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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

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XIV. Teleologie und Mechanik.
lehre (1884) die Hypothese der Urzeugung ganz in demselben
Sinne sehr eingehend behandelt und als eine unentbehrliche
Annahme
der natürlichen Entwickelungs-Theorie bezeichnet. Ich
stimme vollkommen seinem Satze bei: "Die Urzeugung leugnen
heißt das Wunder verkünden."

Teleologie und Mechanik. Sowohl die Hypothese der
Urzeugung als die eng damit verknüpfte Kohlenstoff-Theorie be-
sitzen die größte Bedeutung für die Entscheidung des alten
Kampfes zwischen der teleologischen (dualistischen) und
der mechanischen (monistischen) Beurtheilung der Er-
scheinungen. Seit Darwin uns vor vierzig Jahren durch seine
Selektions-Theorie den Schlüssel zur monistischen Er-
klärung der Organisation in die Hand gab, sind wir in den
Stand gesetzt, die bunte Mannigfaltigkeit der zweckmäßigen Ein-
richtungen in der lebendigen Körperwelt ebenso auf natürliche
mechanische Ursachen zurückzuführen, wie dies vorher nur in der
anorganischen Natur möglich war. Die übernatürlichen zweck-
thätigen Ursachen, zu welchen man früher seine Zuflucht hatte
nehmen müssen, sind dadurch überflüssig geworden. Trotzdem
fährt die moderne Metaphysik fort, die letzteren als unentbehrlich
und die ersteren als unzureichend zu bezeichnen.

Werkursachen (Causae efficientes) und Endursachen
(Causae finales).
Den tiefen Gegensatz zwischen den be-
wirkenden Ursachen (oder Werkursachen) und den zweckthätigen
Ursachen (oder Endursachen) hat mit Bezug auf die Erklärung der
Gesammtnatur kein neuerer Philosoph schärfer hervorgehoben
als Immanuel Kant. In seinem berühmten Jugendwerke,
der "Allgemeinen Naturgeschichte und Theorie des Himmels",
hatte er 1755 den kühnen Versuch unternommen, "die Verfassung
und den mechanischen Ursprung des ganzen Weltgebäudes nach
Newton'schen Grundsätzen abzuhandeln". Diese "kosmologische
Gastheorie" stützte sich ganz auf die mechanischen Bewegungs-

XIV. Teleologie und Mechanik.
lehre (1884) die Hypotheſe der Urzeugung ganz in demſelben
Sinne ſehr eingehend behandelt und als eine unentbehrliche
Annahme
der natürlichen Entwickelungs-Theorie bezeichnet. Ich
ſtimme vollkommen ſeinem Satze bei: „Die Urzeugung leugnen
heißt das Wunder verkünden.“

Teleologie und Mechanik. Sowohl die Hypotheſe der
Urzeugung als die eng damit verknüpfte Kohlenſtoff-Theorie be-
ſitzen die größte Bedeutung für die Entſcheidung des alten
Kampfes zwiſchen der teleologiſchen (dualiſtiſchen) und
der mechaniſchen (moniſtiſchen) Beurtheilung der Er-
ſcheinungen. Seit Darwin uns vor vierzig Jahren durch ſeine
Selektions-Theorie den Schlüſſel zur moniſtiſchen Er-
klärung der Organiſation in die Hand gab, ſind wir in den
Stand geſetzt, die bunte Mannigfaltigkeit der zweckmäßigen Ein-
richtungen in der lebendigen Körperwelt ebenſo auf natürliche
mechaniſche Urſachen zurückzuführen, wie dies vorher nur in der
anorganiſchen Natur möglich war. Die übernatürlichen zweck-
thätigen Urſachen, zu welchen man früher ſeine Zuflucht hatte
nehmen müſſen, ſind dadurch überflüſſig geworden. Trotzdem
fährt die moderne Metaphyſik fort, die letzteren als unentbehrlich
und die erſteren als unzureichend zu bezeichnen.

Werkurſachen (Cauſae efficienteſ) und Endurſachen
(Cauſae finaleſ).
Den tiefen Gegenſatz zwiſchen den be-
wirkenden Urſachen (oder Werkurſachen) und den zweckthätigen
Urſachen (oder Endurſachen) hat mit Bezug auf die Erklärung der
Geſammtnatur kein neuerer Philoſoph ſchärfer hervorgehoben
als Immanuel Kant. In ſeinem berühmten Jugendwerke,
der „Allgemeinen Naturgeſchichte und Theorie des Himmels“,
hatte er 1755 den kühnen Verſuch unternommen, „die Verfaſſung
und den mechaniſchen Urſprung des ganzen Weltgebäudes nach
Newton'ſchen Grundſätzen abzuhandeln“. Dieſe „kosmologiſche
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[299/0315] XIV. Teleologie und Mechanik. lehre (1884) die Hypotheſe der Urzeugung ganz in demſelben Sinne ſehr eingehend behandelt und als eine unentbehrliche Annahme der natürlichen Entwickelungs-Theorie bezeichnet. Ich ſtimme vollkommen ſeinem Satze bei: „Die Urzeugung leugnen heißt das Wunder verkünden.“ Teleologie und Mechanik. Sowohl die Hypotheſe der Urzeugung als die eng damit verknüpfte Kohlenſtoff-Theorie be- ſitzen die größte Bedeutung für die Entſcheidung des alten Kampfes zwiſchen der teleologiſchen (dualiſtiſchen) und der mechaniſchen (moniſtiſchen) Beurtheilung der Er- ſcheinungen. Seit Darwin uns vor vierzig Jahren durch ſeine Selektions-Theorie den Schlüſſel zur moniſtiſchen Er- klärung der Organiſation in die Hand gab, ſind wir in den Stand geſetzt, die bunte Mannigfaltigkeit der zweckmäßigen Ein- richtungen in der lebendigen Körperwelt ebenſo auf natürliche mechaniſche Urſachen zurückzuführen, wie dies vorher nur in der anorganiſchen Natur möglich war. Die übernatürlichen zweck- thätigen Urſachen, zu welchen man früher ſeine Zuflucht hatte nehmen müſſen, ſind dadurch überflüſſig geworden. Trotzdem fährt die moderne Metaphyſik fort, die letzteren als unentbehrlich und die erſteren als unzureichend zu bezeichnen. Werkurſachen (Cauſae efficienteſ) und Endurſachen (Cauſae finaleſ). Den tiefen Gegenſatz zwiſchen den be- wirkenden Urſachen (oder Werkurſachen) und den zweckthätigen Urſachen (oder Endurſachen) hat mit Bezug auf die Erklärung der Geſammtnatur kein neuerer Philoſoph ſchärfer hervorgehoben als Immanuel Kant. In ſeinem berühmten Jugendwerke, der „Allgemeinen Naturgeſchichte und Theorie des Himmels“, hatte er 1755 den kühnen Verſuch unternommen, „die Verfaſſung und den mechaniſchen Urſprung des ganzen Weltgebäudes nach Newton'ſchen Grundſätzen abzuhandeln“. Dieſe „kosmologiſche Gastheorie“ ſtützte ſich ganz auf die mechaniſchen Bewegungs-

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/315>, abgerufen am 22.11.2024.