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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.

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Seelenleben der niedersten Völker.
männer, Andamanen u. s. w. mit diesen höchstentwickelten Thieren,
z. B. Affen, Hunden und Elephanten einerseits, mit den höchstent-
wickelten Menschen, einem Newton, Kant, Goethe andrerseits
zusammenstellen, so wird Jhnen die Behauptung nicht mehr übertrie-
ben erscheinen, daß das Seelenleben der höheren Säugethiere sich stu-
fenweise zu demjenigen des Menschen entwickelt hat. Wenn Sie hier
eine scharfe Grenze ziehen wollten, so müßten Sie geradezu dieselbe
zwischen den höchstentwickelten Kulturmenschen einerseits und den rohe-
sten Naturmenschen andrerseits ziehen, und letztere mit den Thieren
vereinigen. Das ist in der That der Standpunkt, welchen viele neuere
Reisende angenommen haben, die jene niedersten Menschenrassen in
ihrem Vaterlande andauernd beobachtet haben. So sagt z. B. ein viel-
gereister Engländer, welcher längere Zeit an der afrikanischen Westküste
lebte: "den Neger halte ich für eine niedere Menschenart (Species) und
kann mich nicht entschließen, als "Mensch und Bruder" auf ihn herab-
zuschauen, man müßte denn auch den Gorilla in die Familie auf-
nehmen". Selbst viele christliche Missionäre, welche nach jahrelanger
vergeblicher Arbeit von ihren fruchtlosen Civilisationsbestrebungen bei
den niedersten Völkern abstanden, fällen dasselbe harte Urtheil, und
behaupten, daß man eher die bildungsfähigen Hausthiere, als diese
unvernünftigen viehischen Menschen zu einem gesitteten Kulturleben
erziehen könne. Der tüchtige österreichische Missionär Morlang
z. B., welcher ohne allen Erfolg viele Jahre hindurch die affenartigen
Negerstämme am oberen Nil zu civilisiren suchte, sagt ausdrücklich,
"daß unter solchen Wilden jede Mission durchaus nutzlos sei. Sie
ständen weit unter den unvernünftigen Thieren; diese letzteren legten
doch wenigstens Zeichen der Zuneigung gegen Diejenigen an den Tag,
die freundlich gegen sie sind; während jene viehischen Eingeborenen
allen Gefühlen der Dankbarkeit völlig unzugänglich seien."

Wenn nun aus diesen und vielen anderen Zeugnissen zuverlässig
hervorgeht, daß die geistigen Unterschiede zwischen den niedersten Men-
schen und den höchsten Thieren geringer sind, als diejenigen zwischen
den niedersten und den höchsten Menschen, und wenn Sie damit die

Seelenleben der niederſten Voͤlker.
maͤnner, Andamanen u. ſ. w. mit dieſen hoͤchſtentwickelten Thieren,
z. B. Affen, Hunden und Elephanten einerſeits, mit den hoͤchſtent-
wickelten Menſchen, einem Newton, Kant, Goethe andrerſeits
zuſammenſtellen, ſo wird Jhnen die Behauptung nicht mehr uͤbertrie-
ben erſcheinen, daß das Seelenleben der hoͤheren Saͤugethiere ſich ſtu-
fenweiſe zu demjenigen des Menſchen entwickelt hat. Wenn Sie hier
eine ſcharfe Grenze ziehen wollten, ſo muͤßten Sie geradezu dieſelbe
zwiſchen den hoͤchſtentwickelten Kulturmenſchen einerſeits und den rohe-
ſten Naturmenſchen andrerſeits ziehen, und letztere mit den Thieren
vereinigen. Das iſt in der That der Standpunkt, welchen viele neuere
Reiſende angenommen haben, die jene niederſten Menſchenraſſen in
ihrem Vaterlande andauernd beobachtet haben. So ſagt z. B. ein viel-
gereiſter Englaͤnder, welcher laͤngere Zeit an der afrikaniſchen Weſtkuͤſte
lebte: „den Neger halte ich fuͤr eine niedere Menſchenart (Species) und
kann mich nicht entſchließen, als „Menſch und Bruder“ auf ihn herab-
zuſchauen, man muͤßte denn auch den Gorilla in die Familie auf-
nehmen“. Selbſt viele chriſtliche Miſſionaͤre, welche nach jahrelanger
vergeblicher Arbeit von ihren fruchtloſen Civiliſationsbeſtrebungen bei
den niederſten Voͤlkern abſtanden, faͤllen daſſelbe harte Urtheil, und
behaupten, daß man eher die bildungsfaͤhigen Hausthiere, als dieſe
unvernuͤnftigen viehiſchen Menſchen zu einem geſitteten Kulturleben
erziehen koͤnne. Der tuͤchtige oͤſterreichiſche Miſſionaͤr Morlang
z. B., welcher ohne allen Erfolg viele Jahre hindurch die affenartigen
Negerſtaͤmme am oberen Nil zu civiliſiren ſuchte, ſagt ausdruͤcklich,
„daß unter ſolchen Wilden jede Miſſion durchaus nutzlos ſei. Sie
ſtaͤnden weit unter den unvernuͤnftigen Thieren; dieſe letzteren legten
doch wenigſtens Zeichen der Zuneigung gegen Diejenigen an den Tag,
die freundlich gegen ſie ſind; waͤhrend jene viehiſchen Eingeborenen
allen Gefuͤhlen der Dankbarkeit voͤllig unzugaͤnglich ſeien.“

Wenn nun aus dieſen und vielen anderen Zeugniſſen zuverlaͤſſig
hervorgeht, daß die geiſtigen Unterſchiede zwiſchen den niederſten Men-
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den niederſten und den hoͤchſten Menſchen, und wenn Sie damit die

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[549/0574] Seelenleben der niederſten Voͤlker. maͤnner, Andamanen u. ſ. w. mit dieſen hoͤchſtentwickelten Thieren, z. B. Affen, Hunden und Elephanten einerſeits, mit den hoͤchſtent- wickelten Menſchen, einem Newton, Kant, Goethe andrerſeits zuſammenſtellen, ſo wird Jhnen die Behauptung nicht mehr uͤbertrie- ben erſcheinen, daß das Seelenleben der hoͤheren Saͤugethiere ſich ſtu- fenweiſe zu demjenigen des Menſchen entwickelt hat. Wenn Sie hier eine ſcharfe Grenze ziehen wollten, ſo muͤßten Sie geradezu dieſelbe zwiſchen den hoͤchſtentwickelten Kulturmenſchen einerſeits und den rohe- ſten Naturmenſchen andrerſeits ziehen, und letztere mit den Thieren vereinigen. Das iſt in der That der Standpunkt, welchen viele neuere Reiſende angenommen haben, die jene niederſten Menſchenraſſen in ihrem Vaterlande andauernd beobachtet haben. So ſagt z. B. ein viel- gereiſter Englaͤnder, welcher laͤngere Zeit an der afrikaniſchen Weſtkuͤſte lebte: „den Neger halte ich fuͤr eine niedere Menſchenart (Species) und kann mich nicht entſchließen, als „Menſch und Bruder“ auf ihn herab- zuſchauen, man muͤßte denn auch den Gorilla in die Familie auf- nehmen“. Selbſt viele chriſtliche Miſſionaͤre, welche nach jahrelanger vergeblicher Arbeit von ihren fruchtloſen Civiliſationsbeſtrebungen bei den niederſten Voͤlkern abſtanden, faͤllen daſſelbe harte Urtheil, und behaupten, daß man eher die bildungsfaͤhigen Hausthiere, als dieſe unvernuͤnftigen viehiſchen Menſchen zu einem geſitteten Kulturleben erziehen koͤnne. Der tuͤchtige oͤſterreichiſche Miſſionaͤr Morlang z. B., welcher ohne allen Erfolg viele Jahre hindurch die affenartigen Negerſtaͤmme am oberen Nil zu civiliſiren ſuchte, ſagt ausdruͤcklich, „daß unter ſolchen Wilden jede Miſſion durchaus nutzlos ſei. Sie ſtaͤnden weit unter den unvernuͤnftigen Thieren; dieſe letzteren legten doch wenigſtens Zeichen der Zuneigung gegen Diejenigen an den Tag, die freundlich gegen ſie ſind; waͤhrend jene viehiſchen Eingeborenen allen Gefuͤhlen der Dankbarkeit voͤllig unzugaͤnglich ſeien.“ Wenn nun aus dieſen und vielen anderen Zeugniſſen zuverlaͤſſig hervorgeht, daß die geiſtigen Unterſchiede zwiſchen den niederſten Men- ſchen und den hoͤchſten Thieren geringer ſind, als diejenigen zwiſchen den niederſten und den hoͤchſten Menſchen, und wenn Sie damit die

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 549. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/574>, abgerufen am 22.11.2024.