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Hagedorn, Friedrich von: Sammlung Neuer Oden und Lieder. Bd. 2. Hamburg, 1744.

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Zu meiner Zeit
Befliß man sich der Heimlichkeit.
Genoß der Jüngling ein Vergnügen,
So war er dankbar und verschwiegen:
Und itzt entdeckt ers ungescheut.
Die Regung mütterlicher Triebe,
Der Fürwitz und der Geist der Liebe
Fährt oftmals schon ins Flügel-Kleid.
O schlimme Zeit!
Zu meiner Zeit
Ward Pflicht und Ordnung nicht entweiht.
Der Mann ward, wie es sich gebühret,
Von einer lieben Frau regieret,
Trotz seiner stolzen Männlichkeit!
Die Fromme herrschte nur gelinder:
Uns blieb der Hut und ihm die Kinder.
Das war die Mode weit und breit.
O gute Zeit!
Zu meiner Zeit
War noch in Ehen Einigkeit.
Jtzt darf der Mann uns fast gebieten,
Uns widersprechen und uns hüten,
Wo man mit Freunden sich erfreut.
Mit dieser Neuerung im Lande,
Mit diesem Fluch im Ehestande
Hat ein Comet uns längst bedräut.
O schlimme Zeit!


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Zu meiner Zeit
Befliß man ſich der Heimlichkeit.
Genoß der Juͤngling ein Vergnuͤgen,
So war er dankbar und verſchwiegen:
Und itzt entdeckt ers ungeſcheut.
Die Regung muͤtterlicher Triebe,
Der Fuͤrwitz und der Geiſt der Liebe
Faͤhrt oftmals ſchon ins Fluͤgel-Kleid.
O ſchlimme Zeit!
Zu meiner Zeit
Ward Pflicht und Ordnung nicht entweiht.
Der Mann ward, wie es ſich gebuͤhret,
Von einer lieben Frau regieret,
Trotz ſeiner ſtolzen Maͤnnlichkeit!
Die Fromme herrſchte nur gelinder:
Uns blieb der Hut und ihm die Kinder.
Das war die Mode weit und breit.
O gute Zeit!
Zu meiner Zeit
War noch in Ehen Einigkeit.
Jtzt darf der Mann uns faſt gebieten,
Uns widerſprechen und uns huͤten,
Wo man mit Freunden ſich erfreut.
Mit dieſer Neuerung im Lande,
Mit dieſem Fluch im Eheſtande
Hat ein Comet uns laͤngſt bedraͤut.
O ſchlimme Zeit!


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</TEI>
[5/0055] Zu meiner Zeit Befliß man ſich der Heimlichkeit. Genoß der Juͤngling ein Vergnuͤgen, So war er dankbar und verſchwiegen: Und itzt entdeckt ers ungeſcheut. Die Regung muͤtterlicher Triebe, Der Fuͤrwitz und der Geiſt der Liebe Faͤhrt oftmals ſchon ins Fluͤgel-Kleid. O ſchlimme Zeit! Zu meiner Zeit Ward Pflicht und Ordnung nicht entweiht. Der Mann ward, wie es ſich gebuͤhret, Von einer lieben Frau regieret, Trotz ſeiner ſtolzen Maͤnnlichkeit! Die Fromme herrſchte nur gelinder: Uns blieb der Hut und ihm die Kinder. Das war die Mode weit und breit. O gute Zeit! Zu meiner Zeit War noch in Ehen Einigkeit. Jtzt darf der Mann uns faſt gebieten, Uns widerſprechen und uns huͤten, Wo man mit Freunden ſich erfreut. Mit dieſer Neuerung im Lande, Mit dieſem Fluch im Eheſtande Hat ein Comet uns laͤngſt bedraͤut. O ſchlimme Zeit! A 3

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Zitationshilfe: Hagedorn, Friedrich von: Sammlung Neuer Oden und Lieder. Bd. 2. Hamburg, 1744, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hagedorn_sammlung02_1744/55>, abgerufen am 22.12.2024.