Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Schlözer, August Ludwig von]: Neuverändertes Rußland oder Leben Catharinä der Zweyten Kayserinn von Rußland. Bd. 2. Riga u. a., 1772.

Bild:
<< vorherige Seite

Erziehungs-Plan.
man vorher seine Neigung und eignen Trieb
erforsche, und ihm selbst die freie Wahl sei-
ner Bestimmung überlasse. Seine natürli-
chen Neigungen müssen hier alle übrige Be-
trachtungen überwiegen; denn man weiß
aus langer Erfarung, daß niemand in einer
Sache weit kommt, auf die man sich ge-
zwungen und nicht aus freiem Willen legt.

Noch ist bei dergleichen Erziehungsschu-
len eine andre eben so wichtige Anmerkung
zu machen: man muß darinnen alles in acht
nemen, was das Leben und die Gesundheit
der Kinder interessiren, und ihnen eine dauer-
hafte Constitution geben kan. Dem zufolge
muß das Schulgebäude eine reine Luft ha-
ben; es darf nicht das geringste Kupferge-
schirr gebraucht werden; den Kindern müs-
sen allerhand unschuldige Spiele und Ergö-
tzungen verstattet werden, damit sie solcher-
gestalt immer munter bleiben; alles aber
muß daraus verbannt seyn, was nur irgend
den Schein eines mürrischen, melancholi-
schen, und niedergeschlagenen Wesens hat.
Diese Regel darf nie vergessen werden.

Von
G 4

Erziehungs-Plan.
man vorher ſeine Neigung und eignen Trieb
erforſche, und ihm ſelbſt die freie Wahl ſei-
ner Beſtimmung uͤberlaſſe. Seine natuͤrli-
chen Neigungen muͤſſen hier alle uͤbrige Be-
trachtungen uͤberwiegen; denn man weiß
aus langer Erfarung, daß niemand in einer
Sache weit kommt, auf die man ſich ge-
zwungen und nicht aus freiem Willen legt.

Noch iſt bei dergleichen Erziehungsſchu-
len eine andre eben ſo wichtige Anmerkung
zu machen: man muß darinnen alles in acht
nemen, was das Leben und die Geſundheit
der Kinder intereſſiren, und ihnen eine dauer-
hafte Conſtitution geben kan. Dem zufolge
muß das Schulgebaͤude eine reine Luft ha-
ben; es darf nicht das geringſte Kupferge-
ſchirr gebraucht werden; den Kindern muͤſ-
ſen allerhand unſchuldige Spiele und Ergoͤ-
tzungen verſtattet werden, damit ſie ſolcher-
geſtalt immer munter bleiben; alles aber
muß daraus verbannt ſeyn, was nur irgend
den Schein eines muͤrriſchen, melancholi-
ſchen, und niedergeſchlagenen Weſens hat.
Dieſe Regel darf nie vergeſſen werden.

Von
G 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0123" n="103"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Erziehungs-Plan.</hi></fw><lb/>
man vorher &#x017F;eine Neigung und eignen Trieb<lb/>
erfor&#x017F;che, und ihm &#x017F;elb&#x017F;t die freie Wahl &#x017F;ei-<lb/>
ner Be&#x017F;timmung u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;e. Seine natu&#x0364;rli-<lb/>
chen Neigungen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en hier alle u&#x0364;brige Be-<lb/>
trachtungen u&#x0364;berwiegen; denn man weiß<lb/>
aus langer Erfarung, daß niemand in einer<lb/>
Sache weit kommt, auf die man &#x017F;ich ge-<lb/>
zwungen und nicht aus freiem Willen legt.</p><lb/>
          <p>Noch i&#x017F;t bei dergleichen Erziehungs&#x017F;chu-<lb/>
len eine andre eben &#x017F;o wichtige Anmerkung<lb/>
zu machen: man muß darinnen alles in acht<lb/>
nemen, was das Leben und die <hi rendition="#fr">Ge&#x017F;undheit</hi><lb/>
der Kinder intere&#x017F;&#x017F;iren, und ihnen eine dauer-<lb/>
hafte Con&#x017F;titution geben kan. Dem zufolge<lb/>
muß das Schulgeba&#x0364;ude eine reine Luft ha-<lb/>
ben; es darf nicht das gering&#x017F;te Kupferge-<lb/>
&#x017F;chirr gebraucht werden; den Kindern mu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en allerhand un&#x017F;chuldige Spiele und Ergo&#x0364;-<lb/>
tzungen ver&#x017F;tattet werden, damit &#x017F;ie &#x017F;olcher-<lb/>
ge&#x017F;talt immer <hi rendition="#fr">munter</hi> bleiben; alles aber<lb/>
muß daraus verbannt &#x017F;eyn, was nur irgend<lb/>
den Schein eines mu&#x0364;rri&#x017F;chen, melancholi-<lb/>
&#x017F;chen, und niederge&#x017F;chlagenen We&#x017F;ens hat.<lb/>
Die&#x017F;e Regel darf nie verge&#x017F;&#x017F;en werden.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">G 4</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Von</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[103/0123] Erziehungs-Plan. man vorher ſeine Neigung und eignen Trieb erforſche, und ihm ſelbſt die freie Wahl ſei- ner Beſtimmung uͤberlaſſe. Seine natuͤrli- chen Neigungen muͤſſen hier alle uͤbrige Be- trachtungen uͤberwiegen; denn man weiß aus langer Erfarung, daß niemand in einer Sache weit kommt, auf die man ſich ge- zwungen und nicht aus freiem Willen legt. Noch iſt bei dergleichen Erziehungsſchu- len eine andre eben ſo wichtige Anmerkung zu machen: man muß darinnen alles in acht nemen, was das Leben und die Geſundheit der Kinder intereſſiren, und ihnen eine dauer- hafte Conſtitution geben kan. Dem zufolge muß das Schulgebaͤude eine reine Luft ha- ben; es darf nicht das geringſte Kupferge- ſchirr gebraucht werden; den Kindern muͤſ- ſen allerhand unſchuldige Spiele und Ergoͤ- tzungen verſtattet werden, damit ſie ſolcher- geſtalt immer munter bleiben; alles aber muß daraus verbannt ſeyn, was nur irgend den Schein eines muͤrriſchen, melancholi- ſchen, und niedergeſchlagenen Weſens hat. Dieſe Regel darf nie vergeſſen werden. Von G 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haigold_russland02_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haigold_russland02_1772/123
Zitationshilfe: [Schlözer, August Ludwig von]: Neuverändertes Rußland oder Leben Catharinä der Zweyten Kayserinn von Rußland. Bd. 2. Riga u. a., 1772, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haigold_russland02_1772/123>, abgerufen am 15.05.2024.