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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

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XVII. Papismus und Geschichtsfälschung.
welche diese traurigste Periode der menschlichen Geschichte
überall hinterlassen hat. Gebildete Katholiken, welche ehrlich
die Wahrheit suchen, können nicht genug auf das eigene Studium
dieser Quellen hingewiesen werden. Dies ist um so mehr zu
betonen, als auch gegenwärtig noch die ultramontane Literatur
einen gewaltigen Einfluß besitzt; das alte Kunststück, durch dreiste
Umkehrung der Thatsachen und Erfindung von Wundermärchen
das "gläubige Volk" zu bethören, wird auch heute noch von ihr
mit größtem Erfolge angewendet; wir erinnern nur an Lourdes
und an den "Heiligen Rock" von Trier (1890!). Wie weit
diese Entstellung der Wahrheit selbst in wissenschaftlichen Werken
geht, davon liefert ein auffälliges Beispiel der ultramontane
Professor der Geschichte Johannes Janssen in Frankfurt a. M.;
seine vielgelesenen Werke (besonders die "Geschichte des deutschen
Volkes seit dem Ausgang des Mittelalters", in zahlreichen Auf-
lagen erschienen) leisten das Unglaublichste an dreister
Geschichtsfälschung
*). Die Verlogenheit dieser jesuitischen
Fälschungen steht auf gleicher Stufe mit der Leichtgläubigkeit
und Kritiklosigkeit des einfältigen deutschen Volkes, das sie als
baare Münze annimmt.

Papismus und Wissenschaft. 16 Unter den historischen
Thatsachen, welche am einleuchtendsten die Verwerflichkeit der
ultramontanen Geistestyrannei beweisen, interessirt uns vor Allem
ihre energische und konsequente Bekämpfung der wahren Wissen-
schaft
als solcher. Diese war zwar schon von Anfang an
principiell im Christenthum dadurch bestimmt, daß dasselbe den
Glauben über die Vernunft stellte und die blinde Unterwerfung
der letzteren unter den ersteren forderte; nicht minder dadurch,
daß es das ganze Erdenleben nur als eine Vorbereitung für das
erdichtete "Jenseits" betrachtete, also auch der wissenschaftlichen

*) Lenz, Janssen's Geschichte des deutschen Volkes. München 1883.

XVII. Papismus und Geſchichtsfälſchung.
welche dieſe traurigſte Periode der menſchlichen Geſchichte
überall hinterlaſſen hat. Gebildete Katholiken, welche ehrlich
die Wahrheit ſuchen, können nicht genug auf das eigene Studium
dieſer Quellen hingewieſen werden. Dies iſt um ſo mehr zu
betonen, als auch gegenwärtig noch die ultramontane Literatur
einen gewaltigen Einfluß beſitzt; das alte Kunſtſtück, durch dreiſte
Umkehrung der Thatſachen und Erfindung von Wundermärchen
das „gläubige Volk“ zu bethören, wird auch heute noch von ihr
mit größtem Erfolge angewendet; wir erinnern nur an Lourdes
und an den „Heiligen Rock“ von Trier (1890!). Wie weit
dieſe Entſtellung der Wahrheit ſelbſt in wiſſenſchaftlichen Werken
geht, davon liefert ein auffälliges Beiſpiel der ultramontane
Profeſſor der Geſchichte Johannes Janſſen in Frankfurt a. M.;
ſeine vielgeleſenen Werke (beſonders die „Geſchichte des deutſchen
Volkes ſeit dem Ausgang des Mittelalters“, in zahlreichen Auf-
lagen erſchienen) leiſten das Unglaublichſte an dreiſter
Geſchichtsfälſchung
*). Die Verlogenheit dieſer jeſuitiſchen
Fälſchungen ſteht auf gleicher Stufe mit der Leichtgläubigkeit
und Kritikloſigkeit des einfältigen deutſchen Volkes, das ſie als
baare Münze annimmt.

Papismus und Wiſſenſchaft. 16 Unter den hiſtoriſchen
Thatſachen, welche am einleuchtendſten die Verwerflichkeit der
ultramontanen Geiſtestyrannei beweiſen, intereſſirt uns vor Allem
ihre energiſche und konſequente Bekämpfung der wahren Wiſſen-
ſchaft
als ſolcher. Dieſe war zwar ſchon von Anfang an
principiell im Chriſtenthum dadurch beſtimmt, daß dasſelbe den
Glauben über die Vernunft ſtellte und die blinde Unterwerfung
der letzteren unter den erſteren forderte; nicht minder dadurch,
daß es das ganze Erdenleben nur als eine Vorbereitung für das
erdichtete „Jenſeits“ betrachtete, alſo auch der wiſſenſchaftlichen

*) Lenz, Janſſen's Geſchichte des deutſchen Volkes. München 1883.
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[365/0381] XVII. Papismus und Geſchichtsfälſchung. welche dieſe traurigſte Periode der menſchlichen Geſchichte überall hinterlaſſen hat. Gebildete Katholiken, welche ehrlich die Wahrheit ſuchen, können nicht genug auf das eigene Studium dieſer Quellen hingewieſen werden. Dies iſt um ſo mehr zu betonen, als auch gegenwärtig noch die ultramontane Literatur einen gewaltigen Einfluß beſitzt; das alte Kunſtſtück, durch dreiſte Umkehrung der Thatſachen und Erfindung von Wundermärchen das „gläubige Volk“ zu bethören, wird auch heute noch von ihr mit größtem Erfolge angewendet; wir erinnern nur an Lourdes und an den „Heiligen Rock“ von Trier (1890!). Wie weit dieſe Entſtellung der Wahrheit ſelbſt in wiſſenſchaftlichen Werken geht, davon liefert ein auffälliges Beiſpiel der ultramontane Profeſſor der Geſchichte Johannes Janſſen in Frankfurt a. M.; ſeine vielgeleſenen Werke (beſonders die „Geſchichte des deutſchen Volkes ſeit dem Ausgang des Mittelalters“, in zahlreichen Auf- lagen erſchienen) leiſten das Unglaublichſte an dreiſter Geſchichtsfälſchung *). Die Verlogenheit dieſer jeſuitiſchen Fälſchungen ſteht auf gleicher Stufe mit der Leichtgläubigkeit und Kritikloſigkeit des einfältigen deutſchen Volkes, das ſie als baare Münze annimmt. Papismus und Wiſſenſchaft. ¹⁶ Unter den hiſtoriſchen Thatſachen, welche am einleuchtendſten die Verwerflichkeit der ultramontanen Geiſtestyrannei beweiſen, intereſſirt uns vor Allem ihre energiſche und konſequente Bekämpfung der wahren Wiſſen- ſchaft als ſolcher. Dieſe war zwar ſchon von Anfang an principiell im Chriſtenthum dadurch beſtimmt, daß dasſelbe den Glauben über die Vernunft ſtellte und die blinde Unterwerfung der letzteren unter den erſteren forderte; nicht minder dadurch, daß es das ganze Erdenleben nur als eine Vorbereitung für das erdichtete „Jenſeits“ betrachtete, alſo auch der wiſſenſchaftlichen *) Lenz, Janſſen's Geſchichte des deutſchen Volkes. München 1883.

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/381>, abgerufen am 29.11.2024.