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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

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IX. Seelen-Organe der höheren Thiere.
die Medusen einen Nervenring am Schirmrande, meistens mit
vier oder acht Ganglien ausgestattet. Bei den fünfstrahligen
Sternthieren (Echinoderma) ist der Mund von einem
Nervenring umgeben, von welchem fünf Nervenstämme ausstrahlen.
Die zweiseitig-symmetrischen Plattenthiere (Platodes) und
Wurmthiere (Vermalia) besitzen ein Scheitelhirn oder Akro-
ganglion, zusammengesetzt aus ein paar dorsalen, oberhalb des
Mundes gelegenen Ganglien; von diesen "oberen Schlundknoten"
gehen zwei seitliche Nerven-Stämme an die Haut und die Muskeln.
Bei einem Theile der Vermalien und bei den Weichthieren
(Mollusca) treten dazu noch ein paar ventrale "untere Schlund-
knoten", welche sich mit den ersteren durch einen den Schlund
umfassenden Ring verbinden. Dieser "Schlundring" kehrt auch
bei den Gliederthieren (Articulata) wieder, setzt sich aber
hier auf der Bauchseite des langgestreckten Körpers in ein
"Bauchmark" fort, einen strickleiterförmigen Doppelstrang, welcher
in jedem Gliede zu einem Doppel-Ganglion anschwillt. Ganz
entgegengesetzte Bildung des Seelen-Organs zeigen die Wirbel-
thiere
(Vertebrata); hier findet sich allgemein auf der Rückenseite
des innerlich gegliederten Körpers ein Rückenmark entwickelt;
aus einer Anschwellung seines vorderen Theiles entsteht später
das charakteristische blasenförmige Gehirn *).

Obgleich nun so die Seelen-Organe der höheren Thierstämme
in Lage, Form und Zusammensetzung sehr charakteristische Ver-
schiedenheiten zeigen, ist doch die vergleichende Anatomie im
Stande gewesen, für die meisten einen gemeinsamen Ursprung
nachzuweisen, aus dem Scheitelhirn der Platoden und
Vermalien; und allen gemeinsam ist die Entstehung aus der
äußersten Zellenschicht des Keimes, aus dem "Hautsinnes-
blatt
" (Ektoderm). Ebenso finden wir in allen Formen der

*) Vergl. hierzu meine Natürl. Schöpfungsgeschichte, neunte Auflage
1898, Tafel 18 und 19, S. 512.

IX. Seelen-Organe der höheren Thiere.
die Meduſen einen Nervenring am Schirmrande, meiſtens mit
vier oder acht Ganglien ausgeſtattet. Bei den fünfſtrahligen
Sternthieren (Echinoderma) iſt der Mund von einem
Nervenring umgeben, von welchem fünf Nervenſtämme ausſtrahlen.
Die zweiſeitig-ſymmetriſchen Plattenthiere (Platodeſ) und
Wurmthiere (Vermalia) beſitzen ein Scheitelhirn oder Akro-
ganglion, zuſammengeſetzt aus ein paar dorſalen, oberhalb des
Mundes gelegenen Ganglien; von dieſen „oberen Schlundknoten“
gehen zwei ſeitliche Nerven-Stämme an die Haut und die Muskeln.
Bei einem Theile der Vermalien und bei den Weichthieren
(Molluſca) treten dazu noch ein paar ventrale „untere Schlund-
knoten“, welche ſich mit den erſteren durch einen den Schlund
umfaſſenden Ring verbinden. Dieſer „Schlundring“ kehrt auch
bei den Gliederthieren (Articulata) wieder, ſetzt ſich aber
hier auf der Bauchſeite des langgeſtreckten Körpers in ein
„Bauchmark“ fort, einen ſtrickleiterförmigen Doppelſtrang, welcher
in jedem Gliede zu einem Doppel-Ganglion anſchwillt. Ganz
entgegengeſetzte Bildung des Seelen-Organs zeigen die Wirbel-
thiere
(Vertebrata); hier findet ſich allgemein auf der Rückenſeite
des innerlich gegliederten Körpers ein Rückenmark entwickelt;
aus einer Anſchwellung ſeines vorderen Theiles entſteht ſpäter
das charakteriſtiſche blaſenförmige Gehirn *).

Obgleich nun ſo die Seelen-Organe der höheren Thierſtämme
in Lage, Form und Zuſammenſetzung ſehr charakteriſtiſche Ver-
ſchiedenheiten zeigen, iſt doch die vergleichende Anatomie im
Stande geweſen, für die meiſten einen gemeinſamen Urſprung
nachzuweiſen, aus dem Scheitelhirn der Platoden und
Vermalien; und allen gemeinſam iſt die Entſtehung aus der
äußerſten Zellenſchicht des Keimes, aus dem „Hautſinnes-
blatt
(Ektoderm). Ebenſo finden wir in allen Formen der

*) Vergl. hierzu meine Natürl. Schöpfungsgeſchichte, neunte Auflage
1898, Tafel 18 und 19, S. 512.
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[189/0205] IX. Seelen-Organe der höheren Thiere. die Meduſen einen Nervenring am Schirmrande, meiſtens mit vier oder acht Ganglien ausgeſtattet. Bei den fünfſtrahligen Sternthieren (Echinoderma) iſt der Mund von einem Nervenring umgeben, von welchem fünf Nervenſtämme ausſtrahlen. Die zweiſeitig-ſymmetriſchen Plattenthiere (Platodeſ) und Wurmthiere (Vermalia) beſitzen ein Scheitelhirn oder Akro- ganglion, zuſammengeſetzt aus ein paar dorſalen, oberhalb des Mundes gelegenen Ganglien; von dieſen „oberen Schlundknoten“ gehen zwei ſeitliche Nerven-Stämme an die Haut und die Muskeln. Bei einem Theile der Vermalien und bei den Weichthieren (Molluſca) treten dazu noch ein paar ventrale „untere Schlund- knoten“, welche ſich mit den erſteren durch einen den Schlund umfaſſenden Ring verbinden. Dieſer „Schlundring“ kehrt auch bei den Gliederthieren (Articulata) wieder, ſetzt ſich aber hier auf der Bauchſeite des langgeſtreckten Körpers in ein „Bauchmark“ fort, einen ſtrickleiterförmigen Doppelſtrang, welcher in jedem Gliede zu einem Doppel-Ganglion anſchwillt. Ganz entgegengeſetzte Bildung des Seelen-Organs zeigen die Wirbel- thiere (Vertebrata); hier findet ſich allgemein auf der Rückenſeite des innerlich gegliederten Körpers ein Rückenmark entwickelt; aus einer Anſchwellung ſeines vorderen Theiles entſteht ſpäter das charakteriſtiſche blaſenförmige Gehirn *). Obgleich nun ſo die Seelen-Organe der höheren Thierſtämme in Lage, Form und Zuſammenſetzung ſehr charakteriſtiſche Ver- ſchiedenheiten zeigen, iſt doch die vergleichende Anatomie im Stande geweſen, für die meiſten einen gemeinſamen Urſprung nachzuweiſen, aus dem Scheitelhirn der Platoden und Vermalien; und allen gemeinſam iſt die Entſtehung aus der äußerſten Zellenſchicht des Keimes, aus dem „Hautſinnes- blatt“ (Ektoderm). Ebenſo finden wir in allen Formen der *) Vergl. hierzu meine Natürl. Schöpfungsgeſchichte, neunte Auflage 1898, Tafel 18 und 19, S. 512.

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/205>, abgerufen am 24.11.2024.