Goethe's Entdeckung der beiden organischen Bildungstriebe.
"Und die Weise zu leben, sie wirkt auf alle Gestalten "Mächtig zurück. So zeiget sich fest die geordnete Bildung, "Welche zum Wechsel sich neigt durch äußerlich wirkende Wesen."
Schon hier ist der Gegensatz zwischen zwei verschiede- nen organischen Bildungstrieben angedeutet, welche sich ge- genüber stehen, und durch ihre Wechselwirkung die Form des Organismus bestimmen; einerseits ein gemeinsames inneres, fest sich erhaltendes Urbild, welches den verschiedensten Gestalten zu Grunde liegt; andrerseits der äußerlich wirkende Einfluß der Umgebung und der Lebensweise, welcher umbildend auf das Urbild einwirkt. Noch bestimmter tritt dieser Gegensatz in folgendem Ausspruch hervor:
"Eine innere ursprüngliche Gemeinschaft liegt aller Organisation zu Grunde; die Verschiedenheit der Gestalten dagegen entspringt aus den nothwendigen Beziehungsverhältnissen zur Außenwelt, und man darf daher eine ursprüngliche, gleichzeitige Verschiedenheit und eine un- aufhaltsam fortschreitende Umbildung mit Recht annehmen, um die eben so konstanten als abweichenden Erscheinungen begreifen zu kön- nen."
Das "Urbild" oder der "Typus", welcher als "innere ursprüng- liche Gemeinschaft" allen organischen Formen zu Grunde liegt, ist der innere Bildungstrieb, welcher die ursprüngliche Bildungsrichtung erhält und durch Vererbung fortpflanzt. Die "unaufhaltsam fortschreitende Umbildung" dagegen, welche "aus den nothwendigen Beziehungsverhältnissen zur Außenwelt entspringt", bewirkt als äuße- rer Bildungstrieb, durch Anpassung an die umgebenden Le- bensbedingungen, die unendliche "Verschiedenheit der Gestalten". (Gen. Morph. I., 154; II., 224). Den inneren Bildungstrieb der Vererbung, welcher die Einheit des Urbildes erhält, nennt Goethe an einer anderen Stelle die Centripetalkraft des Organis- mus, seinen Specifikationstrieb; im Gegensatz dazu nennt er den äuße- ren Bildungstrieb der Anpassung, welcher die Mannichfaltigkeit der organischen Gestalten hervorbringt, die Centrifugalkraft des Organismus, seinen Variationstrieb. Die betreffende Stelle, in wel-
Goethe’s Entdeckung der beiden organiſchen Bildungstriebe.
„Und die Weiſe zu leben, ſie wirkt auf alle Geſtalten „Maͤchtig zuruͤck. So zeiget ſich feſt die geordnete Bildung, „Welche zum Wechſel ſich neigt durch aͤußerlich wirkende Weſen.“
Schon hier iſt der Gegenſatz zwiſchen zwei verſchiede- nen organiſchen Bildungstrieben angedeutet, welche ſich ge- genuͤber ſtehen, und durch ihre Wechſelwirkung die Form des Organismus beſtimmen; einerſeits ein gemeinſames inneres, feſt ſich erhaltendes Urbild, welches den verſchiedenſten Geſtalten zu Grunde liegt; andrerſeits der aͤußerlich wirkende Einfluß der Umgebung und der Lebensweiſe, welcher umbildend auf das Urbild einwirkt. Noch beſtimmter tritt dieſer Gegenſatz in folgendem Ausſpruch hervor:
„Eine innere urſpruͤngliche Gemeinſchaft liegt aller Organiſation zu Grunde; die Verſchiedenheit der Geſtalten dagegen entſpringt aus den nothwendigen Beziehungsverhaͤltniſſen zur Außenwelt, und man darf daher eine urſpruͤngliche, gleichzeitige Verſchiedenheit und eine un- aufhaltſam fortſchreitende Umbildung mit Recht annehmen, um die eben ſo konſtanten als abweichenden Erſcheinungen begreifen zu koͤn- nen.“
Das „Urbild“ oder der „Typus“, welcher als „innere urſpruͤng- liche Gemeinſchaft“ allen organiſchen Formen zu Grunde liegt, iſt der innere Bildungstrieb, welcher die urſpruͤngliche Bildungsrichtung erhaͤlt und durch Vererbung fortpflanzt. Die „unaufhaltſam fortſchreitende Umbildung“ dagegen, welche „aus den nothwendigen Beziehungsverhaͤltniſſen zur Außenwelt entſpringt“, bewirkt als aͤuße- rer Bildungstrieb, durch Anpaſſung an die umgebenden Le- bensbedingungen, die unendliche „Verſchiedenheit der Geſtalten“. (Gen. Morph. I., 154; II., 224). Den inneren Bildungstrieb der Vererbung, welcher die Einheit des Urbildes erhaͤlt, nennt Goethe an einer anderen Stelle die Centripetalkraft des Organis- mus, ſeinen Specifikationstrieb; im Gegenſatz dazu nennt er den aͤuße- ren Bildungstrieb der Anpaſſung, welcher die Mannichfaltigkeit der organiſchen Geſtalten hervorbringt, die Centrifugalkraft des Organismus, ſeinen Variationstrieb. Die betreffende Stelle, in wel-
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Goethe’s Entdeckung der beiden organiſchen Bildungstriebe.
„Und die Weiſe zu leben, ſie wirkt auf alle Geſtalten
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„Welche zum Wechſel ſich neigt durch aͤußerlich wirkende Weſen.“
Schon hier iſt der Gegenſatz zwiſchen zwei verſchiede-
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Organismus beſtimmen; einerſeits ein gemeinſames inneres, feſt ſich
erhaltendes Urbild, welches den verſchiedenſten Geſtalten zu Grunde
liegt; andrerſeits der aͤußerlich wirkende Einfluß der Umgebung und
der Lebensweiſe, welcher umbildend auf das Urbild einwirkt. Noch
beſtimmter tritt dieſer Gegenſatz in folgendem Ausſpruch hervor:
„Eine innere urſpruͤngliche Gemeinſchaft liegt aller Organiſation
zu Grunde; die Verſchiedenheit der Geſtalten dagegen entſpringt aus
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darf daher eine urſpruͤngliche, gleichzeitige Verſchiedenheit und eine un-
aufhaltſam fortſchreitende Umbildung mit Recht annehmen, um die
eben ſo konſtanten als abweichenden Erſcheinungen begreifen zu koͤn-
nen.“
Das „Urbild“ oder der „Typus“, welcher als „innere urſpruͤng-
liche Gemeinſchaft“ allen organiſchen Formen zu Grunde liegt, iſt der
innere Bildungstrieb, welcher die urſpruͤngliche Bildungsrichtung
erhaͤlt und durch Vererbung fortpflanzt. Die „unaufhaltſam
fortſchreitende Umbildung“ dagegen, welche „aus den nothwendigen
Beziehungsverhaͤltniſſen zur Außenwelt entſpringt“, bewirkt als aͤuße-
rer Bildungstrieb, durch Anpaſſung an die umgebenden Le-
bensbedingungen, die unendliche „Verſchiedenheit der Geſtalten“.
(Gen. Morph. I., 154; II., 224). Den inneren Bildungstrieb der
Vererbung, welcher die Einheit des Urbildes erhaͤlt, nennt Goethe
an einer anderen Stelle die Centripetalkraft des Organis-
mus, ſeinen Specifikationstrieb; im Gegenſatz dazu nennt er den aͤuße-
ren Bildungstrieb der Anpaſſung, welcher die Mannichfaltigkeit
der organiſchen Geſtalten hervorbringt, die Centrifugalkraft des
Organismus, ſeinen Variationstrieb. Die betreffende Stelle, in wel-
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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/95>, abgerufen am 21.11.2024.
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