Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hagenauer, Arnold: Muspilli. Linz u. a., 1900.

Bild:
<< vorherige Seite

Gerade als ich fertig geworden war, setzte die Orgel ein. Breite, qualmende Töne, die zäh und schwer wie flüssiges Blei an den Wänden niederströmten. Ein weiches Gefühl mystischer Verträumtheit hüllte mich ein und durchtränkte mich förmlich, es floß durch meine Adern und strömte zum Gehirn und von da in alle Nerven bis in ihre feinsten Endigungen. Die engen Wände rückten auseinander, das Schiff der Kirche verlängerte sich ins Endlose, fern in einem schwimmenden Glanz, von steigenden Nebeln umgeben, leuchtete der Hochaltar. Das Bild der Madonna löste sich aus seinem Rahmen und schwebte, einen langen Lichtstreif nach sich ziehend, lächelnd auf mich zu. Seltsame, langgezogene Laute schlugen an mein Ohr, wie weiche Hände legte sich's um Kopf und Nacken.

Ich sank in die Knie und ließ mein Haupt tief, tief auf meine Brust niedersinken. Dann hob ich es langsam empor und beugte es in den Nacken zurück, so daß einige Tropfen aus meinem noch feuchten Haar meinen Rücken hinunter rannen. Die Unterarme nach oben gebogen, breitete ich meine Handflächen aus, wie Christus auf den Bildern der italienischen Schule. Ich sah keine Wölbung, nur ein Blau von intensiver Helle und endloser Unergründlichkeit.

Gerade als ich fertig geworden war, setzte die Orgel ein. Breite, qualmende Töne, die zäh und schwer wie flüssiges Blei an den Wänden niederströmten. Ein weiches Gefühl mystischer Verträumtheit hüllte mich ein und durchtränkte mich förmlich, es floß durch meine Adern und strömte zum Gehirn und von da in alle Nerven bis in ihre feinsten Endigungen. Die engen Wände rückten auseinander, das Schiff der Kirche verlängerte sich ins Endlose, fern in einem schwimmenden Glanz, von steigenden Nebeln umgeben, leuchtete der Hochaltar. Das Bild der Madonna löste sich aus seinem Rahmen und schwebte, einen langen Lichtstreif nach sich ziehend, lächelnd auf mich zu. Seltsame, langgezogene Laute schlugen an mein Ohr, wie weiche Hände legte sich’s um Kopf und Nacken.

Ich sank in die Knie und ließ mein Haupt tief, tief auf meine Brust niedersinken. Dann hob ich es langsam empor und beugte es in den Nacken zurück, so daß einige Tropfen aus meinem noch feuchten Haar meinen Rücken hinunter rannen. Die Unterarme nach oben gebogen, breitete ich meine Handflächen aus, wie Christus auf den Bildern der italienischen Schule. Ich sah keine Wölbung, nur ein Blau von intensiver Helle und endloser Unergründlichkeit.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0130" n="132"/>
          <p>Gerade als ich fertig geworden war, setzte die Orgel ein. Breite, qualmende Töne, die zäh und schwer wie flüssiges Blei an den Wänden niederströmten. Ein weiches Gefühl mystischer Verträumtheit hüllte mich ein und durchtränkte mich förmlich, es floß durch meine Adern und strömte zum Gehirn und von da in alle Nerven bis in ihre feinsten Endigungen. Die engen Wände rückten auseinander, das Schiff der Kirche verlängerte sich ins Endlose, fern in einem schwimmenden Glanz, von steigenden Nebeln umgeben, leuchtete der Hochaltar. Das Bild der Madonna löste sich aus seinem Rahmen und schwebte, einen langen Lichtstreif nach sich ziehend, lächelnd auf mich zu. Seltsame, langgezogene Laute schlugen an mein Ohr, wie weiche Hände legte sich&#x2019;s um Kopf und Nacken.</p>
          <p>Ich sank in die Knie und ließ mein Haupt tief, tief auf meine Brust niedersinken. Dann hob ich es langsam empor und beugte es in den Nacken zurück, so daß einige Tropfen aus meinem noch feuchten Haar meinen Rücken hinunter rannen. Die Unterarme nach oben gebogen, breitete ich meine Handflächen aus, wie Christus auf den Bildern der italienischen Schule. Ich sah keine Wölbung, nur ein Blau von intensiver Helle und endloser Unergründlichkeit.
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[132/0130] Gerade als ich fertig geworden war, setzte die Orgel ein. Breite, qualmende Töne, die zäh und schwer wie flüssiges Blei an den Wänden niederströmten. Ein weiches Gefühl mystischer Verträumtheit hüllte mich ein und durchtränkte mich förmlich, es floß durch meine Adern und strömte zum Gehirn und von da in alle Nerven bis in ihre feinsten Endigungen. Die engen Wände rückten auseinander, das Schiff der Kirche verlängerte sich ins Endlose, fern in einem schwimmenden Glanz, von steigenden Nebeln umgeben, leuchtete der Hochaltar. Das Bild der Madonna löste sich aus seinem Rahmen und schwebte, einen langen Lichtstreif nach sich ziehend, lächelnd auf mich zu. Seltsame, langgezogene Laute schlugen an mein Ohr, wie weiche Hände legte sich’s um Kopf und Nacken. Ich sank in die Knie und ließ mein Haupt tief, tief auf meine Brust niedersinken. Dann hob ich es langsam empor und beugte es in den Nacken zurück, so daß einige Tropfen aus meinem noch feuchten Haar meinen Rücken hinunter rannen. Die Unterarme nach oben gebogen, breitete ich meine Handflächen aus, wie Christus auf den Bildern der italienischen Schule. Ich sah keine Wölbung, nur ein Blau von intensiver Helle und endloser Unergründlichkeit.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hagenauer_muspilli_1900
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hagenauer_muspilli_1900/130
Zitationshilfe: Hagenauer, Arnold: Muspilli. Linz u. a., 1900, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hagenauer_muspilli_1900/130>, abgerufen am 21.11.2024.