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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.

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Schmelzfische (Ganoiden). Knochenfische (Teleostier).
der Stör und Störlett, deren Eier wir als Caviar verzehren, u. s. w.
Aus den gepanzerten Schmelzfischen haben sich wahrscheinlich als zwei
divergente Zweige die eckschuppigen und die rundschuppigen entwickelt.
Die eckschuppigen Schmelzfische (Rhombiferi), welche man
durch ihre viereckigen oder rhombischen Schuppen auf den ersten Blick
von allen anderen Fischen unterscheiden kann, sind heutzutage nur noch
durch wenige Ueberbleibsel vertreten, nämlich durch den Flösselhecht (Po-
lypterus)
in afrikanischen Flüssen (vorzüglich im Nil), und durch den
Knochenhecht (Lepidosteus) in amerikanischen Flüssen. Aber während
der paläolithischen und der ersten Hälfte der mesolithischen Zeit bildete
diese Legion die Hauptmasse der Fische. Weniger formenreich war
die dritte Legion, die rundschuppigen Schmelzfische (Cycliferi),
welche vorzugsweise während der Devonzeit und Steinkohlenzeit leb-
ten. Jedoch war diese Legion, von der heute nur noch der Kahlhecht
(Amia) in nordamerikanischen Flüssen übrig ist, insofern viel wichtiger,
als sich aus ihnen die dritte Unterklasse der Fische, die Knochenfische,
entwickelten.

Die Knochenfische (Teleostei) bilden in der Gegenwart die
Hauptmasse der Fischklasse. Es gehören dahin die allermeisten See-
fische, und alle unsere Süßwasserfische, mit Ausnahme der eben er-
wähnten Schmelzfische. Wie zahlreiche Versteinerungen deutlich be-
weisen, ist diese Klasse erst um die Mitte des mesolithischen Zeitalters
aus den Schmelzfischen, und zwar aus den rundschuppigen oder Cycli-
feren entstanden. Die Thrissopiden der Jurazeit (Thrissops, Lep-
tolepis, Tharsis),
welche unseren heutigen Häringen am nächsten
stehen, sind wahrscheinlich die ältesten von allen Knochenfischen, und
unmittelbar aus den rundschuppigen Schmelzfischen, welche der heuti-
gen Amia nahe standen, hervorgegangen. Bei den älteren Knochen-
fischen, den Physostomen war, ebenso wie bei den Ganoiden,
die Schwimmblase noch zeitlebens durch einen bleibenden Luftgang
(eine Art Luftröhre) mit dem Schlunde in Verbindung. Das ist auch
heute noch bei den zu dieser Gruppe gehörigen Häringen, Lachsen,
Karpfen, Welsen, Aalen u. s. w. der Fall. Während der Kreidezeit

Schmelzfiſche (Ganoiden). Knochenfiſche (Teleoſtier).
der Stoͤr und Stoͤrlett, deren Eier wir als Caviar verzehren, u. ſ. w.
Aus den gepanzerten Schmelzfiſchen haben ſich wahrſcheinlich als zwei
divergente Zweige die eckſchuppigen und die rundſchuppigen entwickelt.
Die eckſchuppigen Schmelzfiſche (Rhombiferi), welche man
durch ihre viereckigen oder rhombiſchen Schuppen auf den erſten Blick
von allen anderen Fiſchen unterſcheiden kann, ſind heutzutage nur noch
durch wenige Ueberbleibſel vertreten, naͤmlich durch den Floͤſſelhecht (Po-
lypterus)
in afrikaniſchen Fluͤſſen (vorzuͤglich im Nil), und durch den
Knochenhecht (Lepidosteus) in amerikaniſchen Fluͤſſen. Aber waͤhrend
der palaͤolithiſchen und der erſten Haͤlfte der meſolithiſchen Zeit bildete
dieſe Legion die Hauptmaſſe der Fiſche. Weniger formenreich war
die dritte Legion, die rundſchuppigen Schmelzfiſche (Cycliferi),
welche vorzugsweiſe waͤhrend der Devonzeit und Steinkohlenzeit leb-
ten. Jedoch war dieſe Legion, von der heute nur noch der Kahlhecht
(Amia) in nordamerikaniſchen Fluͤſſen uͤbrig iſt, inſofern viel wichtiger,
als ſich aus ihnen die dritte Unterklaſſe der Fiſche, die Knochenfiſche,
entwickelten.

Die Knochenfiſche (Teleostei) bilden in der Gegenwart die
Hauptmaſſe der Fiſchklaſſe. Es gehoͤren dahin die allermeiſten See-
fiſche, und alle unſere Suͤßwaſſerfiſche, mit Ausnahme der eben er-
waͤhnten Schmelzfiſche. Wie zahlreiche Verſteinerungen deutlich be-
weiſen, iſt dieſe Klaſſe erſt um die Mitte des meſolithiſchen Zeitalters
aus den Schmelzfiſchen, und zwar aus den rundſchuppigen oder Cycli-
feren entſtanden. Die Thriſſopiden der Jurazeit (Thrissops, Lep-
tolepis, Tharsis),
welche unſeren heutigen Haͤringen am naͤchſten
ſtehen, ſind wahrſcheinlich die aͤlteſten von allen Knochenfiſchen, und
unmittelbar aus den rundſchuppigen Schmelzfiſchen, welche der heuti-
gen Amia nahe ſtanden, hervorgegangen. Bei den aͤlteren Knochen-
fiſchen, den Phyſoſtomen war, ebenſo wie bei den Ganoiden,
die Schwimmblaſe noch zeitlebens durch einen bleibenden Luftgang
(eine Art Luftroͤhre) mit dem Schlunde in Verbindung. Das iſt auch
heute noch bei den zu dieſer Gruppe gehoͤrigen Haͤringen, Lachſen,
Karpfen, Welſen, Aalen u. ſ. w. der Fall. Waͤhrend der Kreidezeit

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[446/0471] Schmelzfiſche (Ganoiden). Knochenfiſche (Teleoſtier). der Stoͤr und Stoͤrlett, deren Eier wir als Caviar verzehren, u. ſ. w. Aus den gepanzerten Schmelzfiſchen haben ſich wahrſcheinlich als zwei divergente Zweige die eckſchuppigen und die rundſchuppigen entwickelt. Die eckſchuppigen Schmelzfiſche (Rhombiferi), welche man durch ihre viereckigen oder rhombiſchen Schuppen auf den erſten Blick von allen anderen Fiſchen unterſcheiden kann, ſind heutzutage nur noch durch wenige Ueberbleibſel vertreten, naͤmlich durch den Floͤſſelhecht (Po- lypterus) in afrikaniſchen Fluͤſſen (vorzuͤglich im Nil), und durch den Knochenhecht (Lepidosteus) in amerikaniſchen Fluͤſſen. Aber waͤhrend der palaͤolithiſchen und der erſten Haͤlfte der meſolithiſchen Zeit bildete dieſe Legion die Hauptmaſſe der Fiſche. Weniger formenreich war die dritte Legion, die rundſchuppigen Schmelzfiſche (Cycliferi), welche vorzugsweiſe waͤhrend der Devonzeit und Steinkohlenzeit leb- ten. Jedoch war dieſe Legion, von der heute nur noch der Kahlhecht (Amia) in nordamerikaniſchen Fluͤſſen uͤbrig iſt, inſofern viel wichtiger, als ſich aus ihnen die dritte Unterklaſſe der Fiſche, die Knochenfiſche, entwickelten. Die Knochenfiſche (Teleostei) bilden in der Gegenwart die Hauptmaſſe der Fiſchklaſſe. Es gehoͤren dahin die allermeiſten See- fiſche, und alle unſere Suͤßwaſſerfiſche, mit Ausnahme der eben er- waͤhnten Schmelzfiſche. Wie zahlreiche Verſteinerungen deutlich be- weiſen, iſt dieſe Klaſſe erſt um die Mitte des meſolithiſchen Zeitalters aus den Schmelzfiſchen, und zwar aus den rundſchuppigen oder Cycli- feren entſtanden. Die Thriſſopiden der Jurazeit (Thrissops, Lep- tolepis, Tharsis), welche unſeren heutigen Haͤringen am naͤchſten ſtehen, ſind wahrſcheinlich die aͤlteſten von allen Knochenfiſchen, und unmittelbar aus den rundſchuppigen Schmelzfiſchen, welche der heuti- gen Amia nahe ſtanden, hervorgegangen. Bei den aͤlteren Knochen- fiſchen, den Phyſoſtomen war, ebenſo wie bei den Ganoiden, die Schwimmblaſe noch zeitlebens durch einen bleibenden Luftgang (eine Art Luftroͤhre) mit dem Schlunde in Verbindung. Das iſt auch heute noch bei den zu dieſer Gruppe gehoͤrigen Haͤringen, Lachſen, Karpfen, Welſen, Aalen u. ſ. w. der Fall. Waͤhrend der Kreidezeit

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 446. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/471>, abgerufen am 24.11.2024.