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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

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Segnungen des Papismus. XVII.
gebracht"! Dabei war der Zustand der europäischen Gesellschaft
trotz Kirchenzucht und Gottesfurcht von der allerschlimmsten
Art. Feudalismus, Leibeigenschaft, Gottesgnadenthum und
Mönchthum beherrschten das Land, und die armen Heloten waren
froh, wenn sie ihre elenden Hütten im Machtbereiche der
Schlösser oder Klöster ihrer geistlichen und weltlichen Unter-
drücker und Ausbeuter errichten durften. Heutzutage noch leiden
wir unter den Nachwehen und Ueberbleibseln dieser traurigen
Zustände und Zeiten, in welchen von Pflege der Wissenschaft
und höherer Geistesbildung nur ausnahmsweise und im Ver-
borgenen die Rede sein konnte. Unwissenheit, Armuth und
Aberglaube vereinigten sich mit der entsittlichenden Wirkung
des im elften Jahrhundert eingeführten Cölibats, um die
absolute Papstmacht immer stärker werden zu lassen" (Büchner
a. a. O.). Man hat berechnet, daß während dieser Glanz-
periode des Papismus über zehn Millionen Menschen dem fana-
tischen Glaubenshaß der "christlichen Liebe" zum Opfer
fielen; und wie viel mehr Millionen betrugen die geheimen
Menschenopfer, welche das Cölibat, die Ohrenbeichte und
der Gewissenszwang erforderten, die gemeinschädlichsten und
fluchwürdigsten Institutionen des päpstlichen Absolutismus! Die
"ungläubigen" Philosophen, welche Beweise gegen das Dasein
Gottes sammelten, haben einen der stärksten Beweise dagegen
übersehen, die Thatsache, daß die römischen "Statthalter
Christi
" zwölf Jahrhunderte hindurch ungestraft die greulichsten
Verbrechen und Schandthaten "im Namen Gottes" ver-
üben durften!

III. Die Reformation. Die Geschichte der Kulturvölker,
welche wir "die Weltgeschichte" zu nennen belieben, läßt deren
dritten Hauptabschnitt, die "Neuzeit", mit der Reformation der
christlichen Kirche beginnen, ebenso wie den zweiten, das Mittel-
alter, mit der Gründung des Christenthums, und sie thut recht

Segnungen des Papismus. XVII.
gebracht“! Dabei war der Zuſtand der europäiſchen Geſellſchaft
trotz Kirchenzucht und Gottesfurcht von der allerſchlimmſten
Art. Feudalismus, Leibeigenſchaft, Gottesgnadenthum und
Mönchthum beherrſchten das Land, und die armen Heloten waren
froh, wenn ſie ihre elenden Hütten im Machtbereiche der
Schlöſſer oder Klöſter ihrer geiſtlichen und weltlichen Unter-
drücker und Ausbeuter errichten durften. Heutzutage noch leiden
wir unter den Nachwehen und Ueberbleibſeln dieſer traurigen
Zuſtände und Zeiten, in welchen von Pflege der Wiſſenſchaft
und höherer Geiſtesbildung nur ausnahmsweiſe und im Ver-
borgenen die Rede ſein konnte. Unwiſſenheit, Armuth und
Aberglaube vereinigten ſich mit der entſittlichenden Wirkung
des im elften Jahrhundert eingeführten Cölibats, um die
abſolute Papſtmacht immer ſtärker werden zu laſſen“ (Büchner
a. a. O.). Man hat berechnet, daß während dieſer Glanz-
periode des Papismus über zehn Millionen Menſchen dem fana-
tiſchen Glaubenshaß der „chriſtlichen Liebe“ zum Opfer
fielen; und wie viel mehr Millionen betrugen die geheimen
Menſchenopfer, welche das Cölibat, die Ohrenbeichte und
der Gewiſſenszwang erforderten, die gemeinſchädlichſten und
fluchwürdigſten Inſtitutionen des päpſtlichen Abſolutismus! Die
„ungläubigen“ Philoſophen, welche Beweiſe gegen das Daſein
Gottes ſammelten, haben einen der ſtärkſten Beweiſe dagegen
überſehen, die Thatſache, daß die römiſchen „Statthalter
Chriſti
“ zwölf Jahrhunderte hindurch ungeſtraft die greulichſten
Verbrechen und Schandthaten „im Namen Gotteſ“ ver-
üben durften!

III. Die Reformation. Die Geſchichte der Kulturvölker,
welche wir „die Weltgeſchichte“ zu nennen belieben, läßt deren
dritten Hauptabſchnitt, die „Neuzeit“, mit der Reformation der
chriſtlichen Kirche beginnen, ebenſo wie den zweiten, das Mittel-
alter, mit der Gründung des Chriſtenthums, und ſie thut recht

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[368/0384] Segnungen des Papismus. XVII. gebracht“! Dabei war der Zuſtand der europäiſchen Geſellſchaft trotz Kirchenzucht und Gottesfurcht von der allerſchlimmſten Art. Feudalismus, Leibeigenſchaft, Gottesgnadenthum und Mönchthum beherrſchten das Land, und die armen Heloten waren froh, wenn ſie ihre elenden Hütten im Machtbereiche der Schlöſſer oder Klöſter ihrer geiſtlichen und weltlichen Unter- drücker und Ausbeuter errichten durften. Heutzutage noch leiden wir unter den Nachwehen und Ueberbleibſeln dieſer traurigen Zuſtände und Zeiten, in welchen von Pflege der Wiſſenſchaft und höherer Geiſtesbildung nur ausnahmsweiſe und im Ver- borgenen die Rede ſein konnte. Unwiſſenheit, Armuth und Aberglaube vereinigten ſich mit der entſittlichenden Wirkung des im elften Jahrhundert eingeführten Cölibats, um die abſolute Papſtmacht immer ſtärker werden zu laſſen“ (Büchner a. a. O.). Man hat berechnet, daß während dieſer Glanz- periode des Papismus über zehn Millionen Menſchen dem fana- tiſchen Glaubenshaß der „chriſtlichen Liebe“ zum Opfer fielen; und wie viel mehr Millionen betrugen die geheimen Menſchenopfer, welche das Cölibat, die Ohrenbeichte und der Gewiſſenszwang erforderten, die gemeinſchädlichſten und fluchwürdigſten Inſtitutionen des päpſtlichen Abſolutismus! Die „ungläubigen“ Philoſophen, welche Beweiſe gegen das Daſein Gottes ſammelten, haben einen der ſtärkſten Beweiſe dagegen überſehen, die Thatſache, daß die römiſchen „Statthalter Chriſti“ zwölf Jahrhunderte hindurch ungeſtraft die greulichſten Verbrechen und Schandthaten „im Namen Gotteſ“ ver- üben durften! III. Die Reformation. Die Geſchichte der Kulturvölker, welche wir „die Weltgeſchichte“ zu nennen belieben, läßt deren dritten Hauptabſchnitt, die „Neuzeit“, mit der Reformation der chriſtlichen Kirche beginnen, ebenſo wie den zweiten, das Mittel- alter, mit der Gründung des Chriſtenthums, und ſie thut recht

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/384>, abgerufen am 28.11.2024.