Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.

Bild:
<< vorherige Seite

Polarmenschen. Mongolen oder Turaner.
ser buntgemischten Menschenart noch Reste von den ursprünglichen
Zwischenformen versteckt, welche den Uebergang von den Australnegern
zu den höher entwickelten schlichthaarigen Menschenarten bildeten. Jn
ähnlicher Weise wie sich die Nagethiere, Jnsectenfresser, Flederthiere
und Affen als vier divergente Zweige aus der gemeinsamen Stamm-
gruppe der Halbaffen entwickelt haben, sind vielleicht die vier Menschen-
arten der Mongolen, Polarmenschen, Amerikaner und Kaukasier aus
der gemeinsamen malayischen Stammart entstanden.

Als ein weit nach Norden verschlagener Stamm, der direct oder
indirect von einem Zweige der Polynesier abstammt, ist wahrscheinlich
der Polarmensch (Homo arcticus) anzusehen. Wir verstehen dar-
unter die nordamerikanischen Eskimos, und die ihnen nächstverwand-
ten, langköpfigen, gelblich braunen Bewohner der nordischen Polar-
länder in beiden Hemisphären, der östlichen und westlichen, insbeson-
dere die Tungusen und Samojeden des nördlichen Asiens. Durch An-
passung an das Polarklima ist diese Menschenform so eigenthümlich um-
gebildet, daß man sie wohl als Vertreter einer besonderen Species be-
trachten kann. Gewöhnlich werden die Polarmenschen entweder mit
der mongolischen oder mit der amerikanischen Art vereinigt. Allein
sie entfernen sich von beiden durch ihren entschiedenen Langkopf, durch
welchen sie sich vielmehr an die langköpfigen Zweige der Polynesier an-
schließen.

Eine achte Species bildet der mongolische oder mittelasia-
tische Mensch,
auch gelber Mensch oder Turaner genannt (Homo
mongolicus
oder turanus). Den Hauptstamm dieser Art bilden die
Bewohner des nördlichen und mittleren Asiens, mit Ausnahme der
Polarmenschen im Norden und der Kaukasier im Westen. Auch ein
großer Theil der Südasiaten gehört hierher, und von den Europäern
die Lappen, Finnen und Ungarn. Als zwei Hauptzweige der um-
fangreichen mongolischen Völkergruppe kann man einen südöstlichen
Zweig (Chinesen und Japanesen) und einen nordwestlichen Zweig (Ta-
taren Türken, Finnen, Magyaren etc.) unterscheiden. Die Hautfarbe
dieser Art ist, durch den gelben Grundton ausgezeichnet, bald heller

Polarmenſchen. Mongolen oder Turaner.
ſer buntgemiſchten Menſchenart noch Reſte von den urſpruͤnglichen
Zwiſchenformen verſteckt, welche den Uebergang von den Auſtralnegern
zu den hoͤher entwickelten ſchlichthaarigen Menſchenarten bildeten. Jn
aͤhnlicher Weiſe wie ſich die Nagethiere, Jnſectenfreſſer, Flederthiere
und Affen als vier divergente Zweige aus der gemeinſamen Stamm-
gruppe der Halbaffen entwickelt haben, ſind vielleicht die vier Menſchen-
arten der Mongolen, Polarmenſchen, Amerikaner und Kaukaſier aus
der gemeinſamen malayiſchen Stammart entſtanden.

Als ein weit nach Norden verſchlagener Stamm, der direct oder
indirect von einem Zweige der Polyneſier abſtammt, iſt wahrſcheinlich
der Polarmenſch (Homo arcticus) anzuſehen. Wir verſtehen dar-
unter die nordamerikaniſchen Eskimos, und die ihnen naͤchſtverwand-
ten, langkoͤpfigen, gelblich braunen Bewohner der nordiſchen Polar-
laͤnder in beiden Hemiſphaͤren, der oͤſtlichen und weſtlichen, insbeſon-
dere die Tunguſen und Samojeden des noͤrdlichen Aſiens. Durch An-
paſſung an das Polarklima iſt dieſe Menſchenform ſo eigenthuͤmlich um-
gebildet, daß man ſie wohl als Vertreter einer beſonderen Species be-
trachten kann. Gewoͤhnlich werden die Polarmenſchen entweder mit
der mongoliſchen oder mit der amerikaniſchen Art vereinigt. Allein
ſie entfernen ſich von beiden durch ihren entſchiedenen Langkopf, durch
welchen ſie ſich vielmehr an die langkoͤpfigen Zweige der Polyneſier an-
ſchließen.

Eine achte Species bildet der mongoliſche oder mittelaſia-
tiſche Menſch,
auch gelber Menſch oder Turaner genannt (Homo
mongolicus
oder turanus). Den Hauptſtamm dieſer Art bilden die
Bewohner des noͤrdlichen und mittleren Aſiens, mit Ausnahme der
Polarmenſchen im Norden und der Kaukaſier im Weſten. Auch ein
großer Theil der Suͤdaſiaten gehoͤrt hierher, und von den Europaͤern
die Lappen, Finnen und Ungarn. Als zwei Hauptzweige der um-
fangreichen mongoliſchen Voͤlkergruppe kann man einen ſuͤdoͤſtlichen
Zweig (Chineſen und Japaneſen) und einen nordweſtlichen Zweig (Ta-
taren Tuͤrken, Finnen, Magyaren ꝛc.) unterſcheiden. Die Hautfarbe
dieſer Art iſt, durch den gelben Grundton ausgezeichnet, bald heller

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0543" n="518"/><fw place="top" type="header">Polarmen&#x017F;chen. Mongolen oder Turaner.</fw><lb/>
&#x017F;er buntgemi&#x017F;chten Men&#x017F;chenart noch Re&#x017F;te von den ur&#x017F;pru&#x0364;nglichen<lb/>
Zwi&#x017F;chenformen ver&#x017F;teckt, welche den Uebergang von den Au&#x017F;tralnegern<lb/>
zu den ho&#x0364;her entwickelten &#x017F;chlichthaarigen Men&#x017F;chenarten bildeten. Jn<lb/>
a&#x0364;hnlicher Wei&#x017F;e wie &#x017F;ich die Nagethiere, Jn&#x017F;ectenfre&#x017F;&#x017F;er, Flederthiere<lb/>
und Affen als vier divergente Zweige aus der gemein&#x017F;amen Stamm-<lb/>
gruppe der Halbaffen entwickelt haben, &#x017F;ind vielleicht die vier Men&#x017F;chen-<lb/>
arten der Mongolen, Polarmen&#x017F;chen, Amerikaner und Kauka&#x017F;ier aus<lb/>
der gemein&#x017F;amen malayi&#x017F;chen Stammart ent&#x017F;tanden.</p><lb/>
              <p>Als ein weit nach Norden ver&#x017F;chlagener Stamm, der direct oder<lb/>
indirect von einem Zweige der Polyne&#x017F;ier ab&#x017F;tammt, i&#x017F;t wahr&#x017F;cheinlich<lb/>
der <hi rendition="#g">Polarmen&#x017F;ch</hi> <hi rendition="#aq">(Homo arcticus)</hi> anzu&#x017F;ehen. Wir ver&#x017F;tehen dar-<lb/>
unter die nordamerikani&#x017F;chen Eskimos, und die ihnen na&#x0364;ch&#x017F;tverwand-<lb/>
ten, langko&#x0364;pfigen, gelblich braunen Bewohner der nordi&#x017F;chen Polar-<lb/>
la&#x0364;nder in beiden Hemi&#x017F;pha&#x0364;ren, der o&#x0364;&#x017F;tlichen und we&#x017F;tlichen, insbe&#x017F;on-<lb/>
dere die Tungu&#x017F;en und Samojeden des no&#x0364;rdlichen A&#x017F;iens. Durch An-<lb/>
pa&#x017F;&#x017F;ung an das Polarklima i&#x017F;t die&#x017F;e Men&#x017F;chenform &#x017F;o eigenthu&#x0364;mlich um-<lb/>
gebildet, daß man &#x017F;ie wohl als Vertreter einer be&#x017F;onderen Species be-<lb/>
trachten kann. Gewo&#x0364;hnlich werden die Polarmen&#x017F;chen entweder mit<lb/>
der mongoli&#x017F;chen oder mit der amerikani&#x017F;chen Art vereinigt. Allein<lb/>
&#x017F;ie entfernen &#x017F;ich von beiden durch ihren ent&#x017F;chiedenen Langkopf, durch<lb/>
welchen &#x017F;ie &#x017F;ich vielmehr an die langko&#x0364;pfigen Zweige der Polyne&#x017F;ier an-<lb/>
&#x017F;chließen.</p><lb/>
              <p>Eine achte Species bildet der <hi rendition="#g">mongoli&#x017F;che oder mittela&#x017F;ia-<lb/>
ti&#x017F;che Men&#x017F;ch,</hi> auch gelber Men&#x017F;ch oder <hi rendition="#g">Turaner</hi> genannt (<hi rendition="#aq">Homo<lb/>
mongolicus</hi> oder <hi rendition="#aq">turanus</hi>). Den Haupt&#x017F;tamm die&#x017F;er Art bilden die<lb/>
Bewohner des no&#x0364;rdlichen und mittleren A&#x017F;iens, mit Ausnahme der<lb/>
Polarmen&#x017F;chen im Norden und der Kauka&#x017F;ier im We&#x017F;ten. Auch ein<lb/>
großer Theil der Su&#x0364;da&#x017F;iaten geho&#x0364;rt hierher, und von den Europa&#x0364;ern<lb/>
die Lappen, Finnen und Ungarn. Als zwei Hauptzweige der um-<lb/>
fangreichen mongoli&#x017F;chen Vo&#x0364;lkergruppe kann man einen &#x017F;u&#x0364;do&#x0364;&#x017F;tlichen<lb/>
Zweig (Chine&#x017F;en und Japane&#x017F;en) und einen nordwe&#x017F;tlichen Zweig (Ta-<lb/>
taren Tu&#x0364;rken, Finnen, Magyaren &#xA75B;c.) unter&#x017F;cheiden. Die Hautfarbe<lb/>
die&#x017F;er Art i&#x017F;t, durch den gelben Grundton ausgezeichnet, bald heller<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[518/0543] Polarmenſchen. Mongolen oder Turaner. ſer buntgemiſchten Menſchenart noch Reſte von den urſpruͤnglichen Zwiſchenformen verſteckt, welche den Uebergang von den Auſtralnegern zu den hoͤher entwickelten ſchlichthaarigen Menſchenarten bildeten. Jn aͤhnlicher Weiſe wie ſich die Nagethiere, Jnſectenfreſſer, Flederthiere und Affen als vier divergente Zweige aus der gemeinſamen Stamm- gruppe der Halbaffen entwickelt haben, ſind vielleicht die vier Menſchen- arten der Mongolen, Polarmenſchen, Amerikaner und Kaukaſier aus der gemeinſamen malayiſchen Stammart entſtanden. Als ein weit nach Norden verſchlagener Stamm, der direct oder indirect von einem Zweige der Polyneſier abſtammt, iſt wahrſcheinlich der Polarmenſch (Homo arcticus) anzuſehen. Wir verſtehen dar- unter die nordamerikaniſchen Eskimos, und die ihnen naͤchſtverwand- ten, langkoͤpfigen, gelblich braunen Bewohner der nordiſchen Polar- laͤnder in beiden Hemiſphaͤren, der oͤſtlichen und weſtlichen, insbeſon- dere die Tunguſen und Samojeden des noͤrdlichen Aſiens. Durch An- paſſung an das Polarklima iſt dieſe Menſchenform ſo eigenthuͤmlich um- gebildet, daß man ſie wohl als Vertreter einer beſonderen Species be- trachten kann. Gewoͤhnlich werden die Polarmenſchen entweder mit der mongoliſchen oder mit der amerikaniſchen Art vereinigt. Allein ſie entfernen ſich von beiden durch ihren entſchiedenen Langkopf, durch welchen ſie ſich vielmehr an die langkoͤpfigen Zweige der Polyneſier an- ſchließen. Eine achte Species bildet der mongoliſche oder mittelaſia- tiſche Menſch, auch gelber Menſch oder Turaner genannt (Homo mongolicus oder turanus). Den Hauptſtamm dieſer Art bilden die Bewohner des noͤrdlichen und mittleren Aſiens, mit Ausnahme der Polarmenſchen im Norden und der Kaukaſier im Weſten. Auch ein großer Theil der Suͤdaſiaten gehoͤrt hierher, und von den Europaͤern die Lappen, Finnen und Ungarn. Als zwei Hauptzweige der um- fangreichen mongoliſchen Voͤlkergruppe kann man einen ſuͤdoͤſtlichen Zweig (Chineſen und Japaneſen) und einen nordweſtlichen Zweig (Ta- taren Tuͤrken, Finnen, Magyaren ꝛc.) unterſcheiden. Die Hautfarbe dieſer Art iſt, durch den gelben Grundton ausgezeichnet, bald heller

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/543
Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 518. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/543>, abgerufen am 22.11.2024.