Hagedorn, Friedrich von: Sammlung Neuer Oden und Lieder. Bd. 2. Hamburg, 1744.setzte er ihn vor seine Werke von der Sittenlehre. Anaxandrides hielt Dieser, wie er auch nun heisse, welcher dieses Lied erfand, Hat mit Recht die erste Stelle der Gesundheit zuerkannt. Aber, Schönheit! dir die andre, Reichthum! dir die dritte weih'n, Warlich, eine solche Theilung scheint mir ungereimt zu seyn. Nein! den Platz nach der Gesundheit, Güter! den verdienet ihr. Eine Schönheit, welche hungert, ist ein lächerliches Thier. Carcinus hatte eine Scolie auf die Freundschaft gemacht, die Greif die Schlange mit der Hand. Wahren Freunden sey List und Heucheley Gänzlich unbekannt. Casaubonus65 lieset anstatt dieser Worte, ergreife eine Schlan- Athenäus67 und Eustathius68 haben auch noch diese andere Sco- Möchten wir doch nur erkennen, Was ein jeder würklich ist! Könnten wir die Brust eröffnen, Und alsdenn ins Herze schaun, Und wenn wir hinein gesehn, Wiederum die Brust verschliessen, Und uns denn erst Freunde wählen, Die getreu und redlich sind! Unter die moralischen Scolien muß man noch die beyden zählen, Freund, ich bitte, hüte dich, Scorpionen schleichen sich Unter jeden Stein. Und 62 Athen. l. c. 63 Athen. l. XV. cap. 15. 64 Eustath. in 7. Odyss. pag. 1574. edit. Rom. 65 Casaub. animad. in Ath. l. XV. c. 15. 66 Eustath. l. c. 67 Athen. lib. XV. cap. 14. 68 Eustath. l. c. B 3
ſetzte er ihn vor ſeine Werke von der Sittenlehre. Anaxandrides hielt Dieſer, wie er auch nun heiſſe, welcher dieſes Lied erfand, Hat mit Recht die erſte Stelle der Geſundheit zuerkannt. Aber, Schoͤnheit! dir die andre, Reichthum! dir die dritte weih’n, Warlich, eine ſolche Theilung ſcheint mir ungereimt zu ſeyn. Nein! den Platz nach der Geſundheit, Guͤter! den verdienet ihr. Eine Schoͤnheit, welche hungert, iſt ein laͤcherliches Thier. Carcinus hatte eine Scolie auf die Freundſchaft gemacht, die Greif die Schlange mit der Hand. Wahren Freunden ſey Liſt und Heucheley Gaͤnzlich unbekannt. Caſaubonus65 lieſet anſtatt dieſer Worte, ergreife eine Schlan- Athenaͤus67 und Euſtathius68 haben auch noch dieſe andere Sco- Moͤchten wir doch nur erkennen, Was ein jeder wuͤrklich iſt! Koͤnnten wir die Bruſt eroͤffnen, Und alsdenn ins Herze ſchaun, Und wenn wir hinein geſehn, Wiederum die Bruſt verſchlieſſen, Und uns denn erſt Freunde waͤhlen, Die getreu und redlich ſind! Unter die moraliſchen Scolien muß man noch die beyden zaͤhlen, Freund, ich bitte, huͤte dich, Scorpionen ſchleichen ſich Unter jeden Stein. Und 62 Athen. l. c. 63 Athen. l. XV. cap. 15. 64 Euſtath. in 7. Odyſſ. pag. 1574. edit. Rom. 65 Caſaub. animad. in Ath. l. XV. c. 15. 66 Euſtath. l. c. 67 Athen. lib. XV. cap. 14. 68 Euſtath. l. c. B 3
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ſetzte er ihn vor ſeine Werke von der Sittenlehre. Anaxandrides hielt
von dieſer Scolie ſo viel nicht. Er ſagt beym Athenaͤns: 62
Dieſer, wie er auch nun heiſſe, welcher dieſes Lied erfand,
Hat mit Recht die erſte Stelle der Geſundheit zuerkannt.
Aber, Schoͤnheit! dir die andre, Reichthum! dir die dritte weih’n,
Warlich, eine ſolche Theilung ſcheint mir ungereimt zu ſeyn.
Nein! den Platz nach der Geſundheit, Guͤter! den verdienet ihr.
Eine Schoͤnheit, welche hungert, iſt ein laͤcherliches Thier.
Carcinus hatte eine Scolie auf die Freundſchaft gemacht, die
wir im Athenaͤus 63 und im Euſtathius finden: 64
Greif die Schlange mit der Hand.
Wahren Freunden ſey
Liſt und Heucheley
Gaͤnzlich unbekannt.
Caſaubonus 65 lieſet anſtatt dieſer Worte, ergreife eine Schlan-
ge mit der Hand, durch eine bloſſe Veraͤnderung des Accents, oͤffne die
Hand, wenn du eine Schlange ergriffen haſt, um dadurch, wie er ſagt,
anzudeuten, wie geſchwinde man ſchaͤdliche Freundſchaften brechen muͤſ-
ſe. Aber denn wuͤrde das andre Glied der Scolie mit dem erſten nicht
ſo gut zuſammen haͤngen. Ueberdem giebt auch Euſtathius 66 in der
Erklaͤrung dieſer Scolie ihr die erſte Bedeutung.
Athenaͤus 67 und Euſtathius 68 haben auch noch dieſe andere Sco-
lie von der Wahl der Freunde der Vergeſſenheit entriſſen.
Moͤchten wir doch nur erkennen,
Was ein jeder wuͤrklich iſt!
Koͤnnten wir die Bruſt eroͤffnen,
Und alsdenn ins Herze ſchaun,
Und wenn wir hinein geſehn,
Wiederum die Bruſt verſchlieſſen,
Und uns denn erſt Freunde waͤhlen,
Die getreu und redlich ſind!
Unter die moraliſchen Scolien muß man noch die beyden zaͤhlen,
die wir auch beym Athenaͤus leſen.
Freund, ich bitte, huͤte dich,
Scorpionen ſchleichen ſich
Unter jeden Stein.
Und
62 Athen. l. c.
63 Athen. l. XV. cap. 15.
64 Euſtath. in 7. Odyſſ. pag. 1574. edit.
Rom.
65 Caſaub. animad. in Ath. l. XV. c. 15.
66 Euſtath. l. c.
67 Athen. lib. XV. cap. 14.
68 Euſtath. l. c.
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