unanständig und zeugt von ungebildeten Manieren. Man kann durch Schweigen in ebensowenig mißzuverstehender Weise seine Ansicht kundthun, als wenn man sich wie ein Straßenjunge im Theater oder Konzert benimmt. Wie der gebildete Mann seine Ansichten stets nur in diskreter Weise äußern und niemand aufdrängen soll, so muß er sich im Theater und Konzert immer in den durch den Anstand und den feinen Ton vorgezeichneten Linien bewegen. Freilich glauben heutzutage gerade junge Leute, ihre Gesinnungstüchtigkeit stets beweisen und zur Schau tragen zu müssen, und halten es womöglich für die größte Unterlassungssünde, irgend eine Kunstrichtung, eine Ansicht, die sie nicht teilen zu können - sich einbilden, über sich ergehen zu lassen, ohne dagegen zu protestieren; sie sollen sich aber doch einmal prüfen, ob sie stets und überall so gesinnungstüchtig sind und auch dann, wenn es gilt, ihre Ansichten durch mehr zu verfechten, als durch schüchternes Zischen, solange es niemand sieht, und an Orten, wo ihnen nichts geschehen kann; und ob es nicht viel öfter die Lust am "Krakehl" ist, die sie veranlaßt, sich unpassend zu benehmen, als ihre innere Überzeugung - wenn sie wirklich eine haben. Gewiß soll man stets bemüht
unanständig und zeugt von ungebildeten Manieren. Man kann durch Schweigen in ebensowenig mißzuverstehender Weise seine Ansicht kundthun, als wenn man sich wie ein Straßenjunge im Theater oder Konzert benimmt. Wie der gebildete Mann seine Ansichten stets nur in diskreter Weise äußern und niemand aufdrängen soll, so muß er sich im Theater und Konzert immer in den durch den Anstand und den feinen Ton vorgezeichneten Linien bewegen. Freilich glauben heutzutage gerade junge Leute, ihre Gesinnungstüchtigkeit stets beweisen und zur Schau tragen zu müssen, und halten es womöglich für die größte Unterlassungssünde, irgend eine Kunstrichtung, eine Ansicht, die sie nicht teilen zu können – sich einbilden, über sich ergehen zu lassen, ohne dagegen zu protestieren; sie sollen sich aber doch einmal prüfen, ob sie stets und überall so gesinnungstüchtig sind und auch dann, wenn es gilt, ihre Ansichten durch mehr zu verfechten, als durch schüchternes Zischen, solange es niemand sieht, und an Orten, wo ihnen nichts geschehen kann; und ob es nicht viel öfter die Lust am „Krakehl“ ist, die sie veranlaßt, sich unpassend zu benehmen, als ihre innere Überzeugung – wenn sie wirklich eine haben. Gewiß soll man stets bemüht
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0195"n="185"/>
unanständig und zeugt von ungebildeten Manieren. Man kann durch Schweigen in ebensowenig mißzuverstehender Weise seine Ansicht kundthun, als wenn man sich wie ein Straßenjunge im Theater oder Konzert benimmt. Wie der gebildete Mann seine Ansichten stets nur in diskreter Weise äußern und niemand aufdrängen soll, so muß er sich im Theater und Konzert immer in den durch den Anstand und den feinen Ton vorgezeichneten Linien bewegen. Freilich glauben heutzutage gerade junge Leute, ihre Gesinnungstüchtigkeit stets beweisen und zur Schau tragen zu müssen, und halten es womöglich für die größte Unterlassungssünde, irgend eine Kunstrichtung, eine Ansicht, die sie nicht teilen zu können – sich einbilden, über sich ergehen zu lassen, ohne dagegen zu protestieren; sie sollen sich aber doch einmal prüfen, ob sie stets und überall so gesinnungstüchtig sind und auch dann, wenn es gilt, ihre Ansichten durch mehr zu verfechten, als durch schüchternes Zischen, solange es niemand sieht, und an Orten, wo ihnen nichts geschehen kann; und ob es nicht viel öfter die Lust am „Krakehl“ ist, die sie veranlaßt, sich unpassend zu benehmen, als ihre innere Überzeugung – wenn sie wirklich eine haben. Gewiß soll man stets bemüht
</p></div></body></text></TEI>
[185/0195]
unanständig und zeugt von ungebildeten Manieren. Man kann durch Schweigen in ebensowenig mißzuverstehender Weise seine Ansicht kundthun, als wenn man sich wie ein Straßenjunge im Theater oder Konzert benimmt. Wie der gebildete Mann seine Ansichten stets nur in diskreter Weise äußern und niemand aufdrängen soll, so muß er sich im Theater und Konzert immer in den durch den Anstand und den feinen Ton vorgezeichneten Linien bewegen. Freilich glauben heutzutage gerade junge Leute, ihre Gesinnungstüchtigkeit stets beweisen und zur Schau tragen zu müssen, und halten es womöglich für die größte Unterlassungssünde, irgend eine Kunstrichtung, eine Ansicht, die sie nicht teilen zu können – sich einbilden, über sich ergehen zu lassen, ohne dagegen zu protestieren; sie sollen sich aber doch einmal prüfen, ob sie stets und überall so gesinnungstüchtig sind und auch dann, wenn es gilt, ihre Ansichten durch mehr zu verfechten, als durch schüchternes Zischen, solange es niemand sieht, und an Orten, wo ihnen nichts geschehen kann; und ob es nicht viel öfter die Lust am „Krakehl“ ist, die sie veranlaßt, sich unpassend zu benehmen, als ihre innere Überzeugung – wenn sie wirklich eine haben. Gewiß soll man stets bemüht
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2013-03-19T14:09:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-03-19T14:09:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-03-19T14:09:31Z)
Hahn, Alban von: Der Verkehr in der Guten Gesellschaft. 2. Auflage. Leipzig, ca. 1898, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hahn_verkehr_1898/195>, abgerufen am 23.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.