
Jhre Wurzelstöcke hat man früher als eine ganz besondere Pflanzen-
form (Stigmaria) beschrieben. Die Siegelbäume sind in vieler
Beziehung den Schuppenbäumen sehr ähnlich, weichen jedoch durch
ihren anatomischen Bau schon mehrfach von diesen und von den Far-
nen überhaupt ab, und scheinen einen Uebergang zu den Gymnosper-
men, insbesondere zu den Palmfarnen oder Cycadeen zu bilden.

Jndem wir nun die dichten Farnwälder der Primärzeit verlassen,
welche vorzugsweise aus den Laubfarnen, aus den Schuppenbäumen
und Siegelbäumen zusammengesetzt sind, treten wir in die nicht min-
der charakteristischen Nadelwälder der Secundärzeit hinüber. Damit
treten wir aber zugleich aus dem Bereiche der blumenlosen Pflanzen
oder Kryptogamen in die zweite Hauptabtheilung des Pflanzenreichs,
in das Unterreich der Blumenpflanzen oder Phaneroga-
men
hinein. Diese formenreiche Abtheilung, welche die Hauptmasse
der jetzt lebenden Pflanzenwelt, und namentlich die große Mehrzahl
der landbewohnenden Pflanzen enthält, ist jedenfalls viel jüngeren

Schuppenfarne oder Lepidophyten.
(Sigillarieae). Dieſe beiden Ordnungen treten ſchon in der Devon-
zeit mit einzelnen Arten auf, erreichen jedoch ihre maſſenhafte und er-
ſtaunliche Ausbildung erſt in der Steinkohlenzeit, und ſterben bereits
gegen Ende derſelben oder in der darauf folgenden Antepermzeit wie-
der aus. Die Schuppenbaͤume oder Lepidodendren waren wahr-
ſcheinlich den Baͤrlappen noch naͤher verwandt, als die Siegelbaͤume.
Sie erhoben ſich zu prachtvollen, unveraͤſtelten und gerade aufſteigen-
den Staͤmmen, die ſich am Gipfel nach Art eines Kronleuchters
gabelſpaltig in zahlreiche Aeſte theilten. Dieſe trugen eine maͤchtige
Krone von Schuppenblaͤttern und waren gleich dem Stamm in zierlichen
Spirallinien von den Narben oder Anſatzſtellen der abgefallenen Blaͤt-
ter bedeckt. Man kennt Schuppenbaͤume von 40 — 60 Fuß Laͤnge
und 12 — 15 Fuß Durchmeſſer am Wurzelende. Einzelne Staͤmme
ſollen ſelbſt mehr als hundert Fuß lang ſein. Noch viel maſſenhafter
finden ſich in der Steinkohle die nicht minder hohen, aber ſchlankeren
Staͤmme der merkwuͤrdigen Siegelbaͤume oder Sigillarien angehaͤuft, die
an manchen Orten hauptſaͤchlich die Steinkohlenfloͤtze zuſammenſetzen.
Jhre Wurzelſtoͤcke hat man fruͤher als eine ganz beſondere Pflanzen-
form (Stigmaria) beſchrieben. Die Siegelbaͤume ſind in vieler
Beziehung den Schuppenbaͤumen ſehr aͤhnlich, weichen jedoch durch
ihren anatomiſchen Bau ſchon mehrfach von dieſen und von den Far-
nen uͤberhaupt ab, und ſcheinen einen Uebergang zu den Gymnoſper-
men, insbeſondere zu den Palmfarnen oder Cycadeen zu bilden.

Jndem wir nun die dichten Farnwaͤlder der Primaͤrzeit verlaſſen,
welche vorzugsweiſe aus den Laubfarnen, aus den Schuppenbaͤumen
und Siegelbaͤumen zuſammengeſetzt ſind, treten wir in die nicht min-
der charakteriſtiſchen Nadelwaͤlder der Secundaͤrzeit hinuͤber. Damit
treten wir aber zugleich aus dem Bereiche der blumenloſen Pflanzen
oder Kryptogamen in die zweite Hauptabtheilung des Pflanzenreichs,
in das Unterreich der Blumenpflanzen oder Phaneroga-
men
hinein. Dieſe formenreiche Abtheilung, welche die Hauptmaſſe
der jetzt lebenden Pflanzenwelt, und namentlich die große Mehrzahl
der landbewohnenden Pflanzen enthaͤlt, iſt jedenfalls viel juͤngeren

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[372/0397] Schuppenfarne oder Lepidophyten. (Sigillarieae). Dieſe beiden Ordnungen treten ſchon in der Devon- zeit mit einzelnen Arten auf, erreichen jedoch ihre maſſenhafte und er- ſtaunliche Ausbildung erſt in der Steinkohlenzeit, und ſterben bereits gegen Ende derſelben oder in der darauf folgenden Antepermzeit wie- der aus. Die Schuppenbaͤume oder Lepidodendren waren wahr- ſcheinlich den Baͤrlappen noch naͤher verwandt, als die Siegelbaͤume. Sie erhoben ſich zu prachtvollen, unveraͤſtelten und gerade aufſteigen- den Staͤmmen, die ſich am Gipfel nach Art eines Kronleuchters gabelſpaltig in zahlreiche Aeſte theilten. Dieſe trugen eine maͤchtige Krone von Schuppenblaͤttern und waren gleich dem Stamm in zierlichen Spirallinien von den Narben oder Anſatzſtellen der abgefallenen Blaͤt- ter bedeckt. Man kennt Schuppenbaͤume von 40 — 60 Fuß Laͤnge und 12 — 15 Fuß Durchmeſſer am Wurzelende. Einzelne Staͤmme ſollen ſelbſt mehr als hundert Fuß lang ſein. Noch viel maſſenhafter finden ſich in der Steinkohle die nicht minder hohen, aber ſchlankeren Staͤmme der merkwuͤrdigen Siegelbaͤume oder Sigillarien angehaͤuft, die an manchen Orten hauptſaͤchlich die Steinkohlenfloͤtze zuſammenſetzen. Jhre Wurzelſtoͤcke hat man fruͤher als eine ganz beſondere Pflanzen- form (Stigmaria) beſchrieben. Die Siegelbaͤume ſind in vieler Beziehung den Schuppenbaͤumen ſehr aͤhnlich, weichen jedoch durch ihren anatomiſchen Bau ſchon mehrfach von dieſen und von den Far- nen uͤberhaupt ab, und ſcheinen einen Uebergang zu den Gymnoſper- men, insbeſondere zu den Palmfarnen oder Cycadeen zu bilden. Jndem wir nun die dichten Farnwaͤlder der Primaͤrzeit verlaſſen, welche vorzugsweiſe aus den Laubfarnen, aus den Schuppenbaͤumen und Siegelbaͤumen zuſammengeſetzt ſind, treten wir in die nicht min- der charakteriſtiſchen Nadelwaͤlder der Secundaͤrzeit hinuͤber. Damit treten wir aber zugleich aus dem Bereiche der blumenloſen Pflanzen oder Kryptogamen in die zweite Hauptabtheilung des Pflanzenreichs, in das Unterreich der Blumenpflanzen oder Phaneroga- men hinein. Dieſe formenreiche Abtheilung, welche die Hauptmaſſe der jetzt lebenden Pflanzenwelt, und namentlich die große Mehrzahl der landbewohnenden Pflanzen enthaͤlt, iſt jedenfalls viel juͤngeren

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/397>, abgerufen am 23.11.2024.