sehen. Auch entdeckte er zuerst, daß aus dieser kleinen Eizelle der Säugethiere sich zunächst eine charakteristische Keimblase ent- wickelte, eine Hohlkugel mit flüssigem Inhalt, deren Wand die dünne Keimhaut bildet (Blastoderma).
Eizelle und Samenzelle. Zehn Jahre nachdem Baer der Embryologie durch seine Keimblätter-Lehre eine feste Grund- lage gegeben, entstand für dieselbe eine neue wichtige Aufgabe durch die Begründung der Zellen-Theorie (1838). Wie verhalten sich das Ei der Thiere und die daraus entstehenden Keimblätter zu den Geweben und Zellen, welche den entwickelten Thierkörper zusammensetzen? Die richtige Beantwortung dieser inhaltschweren Frage gelang um die Mitte unseres Jahrhunderts zwei hervorragenden Schülern von Johannes Müller: Robert Remak in Berlin und Albert Kölliker in Würzburg. Sie wiesen nach, daß das Ei ursprünglich nichts Anderes als eine einfache Zelle ist, und daß auch die zahl- reichen Keimkörner oder "Furchungskugeln", welche durch wieder- holte Theilung daraus entstehen, einfache Zellen sind. Aus diesen "Furchungszellen" bauen sich zunächst die Keimblätter auf, und weiterhin durch Arbeitstheilung oder Differenzirung derselben die verschiedenen Organe. Kölliker erwarb sich dann fernerhin das große Verdienst, auch die schleimartige Samenflüssigkeit der männlichen Thiere als Anhäufung von mikroskopischen kleinen Zellen nachzuweisen. Die beweglichen stecknadelförmigen "Samen- thierchen" in derselben (Spermatozoa) sind nichts Anderes, als eigenthümliche "Geißelzellen", wie ich (1866) zuerst an den Samenfäden der Schwämme nachgewiesen habe. Damit war für beide wichtige Zeugungsstoffe der Thiere, das männliche Sperma und das weibliche Ei bewiesen, daß auch sie der Zellen- Theorie sich fügen: eine Entdeckung, deren hohe philosophische Bedeutung erst viel später, durch die genauere Erforschung der Befruchtungsvorgänge (1875), erkannt wurde.
Eizelle und Samenzelle. IV.
ſehen. Auch entdeckte er zuerſt, daß aus dieſer kleinen Eizelle der Säugethiere ſich zunächſt eine charakteriſtiſche Keimblaſe ent- wickelte, eine Hohlkugel mit flüſſigem Inhalt, deren Wand die dünne Keimhaut bildet (Blaſtoderma).
Eizelle und Samenzelle. Zehn Jahre nachdem Baer der Embryologie durch ſeine Keimblätter-Lehre eine feſte Grund- lage gegeben, entſtand für dieſelbe eine neue wichtige Aufgabe durch die Begründung der Zellen-Theorie (1838). Wie verhalten ſich das Ei der Thiere und die daraus entſtehenden Keimblätter zu den Geweben und Zellen, welche den entwickelten Thierkörper zuſammenſetzen? Die richtige Beantwortung dieſer inhaltſchweren Frage gelang um die Mitte unſeres Jahrhunderts zwei hervorragenden Schülern von Johannes Müller: Robert Remak in Berlin und Albert Kölliker in Würzburg. Sie wieſen nach, daß das Ei urſprünglich nichts Anderes als eine einfache Zelle iſt, und daß auch die zahl- reichen Keimkörner oder „Furchungskugeln“, welche durch wieder- holte Theilung daraus entſtehen, einfache Zellen ſind. Aus dieſen „Furchungszellen“ bauen ſich zunächſt die Keimblätter auf, und weiterhin durch Arbeitstheilung oder Differenzirung derſelben die verſchiedenen Organe. Kölliker erwarb ſich dann fernerhin das große Verdienſt, auch die ſchleimartige Samenflüſſigkeit der männlichen Thiere als Anhäufung von mikroſkopiſchen kleinen Zellen nachzuweiſen. Die beweglichen ſtecknadelförmigen „Samen- thierchen“ in derſelben (Spermatozoa) ſind nichts Anderes, als eigenthümliche „Geißelzellen“, wie ich (1866) zuerſt an den Samenfäden der Schwämme nachgewieſen habe. Damit war für beide wichtige Zeugungsſtoffe der Thiere, das männliche Sperma und das weibliche Ei bewieſen, daß auch ſie der Zellen- Theorie ſich fügen: eine Entdeckung, deren hohe philoſophiſche Bedeutung erſt viel ſpäter, durch die genauere Erforſchung der Befruchtungsvorgänge (1875), erkannt wurde.
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Eizelle und Samenzelle. IV.
ſehen. Auch entdeckte er zuerſt, daß aus dieſer kleinen Eizelle
der Säugethiere ſich zunächſt eine charakteriſtiſche Keimblaſe ent-
wickelte, eine Hohlkugel mit flüſſigem Inhalt, deren Wand
die dünne Keimhaut bildet (Blaſtoderma).
Eizelle und Samenzelle. Zehn Jahre nachdem Baer
der Embryologie durch ſeine Keimblätter-Lehre eine feſte Grund-
lage gegeben, entſtand für dieſelbe eine neue wichtige Aufgabe
durch die Begründung der Zellen-Theorie (1838). Wie
verhalten ſich das Ei der Thiere und die daraus entſtehenden
Keimblätter zu den Geweben und Zellen, welche den entwickelten
Thierkörper zuſammenſetzen? Die richtige Beantwortung dieſer
inhaltſchweren Frage gelang um die Mitte unſeres Jahrhunderts
zwei hervorragenden Schülern von Johannes Müller:
Robert Remak in Berlin und Albert Kölliker in
Würzburg. Sie wieſen nach, daß das Ei urſprünglich nichts
Anderes als eine einfache Zelle iſt, und daß auch die zahl-
reichen Keimkörner oder „Furchungskugeln“, welche durch wieder-
holte Theilung daraus entſtehen, einfache Zellen ſind. Aus dieſen
„Furchungszellen“ bauen ſich zunächſt die Keimblätter auf, und
weiterhin durch Arbeitstheilung oder Differenzirung derſelben die
verſchiedenen Organe. Kölliker erwarb ſich dann fernerhin
das große Verdienſt, auch die ſchleimartige Samenflüſſigkeit der
männlichen Thiere als Anhäufung von mikroſkopiſchen kleinen
Zellen nachzuweiſen. Die beweglichen ſtecknadelförmigen „Samen-
thierchen“ in derſelben (Spermatozoa) ſind nichts Anderes, als
eigenthümliche „Geißelzellen“, wie ich (1866) zuerſt an den
Samenfäden der Schwämme nachgewieſen habe. Damit war
für beide wichtige Zeugungsſtoffe der Thiere, das männliche
Sperma und das weibliche Ei bewieſen, daß auch ſie der Zellen-
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Bedeutung erſt viel ſpäter, durch die genauere Erforſchung der
Befruchtungsvorgänge (1875), erkannt wurde.
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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/84>, abgerufen am 27.11.2024.
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