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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

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Christlicher Monotheismus. XV.
alleinige Gott, der im ersten der zehn Gebote Mosis ausdrücklich
sagt: "Ich bin der Herr Dein Gott, Du sollst nicht andere
Götter haben neben mir."

Das Christenthum. Der christliche Monotheismus theilte
das Schicksal seiner Mutter, des Mosaismus, und blieb wahre
Eingötterei meistens nur theoretisch im Princip, während er
praktisch in die mannigfaltigsten Formen des Polytheismus sich
verwandelte. Eigentlich war ja schon in der Trinitätslehre selbst,
die doch als ein unentbehrliches Fundament der christlichen Religion
gilt, der Monotheismus logischer Weise aufgegeben. Die drei
Personen
, die als Vater, Sohn und Heiliger Geist unter-
schieden werden, sind und bleiben ebenso drei verschiedene In-
dividuen
(und zwar anthropomorphe Personen!) wie die drei
indischen Gottheiten der Trimurti (Brahma, Wischnu, Schiwa)
oder wie die Trinität der alten Hebräer (Anu, Bel, Ao). Dazu
kommt noch, daß in den weitestverbreiteten Abarten des Christia-
nismus als vierte Gottheit die Jungfrau Maria, als unbefleckte
Mutter Christi, eine große Rolle spielt; in weiten katholischen
Kreisen gilt sie sogar als viel wichtiger und einflußreicher wie
die drei männlichen Personen der Himmels-Regierung. Der
Madonnen-Kultus hat hier thatsächlich eine solche
Bedeutung gewonnen, daß man ihn als einen weiblichen
Monotheismus
der gewöhnlichen männlichen Form der Ein-
götterei gegenüber stellen kann. Die "hehre Himmelskönigin"
erscheint hier so sehr im Vordergrund aller Vorstellungen (wie
es auch unzählige Madonnen-Bilder und Sagen bezeugen), daß
die drei männlichen Personen dagegen ganz zurücktreten.

Nun hat sich aber außerdem schon frühzeitig in der Phantasie
der gläubigen Christen eine zahlreiche Gesellschaft von "Heiligen"
aller Art zu dieser obersten Himmels-Regierung gesellt, und musi-
kalische Engel sorgen dafür, daß es im "ewigen Leben" an
Konzert-Genüssen nicht fehlt. Die römischen Päpste -- die größten

Chriſtlicher Monotheismus. XV.
alleinige Gott, der im erſten der zehn Gebote Moſis ausdrücklich
ſagt: „Ich bin der Herr Dein Gott, Du ſollſt nicht andere
Götter haben neben mir.“

Das Chriſtenthum. Der chriſtliche Monotheismus theilte
das Schickſal ſeiner Mutter, des Moſaismus, und blieb wahre
Eingötterei meiſtens nur theoretiſch im Princip, während er
praktiſch in die mannigfaltigſten Formen des Polytheismus ſich
verwandelte. Eigentlich war ja ſchon in der Trinitätslehre ſelbſt,
die doch als ein unentbehrliches Fundament der chriſtlichen Religion
gilt, der Monotheismus logiſcher Weiſe aufgegeben. Die drei
Perſonen
, die als Vater, Sohn und Heiliger Geiſt unter-
ſchieden werden, ſind und bleiben ebenſo drei verſchiedene In-
dividuen
(und zwar anthropomorphe Perſonen!) wie die drei
indiſchen Gottheiten der Trimurti (Brahma, Wiſchnu, Schiwa)
oder wie die Trinität der alten Hebräer (Anu, Bel, Ao). Dazu
kommt noch, daß in den weiteſtverbreiteten Abarten des Chriſtia-
nismus als vierte Gottheit die Jungfrau Maria, als unbefleckte
Mutter Chriſti, eine große Rolle ſpielt; in weiten katholiſchen
Kreiſen gilt ſie ſogar als viel wichtiger und einflußreicher wie
die drei männlichen Perſonen der Himmels-Regierung. Der
Madonnen-Kultus hat hier thatſächlich eine ſolche
Bedeutung gewonnen, daß man ihn als einen weiblichen
Monotheismus
der gewöhnlichen männlichen Form der Ein-
götterei gegenüber ſtellen kann. Die „hehre Himmelskönigin“
erſcheint hier ſo ſehr im Vordergrund aller Vorſtellungen (wie
es auch unzählige Madonnen-Bilder und Sagen bezeugen), daß
die drei männlichen Perſonen dagegen ganz zurücktreten.

Nun hat ſich aber außerdem ſchon frühzeitig in der Phantaſie
der gläubigen Chriſten eine zahlreiche Geſellſchaft von „Heiligen
aller Art zu dieſer oberſten Himmels-Regierung geſellt, und muſi-
kaliſche Engel ſorgen dafür, daß es im „ewigen Leben“ an
Konzert-Genüſſen nicht fehlt. Die römiſchen Päpſte — die größten

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[328/0344] Chriſtlicher Monotheismus. XV. alleinige Gott, der im erſten der zehn Gebote Moſis ausdrücklich ſagt: „Ich bin der Herr Dein Gott, Du ſollſt nicht andere Götter haben neben mir.“ Das Chriſtenthum. Der chriſtliche Monotheismus theilte das Schickſal ſeiner Mutter, des Moſaismus, und blieb wahre Eingötterei meiſtens nur theoretiſch im Princip, während er praktiſch in die mannigfaltigſten Formen des Polytheismus ſich verwandelte. Eigentlich war ja ſchon in der Trinitätslehre ſelbſt, die doch als ein unentbehrliches Fundament der chriſtlichen Religion gilt, der Monotheismus logiſcher Weiſe aufgegeben. Die drei Perſonen, die als Vater, Sohn und Heiliger Geiſt unter- ſchieden werden, ſind und bleiben ebenſo drei verſchiedene In- dividuen (und zwar anthropomorphe Perſonen!) wie die drei indiſchen Gottheiten der Trimurti (Brahma, Wiſchnu, Schiwa) oder wie die Trinität der alten Hebräer (Anu, Bel, Ao). Dazu kommt noch, daß in den weiteſtverbreiteten Abarten des Chriſtia- nismus als vierte Gottheit die Jungfrau Maria, als unbefleckte Mutter Chriſti, eine große Rolle ſpielt; in weiten katholiſchen Kreiſen gilt ſie ſogar als viel wichtiger und einflußreicher wie die drei männlichen Perſonen der Himmels-Regierung. Der Madonnen-Kultus hat hier thatſächlich eine ſolche Bedeutung gewonnen, daß man ihn als einen weiblichen Monotheismus der gewöhnlichen männlichen Form der Ein- götterei gegenüber ſtellen kann. Die „hehre Himmelskönigin“ erſcheint hier ſo ſehr im Vordergrund aller Vorſtellungen (wie es auch unzählige Madonnen-Bilder und Sagen bezeugen), daß die drei männlichen Perſonen dagegen ganz zurücktreten. Nun hat ſich aber außerdem ſchon frühzeitig in der Phantaſie der gläubigen Chriſten eine zahlreiche Geſellſchaft von „Heiligen“ aller Art zu dieſer oberſten Himmels-Regierung geſellt, und muſi- kaliſche Engel ſorgen dafür, daß es im „ewigen Leben“ an Konzert-Genüſſen nicht fehlt. Die römiſchen Päpſte — die größten

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/344>, abgerufen am 22.11.2024.