Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hagenauer, Arnold: Muspilli. Linz u. a., 1900.

Bild:
<< vorherige Seite

Schließlich kam's zu einem fürchterlichen Streit; nicht laut, lärmend, polternd, nein, fast flüsternd gesprochen flogen die Worte hinüber und herüber. Worte wie Gift.

Und plötzlich zischte er zwischen seinen stumpfen Zähnen ein Wort hervor, ein Wort, von dem er wußte, daß es mich tödtlich verletzte.

Armer Paralytiker!

Und nochmals zuckte er mit seinen etwas schiefen, zu hohen Schultern und sah mich mit blöd-boshaften Augen an, in deren Geglotz er etwas wie Mitleid, kennbar gemachtes Mitleid legen wollte. Und dasselbe impertinente Mitleid zitterte aus seiner wuthbebenden Stimme:

Armer Paralytiker!

Ich gab ihm keine Antwort, aber in meinen Fingerspitzen zuckte es. Ich hätte ihm so gerne die Kehle zugeschnürt, bis der letzte Athemzug pfeifend aus seiner phthysischen Brust entflohen wäre. Jetzt war ja noch Zeit, aber in ein paar Jahren, wer weiß! Und vor mir stand im Geiste der Arzt, ein stiller, ungefähr vierzigjähriger Mann mit energisch geschnittenen Denkerzügen, sein langes, tiefschwarzes Haar floß bis auf die Schultern und schimmerte in metallisch-bläulichem Glanz. Der Teint dieses

Schließlich kam’s zu einem fürchterlichen Streit; nicht laut, lärmend, polternd, nein, fast flüsternd gesprochen flogen die Worte hinüber und herüber. Worte wie Gift.

Und plötzlich zischte er zwischen seinen stumpfen Zähnen ein Wort hervor, ein Wort, von dem er wußte, daß es mich tödtlich verletzte.

Armer Paralytiker!

Und nochmals zuckte er mit seinen etwas schiefen, zu hohen Schultern und sah mich mit blöd-boshaften Augen an, in deren Geglotz er etwas wie Mitleid, kennbar gemachtes Mitleid legen wollte. Und dasselbe impertinente Mitleid zitterte aus seiner wuthbebenden Stimme:

Armer Paralytiker!

Ich gab ihm keine Antwort, aber in meinen Fingerspitzen zuckte es. Ich hätte ihm so gerne die Kehle zugeschnürt, bis der letzte Athemzug pfeifend aus seiner phthysischen Brust entflohen wäre. Jetzt war ja noch Zeit, aber in ein paar Jahren, wer weiß! Und vor mir stand im Geiste der Arzt, ein stiller, ungefähr vierzigjähriger Mann mit energisch geschnittenen Denkerzügen, sein langes, tiefschwarzes Haar floß bis auf die Schultern und schimmerte in metallisch–bläulichem Glanz. Der Teint dieses

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0044" n="46"/>
          <p>Schließlich kam&#x2019;s zu einem fürchterlichen Streit; nicht laut, lärmend, polternd, nein, fast flüsternd gesprochen flogen die Worte hinüber und herüber. Worte wie Gift.</p>
          <p>Und plötzlich zischte er zwischen seinen stumpfen Zähnen ein Wort hervor, ein Wort, von dem er wußte, daß es mich tödtlich verletzte.</p>
          <p>Armer Paralytiker!</p>
          <p>Und nochmals zuckte er mit seinen etwas schiefen, zu hohen Schultern und sah mich mit blöd-boshaften Augen an, in deren Geglotz er etwas wie Mitleid, kennbar gemachtes Mitleid legen wollte. Und dasselbe impertinente Mitleid zitterte aus seiner wuthbebenden Stimme:</p>
          <p>Armer Paralytiker!</p>
          <p>Ich gab ihm keine Antwort, aber in meinen Fingerspitzen zuckte es. Ich hätte ihm so gerne die Kehle zugeschnürt, bis der letzte Athemzug pfeifend aus seiner phthysischen Brust entflohen wäre. Jetzt war ja noch Zeit, aber in ein paar Jahren, wer weiß! Und vor mir stand im Geiste der Arzt, ein stiller, ungefähr vierzigjähriger Mann mit energisch geschnittenen Denkerzügen, sein langes, tiefschwarzes Haar floß bis auf die Schultern und schimmerte in metallisch&#x2013;bläulichem Glanz. Der Teint dieses
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0044] Schließlich kam’s zu einem fürchterlichen Streit; nicht laut, lärmend, polternd, nein, fast flüsternd gesprochen flogen die Worte hinüber und herüber. Worte wie Gift. Und plötzlich zischte er zwischen seinen stumpfen Zähnen ein Wort hervor, ein Wort, von dem er wußte, daß es mich tödtlich verletzte. Armer Paralytiker! Und nochmals zuckte er mit seinen etwas schiefen, zu hohen Schultern und sah mich mit blöd-boshaften Augen an, in deren Geglotz er etwas wie Mitleid, kennbar gemachtes Mitleid legen wollte. Und dasselbe impertinente Mitleid zitterte aus seiner wuthbebenden Stimme: Armer Paralytiker! Ich gab ihm keine Antwort, aber in meinen Fingerspitzen zuckte es. Ich hätte ihm so gerne die Kehle zugeschnürt, bis der letzte Athemzug pfeifend aus seiner phthysischen Brust entflohen wäre. Jetzt war ja noch Zeit, aber in ein paar Jahren, wer weiß! Und vor mir stand im Geiste der Arzt, ein stiller, ungefähr vierzigjähriger Mann mit energisch geschnittenen Denkerzügen, sein langes, tiefschwarzes Haar floß bis auf die Schultern und schimmerte in metallisch–bläulichem Glanz. Der Teint dieses

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hagenauer_muspilli_1900
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hagenauer_muspilli_1900/44
Zitationshilfe: Hagenauer, Arnold: Muspilli. Linz u. a., 1900, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hagenauer_muspilli_1900/44>, abgerufen am 21.11.2024.