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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

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Vielgötterei (Polytheismus). XV.
mit Beschränkung auf den tiefsten Inhalt desselben -- alle ver-
schiedenen Vorstellungen darüber in zwei entgegengesetzte Haupt-
Gruppen ordnen, in die theistische und die pantheistische
Gruppe. Die letztere ist eng verknüpft mit der monistischen
oder rationellen, die erstere mit der dualistischen oder
mystischen Weltanschauung.

1. Theismus: Gott und Welt sind zwei verschiedene
Wesen.
Gott steht der Welt gegenüber als deren Schöpfer,
Erhalter und Regierer. Dabei wird Gott stets mehr oder weniger
menschenähnlich gedacht, als ein Organismus, welcher dem Men-
schen ähnlich (wenn auch in höchst vollkommener Form) denkt
und handelt. Dieser anthropomorphe Gott, offenbar
polyphyletisch von den verschiedenen Naturvölkern erdacht, unter-
liegt in deren Phantasie bereits den mannigfaltigsten Abstufungen,
vom Fetischismus aufwärts bis zu den geläuterten monotheistischen
Religionen der Gegenwart. Als wichtigste Unterarten der theisti-
schen Begriffsbildung unterscheiden wir Polytheismus, Triplo-
theismus, Amphitheismus und Monotheismus.

Polytheismus (Vielgötterei). Die Welt ist von vielen
verschiedenen Göttern bevölkert, welche mehr oder weniger selbst-
ständig in deren Getriebe eingreifen. Der Fetischismus findet
dergleichen untergeordnete Götter in den verschiedensten leblosen
Naturkörpern, in den Steinen, im Wasser, in der Luft, in
menschlichen Kunstprodukten aller Art (Götterbildern, Statuen etc.).
Der Dämonismus erblickt Götter in lebendigen Organismen
aller Art, in Bäumen, Thieren, Menschen. Diese Vielgötterei
nimmt schon in den niedersten Religions-Formen der rohen
Naturvölker sehr mannigfaltige Formen an. Sie erscheint auf der
höchsten Stufe geläutert im hellenischen Polytheismus,
in jenen herrlichen Göttersagen des alten Griechenlands, welche
noch heute unserer modernen Kunst die schönsten Vorbilder
für Poesie und Bildnerei liefern. Auf viel tieferer Stufe steht

Vielgötterei (Polytheismus). XV.
mit Beſchränkung auf den tiefſten Inhalt desſelben — alle ver-
ſchiedenen Vorſtellungen darüber in zwei entgegengeſetzte Haupt-
Gruppen ordnen, in die theiſtiſche und die pantheiſtiſche
Gruppe. Die letztere iſt eng verknüpft mit der moniſtiſchen
oder rationellen, die erſtere mit der dualiſtiſchen oder
myſtiſchen Weltanſchauung.

1. Theismus: Gott und Welt ſind zwei verſchiedene
Weſen.
Gott ſteht der Welt gegenüber als deren Schöpfer,
Erhalter und Regierer. Dabei wird Gott ſtets mehr oder weniger
menſchenähnlich gedacht, als ein Organismus, welcher dem Men-
ſchen ähnlich (wenn auch in höchſt vollkommener Form) denkt
und handelt. Dieſer anthropomorphe Gott, offenbar
polyphyletiſch von den verſchiedenen Naturvölkern erdacht, unter-
liegt in deren Phantaſie bereits den mannigfaltigſten Abſtufungen,
vom Fetiſchismus aufwärts bis zu den geläuterten monotheistiſchen
Religionen der Gegenwart. Als wichtigste Unterarten der theiſti-
ſchen Begriffsbildung unterſcheiden wir Polytheismus, Triplo-
theismus, Amphitheismus und Monotheismus.

Polytheismus (Vielgötterei). Die Welt iſt von vielen
verſchiedenen Göttern bevölkert, welche mehr oder weniger ſelbſt-
ſtändig in deren Getriebe eingreifen. Der Fetiſchismus findet
dergleichen untergeordnete Götter in den verſchiedenſten lebloſen
Naturkörpern, in den Steinen, im Waſſer, in der Luft, in
menſchlichen Kunſtprodukten aller Art (Götterbildern, Statuen ꝛc.).
Der Dämonismus erblickt Götter in lebendigen Organismen
aller Art, in Bäumen, Thieren, Menſchen. Dieſe Vielgötterei
nimmt ſchon in den niederſten Religions-Formen der rohen
Naturvölker ſehr mannigfaltige Formen an. Sie erſcheint auf der
höchſten Stufe geläutert im helleniſchen Polytheismus,
in jenen herrlichen Götterſagen des alten Griechenlands, welche
noch heute unſerer modernen Kunſt die ſchönſten Vorbilder
für Poeſie und Bildnerei liefern. Auf viel tieferer Stufe ſteht

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[320/0336] Vielgötterei (Polytheismus). XV. mit Beſchränkung auf den tiefſten Inhalt desſelben — alle ver- ſchiedenen Vorſtellungen darüber in zwei entgegengeſetzte Haupt- Gruppen ordnen, in die theiſtiſche und die pantheiſtiſche Gruppe. Die letztere iſt eng verknüpft mit der moniſtiſchen oder rationellen, die erſtere mit der dualiſtiſchen oder myſtiſchen Weltanſchauung. 1. Theismus: Gott und Welt ſind zwei verſchiedene Weſen. Gott ſteht der Welt gegenüber als deren Schöpfer, Erhalter und Regierer. Dabei wird Gott ſtets mehr oder weniger menſchenähnlich gedacht, als ein Organismus, welcher dem Men- ſchen ähnlich (wenn auch in höchſt vollkommener Form) denkt und handelt. Dieſer anthropomorphe Gott, offenbar polyphyletiſch von den verſchiedenen Naturvölkern erdacht, unter- liegt in deren Phantaſie bereits den mannigfaltigſten Abſtufungen, vom Fetiſchismus aufwärts bis zu den geläuterten monotheistiſchen Religionen der Gegenwart. Als wichtigste Unterarten der theiſti- ſchen Begriffsbildung unterſcheiden wir Polytheismus, Triplo- theismus, Amphitheismus und Monotheismus. Polytheismus (Vielgötterei). Die Welt iſt von vielen verſchiedenen Göttern bevölkert, welche mehr oder weniger ſelbſt- ſtändig in deren Getriebe eingreifen. Der Fetiſchismus findet dergleichen untergeordnete Götter in den verſchiedenſten lebloſen Naturkörpern, in den Steinen, im Waſſer, in der Luft, in menſchlichen Kunſtprodukten aller Art (Götterbildern, Statuen ꝛc.). Der Dämonismus erblickt Götter in lebendigen Organismen aller Art, in Bäumen, Thieren, Menſchen. Dieſe Vielgötterei nimmt ſchon in den niederſten Religions-Formen der rohen Naturvölker ſehr mannigfaltige Formen an. Sie erſcheint auf der höchſten Stufe geläutert im helleniſchen Polytheismus, in jenen herrlichen Götterſagen des alten Griechenlands, welche noch heute unſerer modernen Kunſt die ſchönſten Vorbilder für Poeſie und Bildnerei liefern. Auf viel tieferer Stufe ſteht

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/336>, abgerufen am 22.11.2024.