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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.

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Weichwürmer oder Scoleciden.
bilden. Jhren Namen führt diese ganze Gruppe von dem charakte-
ristischen Wimperkleid, welches den ganzen Körper oder einen Theil
desselben bedeckt, und mittelst dessen sie sich lebhaft umherbewegen.
Die Starrinfusorien dagegen sind wimperlos und sitzen unbeweglich
fest; nur in frühester Jugend schwimmen sie mittelst eines vergäng-
lichen Wimperkleides frei umher und sind dann von den Wimperthieren
nicht zu unterscheiden. Unter den Wimperthieren schließen sich einige
Formen unmittelbar an die frühesten Jugendzustände der Pflanzen-
thiere, andere an diejenigen der übrigen Würmer, der Sternthiere
und der Weichthiere an. Einige Wimperthiere bilden den Uebergang
zu den Strudelwürmern, andere zu den Räderthieren, noch andere
zu verschiedenen anderen Würmergruppen. Jn allen diesen Verhält-
nissen zusammengenommen finden wir genügenden Grund, die be-
wimperten Jnfusorien
(natürlich nicht die jetzt lebenden, son-
dern längst ausgestorbene Formen) als diejenigen Urwürmer
zu betrachten, aus denen sich die übrigen Thierstämme
direct oder indirect entwickelt haben.

Zunächst an die Urwürmer schließt sich von den übrigen Wür-
mern die zweite Hauptklasse an, die Weichwürmer (Scolecida).
Wir verstehen darunter die beiden tiefstehenden Klassen der Platt-
würmer oder Platyelminthen und der Rundwürmer oder Nematel-
minthen. Die Klasse der Plattwürmer (Platyelminthes) führt
ihren Namen von der blattförmigen Körpergestalt, die vom Rücken
nach der Bauchseite stark zusammengedrückt ist. Die wahrscheinlichen
Stammformen der ganzen Klasse sind die Strudelwürmer (Tur-
bellaria),
welche sich sowohl durch ihr Wimperkleid als durch ihre innere
Organisation unmittelbar an die bewimperten Urwürmer oder Ciliaten
anschließen. Aus den frei im Wasser lebenden Strudelwürmern sind
durch Anpassung an parasitische Lebensweise die schmarotzenden Saug-
würmer
(Trematoda) entstanden, und aus diesen durch weiter ge-
henden Parasitismus die Bandwürmer (Cestoda). Andrerseits ha-
ben sich vielleicht aus den Saugwürmern die Egel (Hirudinea) ent-
wickelt, zu denen unser gewöhnlicher Blutegel gehört. Diesen vielleicht

Weichwuͤrmer oder Scoleciden.
bilden. Jhren Namen fuͤhrt dieſe ganze Gruppe von dem charakte-
riſtiſchen Wimperkleid, welches den ganzen Koͤrper oder einen Theil
deſſelben bedeckt, und mittelſt deſſen ſie ſich lebhaft umherbewegen.
Die Starrinfuſorien dagegen ſind wimperlos und ſitzen unbeweglich
feſt; nur in fruͤheſter Jugend ſchwimmen ſie mittelſt eines vergaͤng-
lichen Wimperkleides frei umher und ſind dann von den Wimperthieren
nicht zu unterſcheiden. Unter den Wimperthieren ſchließen ſich einige
Formen unmittelbar an die fruͤheſten Jugendzuſtaͤnde der Pflanzen-
thiere, andere an diejenigen der uͤbrigen Wuͤrmer, der Sternthiere
und der Weichthiere an. Einige Wimperthiere bilden den Uebergang
zu den Strudelwuͤrmern, andere zu den Raͤderthieren, noch andere
zu verſchiedenen anderen Wuͤrmergruppen. Jn allen dieſen Verhaͤlt-
niſſen zuſammengenommen finden wir genuͤgenden Grund, die be-
wimperten Jnfuſorien
(natuͤrlich nicht die jetzt lebenden, ſon-
dern laͤngſt ausgeſtorbene Formen) als diejenigen Urwuͤrmer
zu betrachten, aus denen ſich die uͤbrigen Thierſtaͤmme
direct oder indirect entwickelt haben.

Zunaͤchſt an die Urwuͤrmer ſchließt ſich von den uͤbrigen Wuͤr-
mern die zweite Hauptklaſſe an, die Weichwuͤrmer (Scolecida).
Wir verſtehen darunter die beiden tiefſtehenden Klaſſen der Platt-
wuͤrmer oder Platyelminthen und der Rundwuͤrmer oder Nematel-
minthen. Die Klaſſe der Plattwuͤrmer (Platyelminthes) fuͤhrt
ihren Namen von der blattfoͤrmigen Koͤrpergeſtalt, die vom Ruͤcken
nach der Bauchſeite ſtark zuſammengedruͤckt iſt. Die wahrſcheinlichen
Stammformen der ganzen Klaſſe ſind die Strudelwuͤrmer (Tur-
bellaria),
welche ſich ſowohl durch ihr Wimperkleid als durch ihre innere
Organiſation unmittelbar an die bewimperten Urwuͤrmer oder Ciliaten
anſchließen. Aus den frei im Waſſer lebenden Strudelwuͤrmern ſind
durch Anpaſſung an paraſitiſche Lebensweiſe die ſchmarotzenden Saug-
wuͤrmer
(Trematoda) entſtanden, und aus dieſen durch weiter ge-
henden Paraſitismus die Bandwuͤrmer (Cestoda). Andrerſeits ha-
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wickelt, zu denen unſer gewoͤhnlicher Blutegel gehoͤrt. Dieſen vielleicht

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[406/0431] Weichwuͤrmer oder Scoleciden. bilden. Jhren Namen fuͤhrt dieſe ganze Gruppe von dem charakte- riſtiſchen Wimperkleid, welches den ganzen Koͤrper oder einen Theil deſſelben bedeckt, und mittelſt deſſen ſie ſich lebhaft umherbewegen. Die Starrinfuſorien dagegen ſind wimperlos und ſitzen unbeweglich feſt; nur in fruͤheſter Jugend ſchwimmen ſie mittelſt eines vergaͤng- lichen Wimperkleides frei umher und ſind dann von den Wimperthieren nicht zu unterſcheiden. Unter den Wimperthieren ſchließen ſich einige Formen unmittelbar an die fruͤheſten Jugendzuſtaͤnde der Pflanzen- thiere, andere an diejenigen der uͤbrigen Wuͤrmer, der Sternthiere und der Weichthiere an. Einige Wimperthiere bilden den Uebergang zu den Strudelwuͤrmern, andere zu den Raͤderthieren, noch andere zu verſchiedenen anderen Wuͤrmergruppen. Jn allen dieſen Verhaͤlt- niſſen zuſammengenommen finden wir genuͤgenden Grund, die be- wimperten Jnfuſorien (natuͤrlich nicht die jetzt lebenden, ſon- dern laͤngſt ausgeſtorbene Formen) als diejenigen Urwuͤrmer zu betrachten, aus denen ſich die uͤbrigen Thierſtaͤmme direct oder indirect entwickelt haben. Zunaͤchſt an die Urwuͤrmer ſchließt ſich von den uͤbrigen Wuͤr- mern die zweite Hauptklaſſe an, die Weichwuͤrmer (Scolecida). Wir verſtehen darunter die beiden tiefſtehenden Klaſſen der Platt- wuͤrmer oder Platyelminthen und der Rundwuͤrmer oder Nematel- minthen. Die Klaſſe der Plattwuͤrmer (Platyelminthes) fuͤhrt ihren Namen von der blattfoͤrmigen Koͤrpergeſtalt, die vom Ruͤcken nach der Bauchſeite ſtark zuſammengedruͤckt iſt. Die wahrſcheinlichen Stammformen der ganzen Klaſſe ſind die Strudelwuͤrmer (Tur- bellaria), welche ſich ſowohl durch ihr Wimperkleid als durch ihre innere Organiſation unmittelbar an die bewimperten Urwuͤrmer oder Ciliaten anſchließen. Aus den frei im Waſſer lebenden Strudelwuͤrmern ſind durch Anpaſſung an paraſitiſche Lebensweiſe die ſchmarotzenden Saug- wuͤrmer (Trematoda) entſtanden, und aus dieſen durch weiter ge- henden Paraſitismus die Bandwuͤrmer (Cestoda). Andrerſeits ha- ben ſich vielleicht aus den Saugwuͤrmern die Egel (Hirudinea) ent- wickelt, zu denen unſer gewoͤhnlicher Blutegel gehoͤrt. Dieſen vielleicht

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/431>, abgerufen am 22.11.2024.