Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hagenauer, Arnold: Muspilli. Linz u. a., 1900.

Bild:
<< vorherige Seite

Wieder schloß mir, wie schon so oft, der Ekel den Mund. Die tiefe Verachtung, welche ich vor diesem Menschen hegte, hatte es oft möglich gemacht, daß ich irgend eine Beleidigung seinerseits ertrug, welche mir niemals ein anderer ungestraft hätte zuschleudern dürfen. Aber diese durch ein Würgegefühl in der Kehle erkaufte Ruhe hielt nur einen Augenblick an, nur eine kurze, unberechenbar kurze Zeit, kaum eine Secunde. Mir war, als geriethe mein Körper in Vibration, meine Nerven guckten und krümmten sich, und ich fühlte diese Zuckungen und Krümmungen und feinsten Schwingungen wie einen stechenden, athembeklemmenden Schmerz. Ich mußte losbrechen, der Streit artete in kurzem zu einem widerlichen Schauspiele aus. Die Leidenschaften, auf ihre höchste Spitze getrieben, prallten gegeneinander. Der lang verhaltene, täglich geschürte Groll machte sich endlich Luft.

Fontana fühlte meinem ätzenden Hohne gegenüber, daß er der Schwächere sei. All der bitteren Ironie, die vor Ernst sein ganzes Lügengewebe zerriß und ihn in seiner jämmerlichen Nacktheit zeigte, all meiner grausamen Zergliederung seiner niedrigen psychischen Organisation gegenüber war er machtlos, fand er kein anderes Wort als eine Unflätigkeit,

Wieder schloß mir, wie schon so oft, der Ekel den Mund. Die tiefe Verachtung, welche ich vor diesem Menschen hegte, hatte es oft möglich gemacht, daß ich irgend eine Beleidigung seinerseits ertrug, welche mir niemals ein anderer ungestraft hätte zuschleudern dürfen. Aber diese durch ein Würgegefühl in der Kehle erkaufte Ruhe hielt nur einen Augenblick an, nur eine kurze, unberechenbar kurze Zeit, kaum eine Secunde. Mir war, als geriethe mein Körper in Vibration, meine Nerven guckten und krümmten sich, und ich fühlte diese Zuckungen und Krümmungen und feinsten Schwingungen wie einen stechenden, athembeklemmenden Schmerz. Ich mußte losbrechen, der Streit artete in kurzem zu einem widerlichen Schauspiele aus. Die Leidenschaften, auf ihre höchste Spitze getrieben, prallten gegeneinander. Der lang verhaltene, täglich geschürte Groll machte sich endlich Luft.

Fontana fühlte meinem ätzenden Hohne gegenüber, daß er der Schwächere sei. All der bitteren Ironie, die vor Ernst sein ganzes Lügengewebe zerriß und ihn in seiner jämmerlichen Nacktheit zeigte, all meiner grausamen Zergliederung seiner niedrigen psychischen Organisation gegenüber war er machtlos, fand er kein anderes Wort als eine Unflätigkeit,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0077" n="79"/>
Wieder schloß mir, wie schon so oft, der Ekel den Mund. Die tiefe Verachtung, welche ich vor diesem Menschen hegte, hatte es oft möglich gemacht, daß ich irgend eine Beleidigung seinerseits ertrug, welche mir niemals ein anderer ungestraft hätte zuschleudern dürfen. Aber diese durch ein Würgegefühl in der Kehle erkaufte Ruhe hielt nur einen Augenblick an, nur eine kurze, unberechenbar kurze Zeit, kaum eine Secunde. Mir war, als geriethe mein Körper in Vibration, meine Nerven guckten und krümmten sich, und ich fühlte diese Zuckungen und Krümmungen und feinsten Schwingungen wie einen stechenden, athembeklemmenden Schmerz. Ich mußte losbrechen, der Streit artete in kurzem zu einem widerlichen Schauspiele aus. Die Leidenschaften, auf ihre höchste Spitze getrieben, prallten gegeneinander. Der lang verhaltene, täglich geschürte Groll machte sich endlich Luft.</p>
          <p>Fontana fühlte meinem ätzenden Hohne gegenüber, daß er der Schwächere sei. All der bitteren Ironie, die vor Ernst sein ganzes Lügengewebe zerriß und ihn in seiner jämmerlichen Nacktheit zeigte, all meiner grausamen Zergliederung seiner niedrigen psychischen Organisation gegenüber war er machtlos, fand er kein anderes Wort als eine Unflätigkeit,
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[79/0077] Wieder schloß mir, wie schon so oft, der Ekel den Mund. Die tiefe Verachtung, welche ich vor diesem Menschen hegte, hatte es oft möglich gemacht, daß ich irgend eine Beleidigung seinerseits ertrug, welche mir niemals ein anderer ungestraft hätte zuschleudern dürfen. Aber diese durch ein Würgegefühl in der Kehle erkaufte Ruhe hielt nur einen Augenblick an, nur eine kurze, unberechenbar kurze Zeit, kaum eine Secunde. Mir war, als geriethe mein Körper in Vibration, meine Nerven guckten und krümmten sich, und ich fühlte diese Zuckungen und Krümmungen und feinsten Schwingungen wie einen stechenden, athembeklemmenden Schmerz. Ich mußte losbrechen, der Streit artete in kurzem zu einem widerlichen Schauspiele aus. Die Leidenschaften, auf ihre höchste Spitze getrieben, prallten gegeneinander. Der lang verhaltene, täglich geschürte Groll machte sich endlich Luft. Fontana fühlte meinem ätzenden Hohne gegenüber, daß er der Schwächere sei. All der bitteren Ironie, die vor Ernst sein ganzes Lügengewebe zerriß und ihn in seiner jämmerlichen Nacktheit zeigte, all meiner grausamen Zergliederung seiner niedrigen psychischen Organisation gegenüber war er machtlos, fand er kein anderes Wort als eine Unflätigkeit,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hagenauer_muspilli_1900
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hagenauer_muspilli_1900/77
Zitationshilfe: Hagenauer, Arnold: Muspilli. Linz u. a., 1900, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hagenauer_muspilli_1900/77>, abgerufen am 21.11.2024.