Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.Wissenschaftliche Unzulänglichkeit aller Schöpfungsvorstellungen. schöpfe nach diesem Plane ausführt, wie ein menschlicher Architektsein Bauwerk. Wenn selbst so hervorragende Naturforscher wie Lin- ne, Cuvier und Agassiz, die Hauptvertreter der dualistischen Schöpfungshypothese, zu keiner genügenderen Vorstellung gelangen konnten, so wird daraus am besten die Unzulänglichkeit aller derje- nigen Vorstellungen hervorgehen, welche die Mannichfaltigkeit der organischen Natur aus einer solchen Schöpfung der einzelnen Arten ableiten wollen. Es haben zwar einige Naturforscher, welche das wissenschaftlich ganz Unbefriedigende dieser Vorstellung einsahen, ver- sucht, den Begriff des persönlichen Schöpfers durch denjenigen einer unbewußt wirkenden schöpferischen Naturkraft zu ersetzen; indessen ist dieser Ausdruck offenbar eine bloße umschreibende Redensart, sobald nicht näher gezeigt wird, worin diese Naturkraft besteht, und wie sie wirkt. Daher haben auch diese letzteren Versuche durchaus keine Gel- tung in der Wissenschaft errungen. Vielmehr hat man sich genöthigt gesehen, sobald man eine selbstständige Entstehung der verschiedenen Thier- und Pflanzenformen annahm, immer auf ebenso viele Schö- pfungsakte zurückzugreifen, d. h. auf übernatürliche Eingriffe des Schö- pfers in den Gang der Dinge, der im Uebrigen ohne seine Mitwir- kung abläuft. Gegenüber nun dieser vollständigen wissenschaftlichen Unzuläng- Wiſſenſchaftliche Unzulaͤnglichkeit aller Schoͤpfungsvorſtellungen. ſchoͤpfe nach dieſem Plane ausfuͤhrt, wie ein menſchlicher Architektſein Bauwerk. Wenn ſelbſt ſo hervorragende Naturforſcher wie Lin- né, Cuvier und Agaſſiz, die Hauptvertreter der dualiſtiſchen Schoͤpfungshypotheſe, zu keiner genuͤgenderen Vorſtellung gelangen konnten, ſo wird daraus am beſten die Unzulaͤnglichkeit aller derje- nigen Vorſtellungen hervorgehen, welche die Mannichfaltigkeit der organiſchen Natur aus einer ſolchen Schoͤpfung der einzelnen Arten ableiten wollen. Es haben zwar einige Naturforſcher, welche das wiſſenſchaftlich ganz Unbefriedigende dieſer Vorſtellung einſahen, ver- ſucht, den Begriff des perſoͤnlichen Schoͤpfers durch denjenigen einer unbewußt wirkenden ſchoͤpferiſchen Naturkraft zu erſetzen; indeſſen iſt dieſer Ausdruck offenbar eine bloße umſchreibende Redensart, ſobald nicht naͤher gezeigt wird, worin dieſe Naturkraft beſteht, und wie ſie wirkt. Daher haben auch dieſe letzteren Verſuche durchaus keine Gel- tung in der Wiſſenſchaft errungen. Vielmehr hat man ſich genoͤthigt geſehen, ſobald man eine ſelbſtſtaͤndige Entſtehung der verſchiedenen Thier- und Pflanzenformen annahm, immer auf ebenſo viele Schoͤ- pfungsakte zuruͤckzugreifen, d. h. auf uͤbernatuͤrliche Eingriffe des Schoͤ- pfers in den Gang der Dinge, der im Uebrigen ohne ſeine Mitwir- kung ablaͤuft. Gegenuͤber nun dieſer vollſtaͤndigen wiſſenſchaftlichen Unzulaͤng- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0081" n="60"/><fw place="top" type="header">Wiſſenſchaftliche Unzulaͤnglichkeit aller Schoͤpfungsvorſtellungen.</fw><lb/> ſchoͤpfe nach dieſem Plane ausfuͤhrt, wie ein menſchlicher Architekt<lb/> ſein Bauwerk. Wenn ſelbſt ſo hervorragende Naturforſcher wie <hi rendition="#g">Lin-<lb/> n<hi rendition="#aq">é,</hi> Cuvier</hi> und <hi rendition="#g">Agaſſiz,</hi> die Hauptvertreter der dualiſtiſchen<lb/> Schoͤpfungshypotheſe, zu keiner genuͤgenderen Vorſtellung gelangen<lb/> konnten, ſo wird daraus am beſten die Unzulaͤnglichkeit aller derje-<lb/> nigen Vorſtellungen hervorgehen, welche die Mannichfaltigkeit der<lb/> organiſchen Natur aus einer ſolchen Schoͤpfung der einzelnen Arten<lb/> ableiten wollen. 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Wiſſenſchaftliche Unzulaͤnglichkeit aller Schoͤpfungsvorſtellungen.
ſchoͤpfe nach dieſem Plane ausfuͤhrt, wie ein menſchlicher Architekt
ſein Bauwerk. Wenn ſelbſt ſo hervorragende Naturforſcher wie Lin-
né, Cuvier und Agaſſiz, die Hauptvertreter der dualiſtiſchen
Schoͤpfungshypotheſe, zu keiner genuͤgenderen Vorſtellung gelangen
konnten, ſo wird daraus am beſten die Unzulaͤnglichkeit aller derje-
nigen Vorſtellungen hervorgehen, welche die Mannichfaltigkeit der
organiſchen Natur aus einer ſolchen Schoͤpfung der einzelnen Arten
ableiten wollen. Es haben zwar einige Naturforſcher, welche das
wiſſenſchaftlich ganz Unbefriedigende dieſer Vorſtellung einſahen, ver-
ſucht, den Begriff des perſoͤnlichen Schoͤpfers durch denjenigen einer
unbewußt wirkenden ſchoͤpferiſchen Naturkraft zu erſetzen; indeſſen iſt
dieſer Ausdruck offenbar eine bloße umſchreibende Redensart, ſobald
nicht naͤher gezeigt wird, worin dieſe Naturkraft beſteht, und wie ſie
wirkt. Daher haben auch dieſe letzteren Verſuche durchaus keine Gel-
tung in der Wiſſenſchaft errungen. Vielmehr hat man ſich genoͤthigt
geſehen, ſobald man eine ſelbſtſtaͤndige Entſtehung der verſchiedenen
Thier- und Pflanzenformen annahm, immer auf ebenſo viele Schoͤ-
pfungsakte zuruͤckzugreifen, d. h. auf uͤbernatuͤrliche Eingriffe des Schoͤ-
pfers in den Gang der Dinge, der im Uebrigen ohne ſeine Mitwir-
kung ablaͤuft.
Gegenuͤber nun dieſer vollſtaͤndigen wiſſenſchaftlichen Unzulaͤng-
lichkeit aller Schoͤpfungshypotheſen ſind wir gezwungen, zu den entge-
gengeſetzten Entwickelungstheorien der Organismen unſere Zu-
flucht zu nehmen, wenn wir uns uͤberhaupt eine wiſſenſchaftliche Vor-
ſtellung von der Entſtehung der Organismen machen wollen. Wir
ſind gezwungen und verpflichtet dazu, ſelbſt wenn dieſe Entwickelungs-
theorien nur einen Schimmer von Wahrſcheinlichkeit auf eine mecha-
niſche, natuͤrliche Entſtehung der Thier- und Pflanzenarten fallen laſ-
ſen; um ſo mehr aber, wenn, wie Sie ſehen werden, dieſe Theorien
eben ſo einfach und klar, als vollſtaͤndig und umfaſſend die geſammten
Thatſachen erklaͤren. Dieſe Entwickelungstheorien ſind keineswegs,
wie ſie oft faͤlſchlich angeſehen werden, willkuͤrliche Einfaͤlle, oder be-
liebige Erzeugniſſe der Einbildungskraft, welche nur die Entſtehung
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