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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

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XII. Eigenschaften des Aethers.
er wirklich Gewicht besitzt, was sehr wahrscheinlich ist, so ist
dasselbe äußerst gering und für unsere feinsten Waagen unmeßbar;
einige Physiker haben versucht, aus der Energie der Licht-
wellen das Gewicht des Aethers zu berechnen; sie haben ge-
funden, daß es etwa 15 Trillionen mal geringer sei als das
der athmosphärischen Luft; immerhin soll eine Aether-Kugel vom
Volumen unserer Erde mindestens 250 Pfund wiegen. (?)
VI. Der ätherische Aggregat-Zustand kann wahrscheinlich (der
Pyknose-Theorie entsprechend) unter bestimmten Bedingungen
durch fortschreitende Verdichtung in den gasförmigen Zustand
der Masse übergehen, ebenso wie dieser letztere durch Abkühlung
in den flüssigen und weiterhin in den festen übergeht.
VII. Diese Aggregat-Zustände der Materie ordnen
sich demnach (was für die monistische Kosmogenie sehr
wichtig ist) in eine genetische, kontinuirliche Reihe; wir unter-
scheiden fünf Stufen derselben: 1. der ätherische, 2. der gas-
förmige, 3. der flüssige, 4. der festflüssige (im lebenden
Plasma), 5. der feste Zustand. VIII. Der Aether ist ebenso
unendlich und unermeßlich wie der Raum, den er ausfüllt; er
befindet sich ewig in ununterbrochener Bewegung; dieser eigen-
thümliche Aether-Motus (gleichviel, ob als Schwingung,
Spannung, Verdichtung u. s. w. aufgefaßt), in Wechselwirkung
mit den Massen-Bewegungen (Gravitation) ist die letzte Ursache
aller Erscheinungen.

Aether und Masse. "Die gewaltige Hauptfrage nach
dem Wesen des Aethers", wie sie Hertz mit Recht nennt,
schließt auch diejenige seiner Beziehungen zur Masse ein; denn
beide Hauptbestandtheile der Materie befinden sich nicht nur
überall in innigster äußerer Berührung, sondern auch in ewiger
dynamischer Wechselwirkung. Man kann die allgemeinsten
Natur-Erscheinungen, welche die Physik als Naturkräfte oder
als "Funktionen der Materie" unterscheidet, in zwei Gruppen

XII. Eigenſchaften des Aethers.
er wirklich Gewicht beſitzt, was ſehr wahrſcheinlich iſt, ſo iſt
dasſelbe äußerſt gering und für unſere feinſten Waagen unmeßbar;
einige Phyſiker haben verſucht, aus der Energie der Licht-
wellen das Gewicht des Aethers zu berechnen; ſie haben ge-
funden, daß es etwa 15 Trillionen mal geringer ſei als das
der athmoſphäriſchen Luft; immerhin ſoll eine Aether-Kugel vom
Volumen unſerer Erde mindeſtens 250 Pfund wiegen. (?)
VI. Der ätheriſche Aggregat-Zuſtand kann wahrſcheinlich (der
Pyknoſe-Theorie entſprechend) unter beſtimmten Bedingungen
durch fortſchreitende Verdichtung in den gasförmigen Zuſtand
der Maſſe übergehen, ebenſo wie dieſer letztere durch Abkühlung
in den flüſſigen und weiterhin in den feſten übergeht.
VII. Dieſe Aggregat-Zuſtände der Materie ordnen
ſich demnach (was für die moniſtiſche Kosmogenie ſehr
wichtig iſt) in eine genetiſche, kontinuirliche Reihe; wir unter-
ſcheiden fünf Stufen derſelben: 1. der ätheriſche, 2. der gas-
förmige, 3. der flüſſige, 4. der feſtflüſſige (im lebenden
Plasma), 5. der feſte Zuſtand. VIII. Der Aether iſt ebenſo
unendlich und unermeßlich wie der Raum, den er ausfüllt; er
befindet ſich ewig in ununterbrochener Bewegung; dieſer eigen-
thümliche Aether-Motus (gleichviel, ob als Schwingung,
Spannung, Verdichtung u. ſ. w. aufgefaßt), in Wechſelwirkung
mit den Maſſen-Bewegungen (Gravitation) iſt die letzte Urſache
aller Erſcheinungen.

Aether und Maſſe. „Die gewaltige Hauptfrage nach
dem Weſen des Aethers“, wie ſie Hertz mit Recht nennt,
ſchließt auch diejenige ſeiner Beziehungen zur Maſſe ein; denn
beide Hauptbeſtandtheile der Materie befinden ſich nicht nur
überall in innigſter äußerer Berührung, ſondern auch in ewiger
dynamiſcher Wechſelwirkung. Man kann die allgemeinſten
Natur-Erſcheinungen, welche die Phyſik als Naturkräfte oder
als „Funktionen der Materie“ unterſcheidet, in zwei Gruppen

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[263/0279] XII. Eigenſchaften des Aethers. er wirklich Gewicht beſitzt, was ſehr wahrſcheinlich iſt, ſo iſt dasſelbe äußerſt gering und für unſere feinſten Waagen unmeßbar; einige Phyſiker haben verſucht, aus der Energie der Licht- wellen das Gewicht des Aethers zu berechnen; ſie haben ge- funden, daß es etwa 15 Trillionen mal geringer ſei als das der athmoſphäriſchen Luft; immerhin ſoll eine Aether-Kugel vom Volumen unſerer Erde mindeſtens 250 Pfund wiegen. (?) VI. Der ätheriſche Aggregat-Zuſtand kann wahrſcheinlich (der Pyknoſe-Theorie entſprechend) unter beſtimmten Bedingungen durch fortſchreitende Verdichtung in den gasförmigen Zuſtand der Maſſe übergehen, ebenſo wie dieſer letztere durch Abkühlung in den flüſſigen und weiterhin in den feſten übergeht. VII. Dieſe Aggregat-Zuſtände der Materie ordnen ſich demnach (was für die moniſtiſche Kosmogenie ſehr wichtig iſt) in eine genetiſche, kontinuirliche Reihe; wir unter- ſcheiden fünf Stufen derſelben: 1. der ätheriſche, 2. der gas- förmige, 3. der flüſſige, 4. der feſtflüſſige (im lebenden Plasma), 5. der feſte Zuſtand. VIII. Der Aether iſt ebenſo unendlich und unermeßlich wie der Raum, den er ausfüllt; er befindet ſich ewig in ununterbrochener Bewegung; dieſer eigen- thümliche Aether-Motus (gleichviel, ob als Schwingung, Spannung, Verdichtung u. ſ. w. aufgefaßt), in Wechſelwirkung mit den Maſſen-Bewegungen (Gravitation) iſt die letzte Urſache aller Erſcheinungen. Aether und Maſſe. „Die gewaltige Hauptfrage nach dem Weſen des Aethers“, wie ſie Hertz mit Recht nennt, ſchließt auch diejenige ſeiner Beziehungen zur Maſſe ein; denn beide Hauptbeſtandtheile der Materie befinden ſich nicht nur überall in innigſter äußerer Berührung, ſondern auch in ewiger dynamiſcher Wechſelwirkung. Man kann die allgemeinſten Natur-Erſcheinungen, welche die Phyſik als Naturkräfte oder als „Funktionen der Materie“ unterſcheidet, in zwei Gruppen

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/279>, abgerufen am 22.11.2024.