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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

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XX. Fortschritte der Geologie.
letzteren hineinstürzt. Dabei ändern sich beständig langsam die
Umlaufs-Zeiten und die Bahnen der jagenden Weltkörper. Die
erkalteten Monde stürzen in ihre Planeten wie diese in ihre
Sonnen. Zwei entfernte Sonnen, vielleicht schon erstarrt, stoßen
mit ungeheurer Kraft auf einander und zerstäuben im nebelartige
Massen. Dabei entwickeln sie so kolossale Wärmemengen, daß der
Nebelfleck wieder glühend wird, und nun wiederholt sich das alte
Spiel von Neuem. In diesem Perpetuum mobile bleibt aber die
unendliche Substanz des Universum, die Summe ihrer Materie
und Energie ewig unverändert, und ewig wiederholt sich in der
unendlichen Zeit der periodische Wechsel der Welt-
bildung,
die in sich selbst zurücklaufende Metamorphose
des Kosmos
. Allgewaltig herrscht das Substanz-Gesetz.

II. Fortschritte der Geologie. Viel später als der
Himmel wurde die Erde und ihre Entstehung Gegenstand wissen-
schaftlicher Forschung. Die zahlreichen Kosmogenien alter und
neuer Zeit wollten zwar über die Entstehung der Erde ebenso
gut Auskunft geben wie über diejenige des Himmels; allein das
mythologische Gewand, in welches sie sich sämmtlich hüllten, ver-
rieth sofort ihren Ursprung aus der dichtenden Phantasie. Unter
all den zahlreichen Schöpfungssagen, von denen uns die
Religions- und Kultur-Geschichte Kunde giebt, gewann eine
einzige bald allen übrigen den Rang ab, die Schöpfungsgeschichte
des Moses, wie sie im ersten Buche des Pentateuch (Genesis)
erzählt wird. Sie entstand in der bekannten Fassung erst
lange nach dem Tode des Moses (wahrscheinlich erst 800 Jahre
später); ihre Quellen sind aber größtentheils viel älter und auf
assyrische, babylonische und indische Sagen zurückzuführen. Den
größten Einfluß gewann diese jüdische Schöpfungssage dadurch,
daß sie in das christliche Glaubensbekenntniß hinübergenommen
und als "Wort Gottes" geheiligt wurde. Zwar hatten schon
500 Jahre vor Christus die griechischen Naturphilosophen die

XX. Fortſchritte der Geologie.
letzteren hineinſtürzt. Dabei ändern ſich beſtändig langſam die
Umlaufs-Zeiten und die Bahnen der jagenden Weltkörper. Die
erkalteten Monde ſtürzen in ihre Planeten wie dieſe in ihre
Sonnen. Zwei entfernte Sonnen, vielleicht ſchon erſtarrt, ſtoßen
mit ungeheurer Kraft auf einander und zerſtäuben im nebelartige
Maſſen. Dabei entwickeln ſie ſo koloſſale Wärmemengen, daß der
Nebelfleck wieder glühend wird, und nun wiederholt ſich das alte
Spiel von Neuem. In dieſem Perpetuum mobile bleibt aber die
unendliche Subſtanz des Univerſum, die Summe ihrer Materie
und Energie ewig unverändert, und ewig wiederholt ſich in der
unendlichen Zeit der periodiſche Wechſel der Welt-
bildung,
die in ſich ſelbſt zurücklaufende Metamorphoſe
des Kosmos
. Allgewaltig herrſcht das Subſtanz-Geſetz.

II. Fortſchritte der Geologie. Viel ſpäter als der
Himmel wurde die Erde und ihre Entſtehung Gegenſtand wiſſen-
ſchaftlicher Forſchung. Die zahlreichen Kosmogenien alter und
neuer Zeit wollten zwar über die Entſtehung der Erde ebenſo
gut Auskunft geben wie über diejenige des Himmels; allein das
mythologiſche Gewand, in welches ſie ſich ſämmtlich hüllten, ver-
rieth ſofort ihren Urſprung aus der dichtenden Phantaſie. Unter
all den zahlreichen Schöpfungsſagen, von denen uns die
Religions- und Kultur-Geſchichte Kunde giebt, gewann eine
einzige bald allen übrigen den Rang ab, die Schöpfungsgeſchichte
des Moſes, wie ſie im erſten Buche des Pentateuch (Geneſiſ)
erzählt wird. Sie entſtand in der bekannten Faſſung erſt
lange nach dem Tode des Moſes (wahrſcheinlich erſt 800 Jahre
ſpäter); ihre Quellen ſind aber größtentheils viel älter und auf
aſſyriſche, babyloniſche und indiſche Sagen zurückzuführen. Den
größten Einfluß gewann dieſe jüdiſche Schöpfungsſage dadurch,
daß ſie in das chriſtliche Glaubensbekenntniß hinübergenommen
und als „Wort Gottes“ geheiligt wurde. Zwar hatten ſchon
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[431/0447] XX. Fortſchritte der Geologie. letzteren hineinſtürzt. Dabei ändern ſich beſtändig langſam die Umlaufs-Zeiten und die Bahnen der jagenden Weltkörper. Die erkalteten Monde ſtürzen in ihre Planeten wie dieſe in ihre Sonnen. Zwei entfernte Sonnen, vielleicht ſchon erſtarrt, ſtoßen mit ungeheurer Kraft auf einander und zerſtäuben im nebelartige Maſſen. Dabei entwickeln ſie ſo koloſſale Wärmemengen, daß der Nebelfleck wieder glühend wird, und nun wiederholt ſich das alte Spiel von Neuem. In dieſem Perpetuum mobile bleibt aber die unendliche Subſtanz des Univerſum, die Summe ihrer Materie und Energie ewig unverändert, und ewig wiederholt ſich in der unendlichen Zeit der periodiſche Wechſel der Welt- bildung, die in ſich ſelbſt zurücklaufende Metamorphoſe des Kosmos. Allgewaltig herrſcht das Subſtanz-Geſetz. II. Fortſchritte der Geologie. Viel ſpäter als der Himmel wurde die Erde und ihre Entſtehung Gegenſtand wiſſen- ſchaftlicher Forſchung. Die zahlreichen Kosmogenien alter und neuer Zeit wollten zwar über die Entſtehung der Erde ebenſo gut Auskunft geben wie über diejenige des Himmels; allein das mythologiſche Gewand, in welches ſie ſich ſämmtlich hüllten, ver- rieth ſofort ihren Urſprung aus der dichtenden Phantaſie. Unter all den zahlreichen Schöpfungsſagen, von denen uns die Religions- und Kultur-Geſchichte Kunde giebt, gewann eine einzige bald allen übrigen den Rang ab, die Schöpfungsgeſchichte des Moſes, wie ſie im erſten Buche des Pentateuch (Geneſiſ) erzählt wird. Sie entſtand in der bekannten Faſſung erſt lange nach dem Tode des Moſes (wahrſcheinlich erſt 800 Jahre ſpäter); ihre Quellen ſind aber größtentheils viel älter und auf aſſyriſche, babyloniſche und indiſche Sagen zurückzuführen. Den größten Einfluß gewann dieſe jüdiſche Schöpfungsſage dadurch, daß ſie in das chriſtliche Glaubensbekenntniß hinübergenommen und als „Wort Gottes“ geheiligt wurde. Zwar hatten ſchon 500 Jahre vor Chriſtus die griechiſchen Naturphiloſophen die

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/447>, abgerufen am 22.11.2024.