Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.

Bild:
<< vorherige Seite

Stellung des Menschen im System der Affen.
ebenso gegenüberstellen können, wie an der Hand. Sie können also
ihren "Greiffuß" ebenso gut als eine sogenannte "Hinterhand" be-
nutzen, wie die Affen. Auf der anderen Seite differenziren sich bei
den höheren Affen, namentlich beim Gorilla, Hand und Fuß schon
ähnlich wie beim Menschen. Vielmehr ist der wesentliche Unterschied
von Hand und Fuß ein morphologischer, und durch den charak-
teristischen Bau des knöchernen Skelets und der sich daran ansetzenden
Muskeln bedingt. Die Fußwurzelknochen sind wesentlich anders an-
geordnet, als die Handwurzelknochen, und der Fuß besitzt drei beson-
dere Muskeln, welche der Hand fehlen (ein kurzer Beugemuskel, ein
kurzer Streckmuskel und ein langer Wadenbeinmuskel). Jn allen die-
sen Beziehungen verhalten sich die Affen und Halbaffen genau so wie
der Mensch, und es war daher vollkommen unrichtig, wenn man den
Menschen von den ersteren als eine besondere Ordnung auf Grund
seiner stärkeren Differenzirung von Hand und Fuß trennen wollte.
Ebenso verhält es sich aber auch mit allen übrigen körperlichen Merk-
malen, durch welche man etwa versuchen wollte, den Menschen von
den Affen zu trennen, mit der relativen Länge der Gliedmaßen, dem
Bau des Schädels, des Gehirns u. s. w. Jn allen diesen Beziehun-
gen ohne Ausnahme sind die Unterschiede zwischen dem Menschen und
den höheren Affen geringer, als die entsprechenden Unterschiede zwi-
schen den höheren und den niederen Affen. So kommt denn Huxley
auf Grund der sorgfältigsten und genauesten Vergleichungen zu folgen-
dem, äußerst wichtigem Schlusse: "Wir mögen daher ein System von
Organen vornehmen, welches wir wollen, die Vergleichung ihrer Mo-
dificationen in der Affenreihe führt uns zu einem und demselben Resul-
tate: daß die anotomischen Verschiedenheiten, welche
den Menschen vom Gorilla und Schimpanse scheiden,
nicht so groß sind, als die, welche den Gorilla von den
niedrigeren Affen trennen
". Demgemäß vereinigt Huxley,
streng der systematischen Logik folgend, Menschen, Affen und Halb-
affen in einer einzigen Ordnung, Primates, und theilt diese in fol-
gende sieben Familien von ungefähr gleichem systematischem Werthe:

Stellung des Menſchen im Syſtem der Affen.
ebenſo gegenuͤberſtellen koͤnnen, wie an der Hand. Sie koͤnnen alſo
ihren „Greiffuß“ ebenſo gut als eine ſogenannte „Hinterhand“ be-
nutzen, wie die Affen. Auf der anderen Seite differenziren ſich bei
den hoͤheren Affen, namentlich beim Gorilla, Hand und Fuß ſchon
aͤhnlich wie beim Menſchen. Vielmehr iſt der weſentliche Unterſchied
von Hand und Fuß ein morphologiſcher, und durch den charak-
teriſtiſchen Bau des knoͤchernen Skelets und der ſich daran anſetzenden
Muskeln bedingt. Die Fußwurzelknochen ſind weſentlich anders an-
geordnet, als die Handwurzelknochen, und der Fuß beſitzt drei beſon-
dere Muskeln, welche der Hand fehlen (ein kurzer Beugemuskel, ein
kurzer Streckmuskel und ein langer Wadenbeinmuskel). Jn allen die-
ſen Beziehungen verhalten ſich die Affen und Halbaffen genau ſo wie
der Menſch, und es war daher vollkommen unrichtig, wenn man den
Menſchen von den erſteren als eine beſondere Ordnung auf Grund
ſeiner ſtaͤrkeren Differenzirung von Hand und Fuß trennen wollte.
Ebenſo verhaͤlt es ſich aber auch mit allen uͤbrigen koͤrperlichen Merk-
malen, durch welche man etwa verſuchen wollte, den Menſchen von
den Affen zu trennen, mit der relativen Laͤnge der Gliedmaßen, dem
Bau des Schaͤdels, des Gehirns u. ſ. w. Jn allen dieſen Beziehun-
gen ohne Ausnahme ſind die Unterſchiede zwiſchen dem Menſchen und
den hoͤheren Affen geringer, als die entſprechenden Unterſchiede zwi-
ſchen den hoͤheren und den niederen Affen. So kommt denn Huxley
auf Grund der ſorgfaͤltigſten und genaueſten Vergleichungen zu folgen-
dem, aͤußerſt wichtigem Schluſſe: „Wir moͤgen daher ein Syſtem von
Organen vornehmen, welches wir wollen, die Vergleichung ihrer Mo-
dificationen in der Affenreihe fuͤhrt uns zu einem und demſelben Reſul-
tate: daß die anotomiſchen Verſchiedenheiten, welche
den Menſchen vom Gorilla und Schimpanſe ſcheiden,
nicht ſo groß ſind, als die, welche den Gorilla von den
niedrigeren Affen trennen
“. Demgemaͤß vereinigt Huxley,
ſtreng der ſyſtematiſchen Logik folgend, Menſchen, Affen und Halb-
affen in einer einzigen Ordnung, Primates, und theilt dieſe in fol-
gende ſieben Familien von ungefaͤhr gleichem ſyſtematiſchem Werthe:

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0516" n="491"/><fw place="top" type="header">Stellung des Men&#x017F;chen im Sy&#x017F;tem der Affen.</fw><lb/>
eben&#x017F;o gegenu&#x0364;ber&#x017F;tellen ko&#x0364;nnen, wie an der Hand. Sie ko&#x0364;nnen al&#x017F;o<lb/>
ihren &#x201E;Greiffuß&#x201C; eben&#x017F;o gut als eine &#x017F;ogenannte &#x201E;Hinterhand&#x201C; be-<lb/>
nutzen, wie die Affen. Auf der anderen Seite differenziren &#x017F;ich bei<lb/>
den ho&#x0364;heren Affen, namentlich beim Gorilla, Hand und Fuß &#x017F;chon<lb/>
a&#x0364;hnlich wie beim Men&#x017F;chen. Vielmehr i&#x017F;t der we&#x017F;entliche Unter&#x017F;chied<lb/>
von Hand und Fuß ein <hi rendition="#g">morphologi&#x017F;cher,</hi> und durch den charak-<lb/>
teri&#x017F;ti&#x017F;chen Bau des kno&#x0364;chernen Skelets und der &#x017F;ich daran an&#x017F;etzenden<lb/>
Muskeln bedingt. Die Fußwurzelknochen &#x017F;ind we&#x017F;entlich anders an-<lb/>
geordnet, als die Handwurzelknochen, und der Fuß be&#x017F;itzt drei be&#x017F;on-<lb/>
dere Muskeln, welche der Hand fehlen (ein kurzer Beugemuskel, ein<lb/>
kurzer Streckmuskel und ein langer Wadenbeinmuskel). Jn allen die-<lb/>
&#x017F;en Beziehungen verhalten &#x017F;ich die Affen und Halbaffen genau &#x017F;o wie<lb/>
der Men&#x017F;ch, und es war daher vollkommen unrichtig, wenn man den<lb/>
Men&#x017F;chen von den er&#x017F;teren als eine be&#x017F;ondere Ordnung auf Grund<lb/>
&#x017F;einer &#x017F;ta&#x0364;rkeren Differenzirung von Hand und Fuß trennen wollte.<lb/>
Eben&#x017F;o verha&#x0364;lt es &#x017F;ich aber auch mit allen u&#x0364;brigen ko&#x0364;rperlichen Merk-<lb/>
malen, durch welche man etwa ver&#x017F;uchen wollte, den Men&#x017F;chen von<lb/>
den Affen zu trennen, mit der relativen La&#x0364;nge der Gliedmaßen, dem<lb/>
Bau des Scha&#x0364;dels, des Gehirns u. &#x017F;. w. Jn allen die&#x017F;en Beziehun-<lb/>
gen ohne Ausnahme &#x017F;ind die Unter&#x017F;chiede zwi&#x017F;chen dem Men&#x017F;chen und<lb/>
den ho&#x0364;heren Affen geringer, als die ent&#x017F;prechenden Unter&#x017F;chiede zwi-<lb/>
&#x017F;chen den ho&#x0364;heren und den niederen Affen. So kommt denn <hi rendition="#g">Huxley</hi><lb/>
auf Grund der &#x017F;orgfa&#x0364;ltig&#x017F;ten und genaue&#x017F;ten Vergleichungen zu folgen-<lb/>
dem, a&#x0364;ußer&#x017F;t wichtigem Schlu&#x017F;&#x017F;e: &#x201E;Wir mo&#x0364;gen daher ein Sy&#x017F;tem von<lb/>
Organen vornehmen, welches wir wollen, die Vergleichung ihrer Mo-<lb/>
dificationen in der Affenreihe fu&#x0364;hrt uns zu einem und dem&#x017F;elben Re&#x017F;ul-<lb/>
tate: <hi rendition="#g">daß die anotomi&#x017F;chen Ver&#x017F;chiedenheiten, welche<lb/>
den Men&#x017F;chen vom Gorilla und Schimpan&#x017F;e &#x017F;cheiden,<lb/>
nicht &#x017F;o groß &#x017F;ind, als die, welche den Gorilla von den<lb/>
niedrigeren Affen trennen</hi>&#x201C;. Demgema&#x0364;ß vereinigt <hi rendition="#g">Huxley,</hi><lb/>
&#x017F;treng der &#x017F;y&#x017F;temati&#x017F;chen Logik folgend, Men&#x017F;chen, Affen und Halb-<lb/>
affen in einer einzigen Ordnung, <hi rendition="#aq">Primates,</hi> und theilt die&#x017F;e in fol-<lb/>
gende &#x017F;ieben Familien von ungefa&#x0364;hr gleichem &#x017F;y&#x017F;temati&#x017F;chem Werthe:</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[491/0516] Stellung des Menſchen im Syſtem der Affen. ebenſo gegenuͤberſtellen koͤnnen, wie an der Hand. Sie koͤnnen alſo ihren „Greiffuß“ ebenſo gut als eine ſogenannte „Hinterhand“ be- nutzen, wie die Affen. Auf der anderen Seite differenziren ſich bei den hoͤheren Affen, namentlich beim Gorilla, Hand und Fuß ſchon aͤhnlich wie beim Menſchen. Vielmehr iſt der weſentliche Unterſchied von Hand und Fuß ein morphologiſcher, und durch den charak- teriſtiſchen Bau des knoͤchernen Skelets und der ſich daran anſetzenden Muskeln bedingt. Die Fußwurzelknochen ſind weſentlich anders an- geordnet, als die Handwurzelknochen, und der Fuß beſitzt drei beſon- dere Muskeln, welche der Hand fehlen (ein kurzer Beugemuskel, ein kurzer Streckmuskel und ein langer Wadenbeinmuskel). Jn allen die- ſen Beziehungen verhalten ſich die Affen und Halbaffen genau ſo wie der Menſch, und es war daher vollkommen unrichtig, wenn man den Menſchen von den erſteren als eine beſondere Ordnung auf Grund ſeiner ſtaͤrkeren Differenzirung von Hand und Fuß trennen wollte. Ebenſo verhaͤlt es ſich aber auch mit allen uͤbrigen koͤrperlichen Merk- malen, durch welche man etwa verſuchen wollte, den Menſchen von den Affen zu trennen, mit der relativen Laͤnge der Gliedmaßen, dem Bau des Schaͤdels, des Gehirns u. ſ. w. Jn allen dieſen Beziehun- gen ohne Ausnahme ſind die Unterſchiede zwiſchen dem Menſchen und den hoͤheren Affen geringer, als die entſprechenden Unterſchiede zwi- ſchen den hoͤheren und den niederen Affen. So kommt denn Huxley auf Grund der ſorgfaͤltigſten und genaueſten Vergleichungen zu folgen- dem, aͤußerſt wichtigem Schluſſe: „Wir moͤgen daher ein Syſtem von Organen vornehmen, welches wir wollen, die Vergleichung ihrer Mo- dificationen in der Affenreihe fuͤhrt uns zu einem und demſelben Reſul- tate: daß die anotomiſchen Verſchiedenheiten, welche den Menſchen vom Gorilla und Schimpanſe ſcheiden, nicht ſo groß ſind, als die, welche den Gorilla von den niedrigeren Affen trennen“. Demgemaͤß vereinigt Huxley, ſtreng der ſyſtematiſchen Logik folgend, Menſchen, Affen und Halb- affen in einer einzigen Ordnung, Primates, und theilt dieſe in fol- gende ſieben Familien von ungefaͤhr gleichem ſyſtematiſchem Werthe:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/516
Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/516>, abgerufen am 22.11.2024.