Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hahn, Alban von: Der Verkehr in der Guten Gesellschaft. 2. Auflage. Leipzig, ca. 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht bieten lassen will, ausgeschlossen werden. Wird man aufgefordert, seine Ansicht zu äußern, so thue man dies in bescheidener Weise, und hat man überhaupt keine eigne Ansicht, so ist dies durchaus keine Schande, nur gebe man es einfach zu; dadurch wird man sich nicht lächerlich machen, wohl aber, wenn man irgend eine Kritik oder eine Folgerung, die man einer Zeitung oder dem Konversationslexikon entnommen hat, als aus seinem eignen Verstand entsprungen vorbringt. Man lasse sich aber auch durch das Urteil andrer nicht imponieren, wenn man es nicht teilen oder billigen kann, und prüfe stets bei sich, ob jener, der seine Meinung so unumstößlich hinstellt, nicht vielleicht selbst in den eben gerügten Fehler verfallen ist und sich mit fremden Federn geschmückt hat, die gar nicht zu seinem sonstigen Wesen passen. Weiß man aber etwas Näheres, vielleicht über den Verfasser des Stückes, den Komponisten der betreffenden Oper, den Maler, den Bildhauer, deren Werke gerade das herrschende Thema in der Unterhaltung der Gesellschaft bilden, so halte man damit nicht hinter dem Berg. Ja, man kann sich geradezu vorher darüber unterrichten, nur muß man dann beim Gespräch auch gleich die Quelle mitteilen, aus der man geschöpft hat. Es würde

nicht bieten lassen will, ausgeschlossen werden. Wird man aufgefordert, seine Ansicht zu äußern, so thue man dies in bescheidener Weise, und hat man überhaupt keine eigne Ansicht, so ist dies durchaus keine Schande, nur gebe man es einfach zu; dadurch wird man sich nicht lächerlich machen, wohl aber, wenn man irgend eine Kritik oder eine Folgerung, die man einer Zeitung oder dem Konversationslexikon entnommen hat, als aus seinem eignen Verstand entsprungen vorbringt. Man lasse sich aber auch durch das Urteil andrer nicht imponieren, wenn man es nicht teilen oder billigen kann, und prüfe stets bei sich, ob jener, der seine Meinung so unumstößlich hinstellt, nicht vielleicht selbst in den eben gerügten Fehler verfallen ist und sich mit fremden Federn geschmückt hat, die gar nicht zu seinem sonstigen Wesen passen. Weiß man aber etwas Näheres, vielleicht über den Verfasser des Stückes, den Komponisten der betreffenden Oper, den Maler, den Bildhauer, deren Werke gerade das herrschende Thema in der Unterhaltung der Gesellschaft bilden, so halte man damit nicht hinter dem Berg. Ja, man kann sich geradezu vorher darüber unterrichten, nur muß man dann beim Gespräch auch gleich die Quelle mitteilen, aus der man geschöpft hat. Es würde

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0197" n="187"/>
nicht bieten lassen will, ausgeschlossen werden. Wird man aufgefordert, seine Ansicht zu äußern, so thue man dies in bescheidener Weise, und hat man überhaupt keine eigne Ansicht, so ist dies durchaus keine Schande, nur gebe man es einfach zu; dadurch wird man sich nicht lächerlich machen, wohl aber, wenn man irgend eine Kritik oder eine Folgerung, die man einer Zeitung oder dem Konversationslexikon entnommen hat, als aus seinem eignen Verstand entsprungen vorbringt. Man lasse sich aber auch durch das Urteil andrer nicht imponieren, wenn man es nicht teilen oder billigen kann, und prüfe stets bei sich, ob jener, der seine Meinung so unumstößlich hinstellt, nicht vielleicht selbst in den eben gerügten Fehler verfallen ist und sich mit fremden Federn geschmückt hat, die gar nicht zu seinem sonstigen Wesen passen. Weiß man aber etwas Näheres, vielleicht über den Verfasser des Stückes, den Komponisten der betreffenden Oper, den Maler, den Bildhauer, deren Werke gerade das herrschende Thema in der Unterhaltung der Gesellschaft bilden, so halte man damit nicht hinter dem Berg. Ja, man kann sich geradezu vorher darüber unterrichten, nur muß man dann beim Gespräch auch gleich die Quelle mitteilen, aus der man geschöpft hat. Es würde
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[187/0197] nicht bieten lassen will, ausgeschlossen werden. Wird man aufgefordert, seine Ansicht zu äußern, so thue man dies in bescheidener Weise, und hat man überhaupt keine eigne Ansicht, so ist dies durchaus keine Schande, nur gebe man es einfach zu; dadurch wird man sich nicht lächerlich machen, wohl aber, wenn man irgend eine Kritik oder eine Folgerung, die man einer Zeitung oder dem Konversationslexikon entnommen hat, als aus seinem eignen Verstand entsprungen vorbringt. Man lasse sich aber auch durch das Urteil andrer nicht imponieren, wenn man es nicht teilen oder billigen kann, und prüfe stets bei sich, ob jener, der seine Meinung so unumstößlich hinstellt, nicht vielleicht selbst in den eben gerügten Fehler verfallen ist und sich mit fremden Federn geschmückt hat, die gar nicht zu seinem sonstigen Wesen passen. Weiß man aber etwas Näheres, vielleicht über den Verfasser des Stückes, den Komponisten der betreffenden Oper, den Maler, den Bildhauer, deren Werke gerade das herrschende Thema in der Unterhaltung der Gesellschaft bilden, so halte man damit nicht hinter dem Berg. Ja, man kann sich geradezu vorher darüber unterrichten, nur muß man dann beim Gespräch auch gleich die Quelle mitteilen, aus der man geschöpft hat. Es würde

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-03-19T14:09:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-03-19T14:09:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-03-19T14:09:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hahn_verkehr_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hahn_verkehr_1898/197
Zitationshilfe: Hahn, Alban von: Der Verkehr in der Guten Gesellschaft. 2. Auflage. Leipzig, ca. 1898, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hahn_verkehr_1898/197>, abgerufen am 15.05.2024.