drei anderen Klassen der Echinodermen offenbar erst später entwickelt. Am wenigsten von ihnen entfernt haben sich die Seelilien(Crinoi- da), welche aber die freie Ortsbewegung der übrigen Sternthiere auf- gegeben, sich festgesetzt, und dann einen mehr oder minder langen Stiel entwickelt haben. Die ursprünglichen Wurmindividuen sind zwar bei den Crinoiden nicht mehr so selbstständig und ausgebildet erhalten, wie bei den Seesternen; aber dennoch bilden sie stets mehr oder minder gegliederte, von der gemeinsamen Mittelscheibe abgesetzte Arme. Wir können daher die Seelilien mit den Seesternen zusammen in der Haupt- klasse der Giederarmigen(Colobrachia) vereinigen.
Jn den beiden anderen Echinodermenklassen, bei den Seeigeln und Seewalzen, sind die gegliederten Arme nicht mehr als selbst- ständige Körpertheile erkennbar, vielmehr durch weitgehende Centrali- sation des Stockes vollkommen in der Bildung der gemeinsamen, auf- geblasenen Mittelscheibe aufgegangen, so daß diese jetzt als eine ein- fache armlose Büchse oder Kapsel erscheint. Der ursprüngliche Jn- dividuenstock ist scheinbar dadurch wieder zum Formwerth eines einfachen Jndividuums, einer einzelnen Person, herabgesunken. Wir können daher diese beiden Klassen als Armlose(Lipobrachia) den Gliederarmigen gegenübersetzen. Die erste Klasse derselben, die See- igel(Echinida) führen ihren Namen von den zahlreichen, oft sehr großen Stacheln, welche die feste, aus Kalkplatten sehr künstlich zu- sammengesetzte Schale bedecken. Die Schale selbst hat die Grundform einer fünfseitigen Pyramide. Wahrscheinlich haben sich die Seeigel unmittelbar aus einem Zweige der Seesterne, vielleicht im Zusam- menhang mit einem Zweige der Seelilien entwickelt. Die einzelnen Abtheilungen der Seeigel bestätigen in ihrer historischen Aufeinander- folge ebenso wie die Ordnungen der Seelilien und Seesterne, welche Jhnen die nebenstehende Tabelle aufführt, in ausgezeichneter Weise die Gesetze des Fortschritts und der Differenzirung. Jn jeder jünge- ren Periode der Erdgeschichte sehen wir die einzelnen Klassen an Man- nichfaltigkeit und Vollkommenheit zunehmen (Gen. Morph. II, Taf. IV).
Seelilien (Crinoiden). Seeigel (Echiniden).
drei anderen Klaſſen der Echinodermen offenbar erſt ſpaͤter entwickelt. Am wenigſten von ihnen entfernt haben ſich die Seelilien(Crinoi- da), welche aber die freie Ortsbewegung der uͤbrigen Sternthiere auf- gegeben, ſich feſtgeſetzt, und dann einen mehr oder minder langen Stiel entwickelt haben. Die urſpruͤnglichen Wurmindividuen ſind zwar bei den Crinoiden nicht mehr ſo ſelbſtſtaͤndig und ausgebildet erhalten, wie bei den Seeſternen; aber dennoch bilden ſie ſtets mehr oder minder gegliederte, von der gemeinſamen Mittelſcheibe abgeſetzte Arme. Wir koͤnnen daher die Seelilien mit den Seeſternen zuſammen in der Haupt- klaſſe der Giederarmigen(Colobrachia) vereinigen.
Jn den beiden anderen Echinodermenklaſſen, bei den Seeigeln und Seewalzen, ſind die gegliederten Arme nicht mehr als ſelbſt- ſtaͤndige Koͤrpertheile erkennbar, vielmehr durch weitgehende Centrali- ſation des Stockes vollkommen in der Bildung der gemeinſamen, auf- geblaſenen Mittelſcheibe aufgegangen, ſo daß dieſe jetzt als eine ein- fache armloſe Buͤchſe oder Kapſel erſcheint. Der urſpruͤngliche Jn- dividuenſtock iſt ſcheinbar dadurch wieder zum Formwerth eines einfachen Jndividuums, einer einzelnen Perſon, herabgeſunken. Wir koͤnnen daher dieſe beiden Klaſſen als Armloſe(Lipobrachia) den Gliederarmigen gegenuͤberſetzen. Die erſte Klaſſe derſelben, die See- igel(Echinida) fuͤhren ihren Namen von den zahlreichen, oft ſehr großen Stacheln, welche die feſte, aus Kalkplatten ſehr kuͤnſtlich zu- ſammengeſetzte Schale bedecken. Die Schale ſelbſt hat die Grundform einer fuͤnfſeitigen Pyramide. Wahrſcheinlich haben ſich die Seeigel unmittelbar aus einem Zweige der Seeſterne, vielleicht im Zuſam- menhang mit einem Zweige der Seelilien entwickelt. Die einzelnen Abtheilungen der Seeigel beſtaͤtigen in ihrer hiſtoriſchen Aufeinander- folge ebenſo wie die Ordnungen der Seelilien und Seeſterne, welche Jhnen die nebenſtehende Tabelle auffuͤhrt, in ausgezeichneter Weiſe die Geſetze des Fortſchritts und der Differenzirung. Jn jeder juͤnge- ren Periode der Erdgeſchichte ſehen wir die einzelnen Klaſſen an Man- nichfaltigkeit und Vollkommenheit zunehmen (Gen. Morph. II, Taf. IV).
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Seelilien (Crinoiden). Seeigel (Echiniden).
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Am wenigſten von ihnen entfernt haben ſich die Seelilien (Crinoi-
da), welche aber die freie Ortsbewegung der uͤbrigen Sternthiere auf-
gegeben, ſich feſtgeſetzt, und dann einen mehr oder minder langen Stiel
entwickelt haben. Die urſpruͤnglichen Wurmindividuen ſind zwar bei
den Crinoiden nicht mehr ſo ſelbſtſtaͤndig und ausgebildet erhalten, wie
bei den Seeſternen; aber dennoch bilden ſie ſtets mehr oder minder
gegliederte, von der gemeinſamen Mittelſcheibe abgeſetzte Arme. Wir
koͤnnen daher die Seelilien mit den Seeſternen zuſammen in der Haupt-
klaſſe der Giederarmigen (Colobrachia) vereinigen.
Jn den beiden anderen Echinodermenklaſſen, bei den Seeigeln
und Seewalzen, ſind die gegliederten Arme nicht mehr als ſelbſt-
ſtaͤndige Koͤrpertheile erkennbar, vielmehr durch weitgehende Centrali-
ſation des Stockes vollkommen in der Bildung der gemeinſamen, auf-
geblaſenen Mittelſcheibe aufgegangen, ſo daß dieſe jetzt als eine ein-
fache armloſe Buͤchſe oder Kapſel erſcheint. Der urſpruͤngliche Jn-
dividuenſtock iſt ſcheinbar dadurch wieder zum Formwerth eines
einfachen Jndividuums, einer einzelnen Perſon, herabgeſunken. Wir
koͤnnen daher dieſe beiden Klaſſen als Armloſe (Lipobrachia) den
Gliederarmigen gegenuͤberſetzen. Die erſte Klaſſe derſelben, die See-
igel (Echinida) fuͤhren ihren Namen von den zahlreichen, oft ſehr
großen Stacheln, welche die feſte, aus Kalkplatten ſehr kuͤnſtlich zu-
ſammengeſetzte Schale bedecken. Die Schale ſelbſt hat die Grundform
einer fuͤnfſeitigen Pyramide. Wahrſcheinlich haben ſich die Seeigel
unmittelbar aus einem Zweige der Seeſterne, vielleicht im Zuſam-
menhang mit einem Zweige der Seelilien entwickelt. Die einzelnen
Abtheilungen der Seeigel beſtaͤtigen in ihrer hiſtoriſchen Aufeinander-
folge ebenſo wie die Ordnungen der Seelilien und Seeſterne, welche
Jhnen die nebenſtehende Tabelle auffuͤhrt, in ausgezeichneter Weiſe die
Geſetze des Fortſchritts und der Differenzirung. Jn jeder juͤnge-
ren Periode der Erdgeſchichte ſehen wir die einzelnen Klaſſen an Man-
nichfaltigkeit und Vollkommenheit zunehmen (Gen. Morph. II, Taf. IV).
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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/446>, abgerufen am 22.11.2024.
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