Hahn, Alban von: Der Verkehr in der Guten Gesellschaft. 2. Auflage. Leipzig, ca. 1898.
Person der Reihe nach servieren zu lassen und nicht nach der vorgeschriebenen Rangordnung. Befindet sich auf einer Schüssel, wenn sie zu einem kommt oder serviert wird, nur noch ganz wenig, so nehme man dieses ohne jedes Zagen, denn man muß voraussetzen, daß Vorsorge getroffen ist, daß noch mehr da ist, und darf überhaupt einen Rest seiner Nachbarin anzubieten nicht wagen. Die leere Platte behält man so lange in der Hand, bis sie von der Bedienung abgenommen wird. Glaubt man aber zu bemerken, wie es ja allerdings nicht vorkommen sollte, daß nichts weiter da ist, und daß das Wenige auf der Schüssel liegende noch für mehrere Personen reichen soll, so dankt man, zumal dies wohl nur beim zweitenmal Herumgeben stattfinden wird, entschieden und läßt das Gericht weiter gehen. Während des Herumreichens ein neues Gespräch anzufangen, ist nicht praktisch, schon deshalb, weil man dann leicht in die Lage kommen könnte über die gerade neben einem befindlichen Speisen weg mit seiner Nachbarin sprechen zu müssen, und das ist unpassend. Unpassend aber ist es auch, über die Speisen überhaupt zu sprechen; ein bescheidenes Lob allerdings wird der Hausfrau im Person der Reihe nach servieren zu lassen und nicht nach der vorgeschriebenen Rangordnung. Befindet sich auf einer Schüssel, wenn sie zu einem kommt oder serviert wird, nur noch ganz wenig, so nehme man dieses ohne jedes Zagen, denn man muß voraussetzen, daß Vorsorge getroffen ist, daß noch mehr da ist, und darf überhaupt einen Rest seiner Nachbarin anzubieten nicht wagen. Die leere Platte behält man so lange in der Hand, bis sie von der Bedienung abgenommen wird. Glaubt man aber zu bemerken, wie es ja allerdings nicht vorkommen sollte, daß nichts weiter da ist, und daß das Wenige auf der Schüssel liegende noch für mehrere Personen reichen soll, so dankt man, zumal dies wohl nur beim zweitenmal Herumgeben stattfinden wird, entschieden und läßt das Gericht weiter gehen. Während des Herumreichens ein neues Gespräch anzufangen, ist nicht praktisch, schon deshalb, weil man dann leicht in die Lage kommen könnte über die gerade neben einem befindlichen Speisen weg mit seiner Nachbarin sprechen zu müssen, und das ist unpassend. Unpassend aber ist es auch, über die Speisen überhaupt zu sprechen; ein bescheidenes Lob allerdings wird der Hausfrau im <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0118" n="108"/> Person der Reihe nach servieren zu lassen und nicht nach der vorgeschriebenen Rangordnung. Befindet sich auf einer Schüssel, wenn sie zu einem kommt oder serviert wird, nur noch ganz wenig, so nehme man dieses ohne jedes Zagen, denn man muß voraussetzen, daß Vorsorge getroffen ist, daß noch mehr da ist, und darf überhaupt einen Rest seiner Nachbarin anzubieten nicht wagen. Die leere Platte behält man so lange in der Hand, bis sie von der Bedienung abgenommen wird. Glaubt man aber zu bemerken, wie es ja allerdings nicht vorkommen sollte, daß nichts weiter da ist, und daß das Wenige auf der Schüssel liegende noch für mehrere Personen reichen soll, so dankt man, zumal dies wohl nur beim zweitenmal Herumgeben stattfinden wird, entschieden und läßt das Gericht weiter gehen. Während des Herumreichens ein neues Gespräch anzufangen, ist nicht praktisch, schon deshalb, weil man dann leicht in die Lage kommen könnte über die gerade neben einem befindlichen Speisen weg mit seiner Nachbarin sprechen zu müssen, und das ist unpassend. Unpassend aber ist es auch, über die Speisen überhaupt zu sprechen; ein bescheidenes Lob allerdings wird der Hausfrau im </p> </div> </body> </text> </TEI> [108/0118]
Person der Reihe nach servieren zu lassen und nicht nach der vorgeschriebenen Rangordnung. Befindet sich auf einer Schüssel, wenn sie zu einem kommt oder serviert wird, nur noch ganz wenig, so nehme man dieses ohne jedes Zagen, denn man muß voraussetzen, daß Vorsorge getroffen ist, daß noch mehr da ist, und darf überhaupt einen Rest seiner Nachbarin anzubieten nicht wagen. Die leere Platte behält man so lange in der Hand, bis sie von der Bedienung abgenommen wird. Glaubt man aber zu bemerken, wie es ja allerdings nicht vorkommen sollte, daß nichts weiter da ist, und daß das Wenige auf der Schüssel liegende noch für mehrere Personen reichen soll, so dankt man, zumal dies wohl nur beim zweitenmal Herumgeben stattfinden wird, entschieden und läßt das Gericht weiter gehen. Während des Herumreichens ein neues Gespräch anzufangen, ist nicht praktisch, schon deshalb, weil man dann leicht in die Lage kommen könnte über die gerade neben einem befindlichen Speisen weg mit seiner Nachbarin sprechen zu müssen, und das ist unpassend. Unpassend aber ist es auch, über die Speisen überhaupt zu sprechen; ein bescheidenes Lob allerdings wird der Hausfrau im
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
| URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/hahn_verkehr_1898 |
| URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/hahn_verkehr_1898/118 |
| Zitationshilfe: | Hahn, Alban von: Der Verkehr in der Guten Gesellschaft. 2. Auflage. Leipzig, ca. 1898, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hahn_verkehr_1898/118>, abgerufen am 11.12.2024. |
