Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762.Fünftes Buch. Das Blut. viererlei Säfte angenommen, die sich nach den Elemen-ten richten sollten. Wenn also die Aerzte die Absonde- rung des Blutes in verschiedne Flüßigkeiten betrachteten, die im Körper von freien Stükken, ohne den Beistand der Elemente, vor sich geht, so nannten sie dasjenige Wasser, welches auf dem Blutkuchen oben aufschwimmt, welches wir Salzwasser genennt haben, und von welchem sie in allem Ernste behaupteten, daß es in seinem beson- dern Behältnisse eingeschlossen schärfer würde, und den Namen einer Galle verdiene, dieses Salzwasser nannten sie, von der gelben Farbe, die Blutgalle. Blut hies bei ihnen, was sich mit seiner Röte offenbaret, und wir haben dieses das Rote im Blute (cruor) genannt. Das Wasser, welches in der That der Hauptstoff im Blute, und in den andern Säften eines belebten Körpers ist, be- zeichneten sie unter dem Namen des Phlegma. Damit nun auch der vierte Saft, der unter den Elementen mit der Erde übereinstimmig wäre, seine Stelle finden möchte, so ordneten sie die schwarze Galle mit unter die vor- nemste Blutstoffe, d. i. diesen trauerfarbigen Bodensaz des Blutes, der sich im Gefässe niedersenkt, worinnen man Blut aufbehält; und sie sahen auch, daß Kranke zuweilen dergleichen Materie durchs Erbrechen von sich gaben; so wie einige der neuern Aerzte diesen Namen für tüchtig finden, dasjenige Blut damit auszudrükken, wel- ches in den Gefässen des menschlichen Körpers lange Zeit stille gestanden hat (b). Auf diese Theorie baueten sie beinahe ihre ganze Krankheitslehre und Heilungswissen- schaft auf, und sie versicherten uns, daß einige Arzenei- mittel die gelbe Galle, andre die schwarze herausschaff- ten; und daß es auch welche gebe, die insonderheit das Phlegma ausführten. Nun versicherten sie, daß aus diesen viererlei Säf- Ver- (b) senac T. II. S. 266.
Fuͤnftes Buch. Das Blut. viererlei Saͤfte angenommen, die ſich nach den Elemen-ten richten ſollten. Wenn alſo die Aerzte die Abſonde- rung des Blutes in verſchiedne Fluͤßigkeiten betrachteten, die im Koͤrper von freien Stuͤkken, ohne den Beiſtand der Elemente, vor ſich geht, ſo nannten ſie dasjenige Waſſer, welches auf dem Blutkuchen oben aufſchwimmt, welches wir Salzwaſſer genennt haben, und von welchem ſie in allem Ernſte behaupteten, daß es in ſeinem beſon- dern Behaͤltniſſe eingeſchloſſen ſchaͤrfer wuͤrde, und den Namen einer Galle verdiene, dieſes Salzwaſſer nannten ſie, von der gelben Farbe, die Blutgalle. Blut hies bei ihnen, was ſich mit ſeiner Roͤte offenbaret, und wir haben dieſes das Rote im Blute (cruor) genannt. Das Waſſer, welches in der That der Hauptſtoff im Blute, und in den andern Saͤften eines belebten Koͤrpers iſt, be- zeichneten ſie unter dem Namen des Phlegma. Damit nun auch der vierte Saft, der unter den Elementen mit der Erde uͤbereinſtimmig waͤre, ſeine Stelle finden moͤchte, ſo ordneten ſie die ſchwarze Galle mit unter die vor- nemſte Blutſtoffe, d. i. dieſen trauerfarbigen Bodenſaz des Blutes, der ſich im Gefaͤſſe niederſenkt, worinnen man Blut aufbehaͤlt; und ſie ſahen auch, daß Kranke zuweilen dergleichen Materie durchs Erbrechen von ſich gaben; ſo wie einige der neuern Aerzte dieſen Namen fuͤr tuͤchtig finden, dasjenige Blut damit auszudruͤkken, wel- ches in den Gefaͤſſen des menſchlichen Koͤrpers lange Zeit ſtille geſtanden hat (b). Auf dieſe Theorie baueten ſie beinahe ihre ganze Krankheitslehre und Heilungswiſſen- ſchaft auf, und ſie verſicherten uns, daß einige Arzenei- mittel die gelbe Galle, andre die ſchwarze herausſchaff- ten; und daß es auch welche gebe, die inſonderheit das Phlegma ausfuͤhrten. Nun verſicherten ſie, daß aus dieſen viererlei Saͤf- Ver- (b) ſenac T. II. S. 266.
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Fuͤnftes Buch. Das Blut.
viererlei Saͤfte angenommen, die ſich nach den Elemen-
ten richten ſollten. Wenn alſo die Aerzte die Abſonde-
rung des Blutes in verſchiedne Fluͤßigkeiten betrachteten,
die im Koͤrper von freien Stuͤkken, ohne den Beiſtand
der Elemente, vor ſich geht, ſo nannten ſie dasjenige
Waſſer, welches auf dem Blutkuchen oben aufſchwimmt,
welches wir Salzwaſſer genennt haben, und von welchem
ſie in allem Ernſte behaupteten, daß es in ſeinem beſon-
dern Behaͤltniſſe eingeſchloſſen ſchaͤrfer wuͤrde, und den
Namen einer Galle verdiene, dieſes Salzwaſſer nannten
ſie, von der gelben Farbe, die Blutgalle. Blut hies
bei ihnen, was ſich mit ſeiner Roͤte offenbaret, und wir
haben dieſes das Rote im Blute (cruor) genannt. Das
Waſſer, welches in der That der Hauptſtoff im Blute,
und in den andern Saͤften eines belebten Koͤrpers iſt, be-
zeichneten ſie unter dem Namen des Phlegma. Damit
nun auch der vierte Saft, der unter den Elementen mit
der Erde uͤbereinſtimmig waͤre, ſeine Stelle finden moͤchte,
ſo ordneten ſie die ſchwarze Galle mit unter die vor-
nemſte Blutſtoffe, d. i. dieſen trauerfarbigen Bodenſaz
des Blutes, der ſich im Gefaͤſſe niederſenkt, worinnen
man Blut aufbehaͤlt; und ſie ſahen auch, daß Kranke
zuweilen dergleichen Materie durchs Erbrechen von ſich
gaben; ſo wie einige der neuern Aerzte dieſen Namen fuͤr
tuͤchtig finden, dasjenige Blut damit auszudruͤkken, wel-
ches in den Gefaͤſſen des menſchlichen Koͤrpers lange Zeit
ſtille geſtanden hat (b). Auf dieſe Theorie baueten ſie
beinahe ihre ganze Krankheitslehre und Heilungswiſſen-
ſchaft auf, und ſie verſicherten uns, daß einige Arzenei-
mittel die gelbe Galle, andre die ſchwarze herausſchaff-
ten; und daß es auch welche gebe, die inſonderheit das
Phlegma ausfuͤhrten.
Nun verſicherten ſie, daß aus dieſen viererlei Saͤf-
ten das Blut gemiſcht ſei, und daß eine regelmaͤßige
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