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[Schlözer, August Ludwig von]: Neuverändertes Rußland oder Leben Catharinä der Zweyten Kayserinn von Rußland. Bd. 2. Riga u. a., 1772.

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Erziehungs-Plan.
man vorher seine Neigung und eignen Trieb
erforsche, und ihm selbst die freie Wahl sei-
ner Bestimmung überlasse. Seine natürli-
chen Neigungen müssen hier alle übrige Be-
trachtungen überwiegen; denn man weiß
aus langer Erfarung, daß niemand in einer
Sache weit kommt, auf die man sich ge-
zwungen und nicht aus freiem Willen legt.

Noch ist bei dergleichen Erziehungsschu-
len eine andre eben so wichtige Anmerkung
zu machen: man muß darinnen alles in acht
nemen, was das Leben und die Gesundheit
der Kinder interessiren, und ihnen eine dauer-
hafte Constitution geben kan. Dem zufolge
muß das Schulgebäude eine reine Luft ha-
ben; es darf nicht das geringste Kupferge-
schirr gebraucht werden; den Kindern müs-
sen allerhand unschuldige Spiele und Ergö-
tzungen verstattet werden, damit sie solcher-
gestalt immer munter bleiben; alles aber
muß daraus verbannt seyn, was nur irgend
den Schein eines mürrischen, melancholi-
schen, und niedergeschlagenen Wesens hat.
Diese Regel darf nie vergessen werden.

Von
G 4

Erziehungs-Plan.
man vorher ſeine Neigung und eignen Trieb
erforſche, und ihm ſelbſt die freie Wahl ſei-
ner Beſtimmung uͤberlaſſe. Seine natuͤrli-
chen Neigungen muͤſſen hier alle uͤbrige Be-
trachtungen uͤberwiegen; denn man weiß
aus langer Erfarung, daß niemand in einer
Sache weit kommt, auf die man ſich ge-
zwungen und nicht aus freiem Willen legt.

Noch iſt bei dergleichen Erziehungsſchu-
len eine andre eben ſo wichtige Anmerkung
zu machen: man muß darinnen alles in acht
nemen, was das Leben und die Geſundheit
der Kinder intereſſiren, und ihnen eine dauer-
hafte Conſtitution geben kan. Dem zufolge
muß das Schulgebaͤude eine reine Luft ha-
ben; es darf nicht das geringſte Kupferge-
ſchirr gebraucht werden; den Kindern muͤſ-
ſen allerhand unſchuldige Spiele und Ergoͤ-
tzungen verſtattet werden, damit ſie ſolcher-
geſtalt immer munter bleiben; alles aber
muß daraus verbannt ſeyn, was nur irgend
den Schein eines muͤrriſchen, melancholi-
ſchen, und niedergeſchlagenen Weſens hat.
Dieſe Regel darf nie vergeſſen werden.

Von
G 4
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[103/0123] Erziehungs-Plan. man vorher ſeine Neigung und eignen Trieb erforſche, und ihm ſelbſt die freie Wahl ſei- ner Beſtimmung uͤberlaſſe. Seine natuͤrli- chen Neigungen muͤſſen hier alle uͤbrige Be- trachtungen uͤberwiegen; denn man weiß aus langer Erfarung, daß niemand in einer Sache weit kommt, auf die man ſich ge- zwungen und nicht aus freiem Willen legt. Noch iſt bei dergleichen Erziehungsſchu- len eine andre eben ſo wichtige Anmerkung zu machen: man muß darinnen alles in acht nemen, was das Leben und die Geſundheit der Kinder intereſſiren, und ihnen eine dauer- hafte Conſtitution geben kan. Dem zufolge muß das Schulgebaͤude eine reine Luft ha- ben; es darf nicht das geringſte Kupferge- ſchirr gebraucht werden; den Kindern muͤſ- ſen allerhand unſchuldige Spiele und Ergoͤ- tzungen verſtattet werden, damit ſie ſolcher- geſtalt immer munter bleiben; alles aber muß daraus verbannt ſeyn, was nur irgend den Schein eines muͤrriſchen, melancholi- ſchen, und niedergeſchlagenen Weſens hat. Dieſe Regel darf nie vergeſſen werden. Von G 4

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Zitationshilfe: [Schlözer, August Ludwig von]: Neuverändertes Rußland oder Leben Catharinä der Zweyten Kayserinn von Rußland. Bd. 2. Riga u. a., 1772, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haigold_russland02_1772/123>, abgerufen am 23.11.2024.