welcher Kraft das Blut seinen Umlauf verrichte. Reis- set man das Herz aus der Brust heraus, so steht, wie jedermann bekant ist, das Blut den Augenblick stille, und es hört die Pulsirung auf (p), weil das von den vo- rigen Zusammenziehungen des Herzens fortgetriebne Blut, den Augenblik seine Bewegung verliert. Hat es selbige verloren, und bekömmt es von der neuen nachfol- genden Welle des Herzens keine neue Welle, so folgt, daß das Blut auch in lebendigen Thieren so gleich stille stehen mus (q). Es ist einerlei, ob man das Herz zer- nichten, oder ob man leugnen wollte, daß eine neue Kraft vom Herzen an die vorhergehende Welle gelange. Jst das Blut überhaupt stillstehend geworden, derglei- chen an Ersäuften und Erstikkten geschicht, so wird das gesammte Blut aller Schlagadern, von dieser einzigen Welle anfangs in Bewegung gesezzt, und in seinen vori- gen Lauf wieder gebracht.
Es hat sich der berümte Franz Boißier daran ge- macht, diese Verhältnisse der Geschwindigkeit, mit der ein aus dem Herzen eben hervordringendes Blut in Bewegung gesezzt wird, und mit der ein voranlaufendes fortgefüret wird, zu bestimmen. Er nam aus hidrau- lischen Gründen an, daß der beste Erfolg alsdenn statt finde, oder daß eine voranlaufende Welle von der jüng- sten und lezten am stärksten fortgestossen werde, so bald die Geschwindigkeit der bewegenden Kraft, die das Herz ist, sich zur Geschwindigkeit des Flüßigen, das bewegt werden soll, oder der vordern Welle, wie 4 zu 3 ver- hält (r). Es käme aber das Blut mit solcher Geschwin- digkeit aus dem Herzen hervorgedrungen, daß es aus der Kammer selbst mit einer Geschwindigkeit hervorspränge,
wel-
(p)[Spaltenumbruch]
4. Buch.
(q)J. fanton Anatom. S. 309.
(r)Memoir. de l'Academie de Berlin. 1755. S. 38. Jch halte es für einem Drukkfeler, daß daselbst die Zalen wie 3 zu 4 angesezzt wor- [Spaltenumbruch]
den sind. Denn es würde nim- mermehr keine neue Kraft, deren Geschwindigkeit wie 3 wäre, eine voranlaufende Geschwindigkeit, die wie 4 ist, erreichen können.
Sechſtes Buch. Die Seitenbewegung
welcher Kraft das Blut ſeinen Umlauf verrichte. Reiſ- ſet man das Herz aus der Bruſt heraus, ſo ſteht, wie jedermann bekant iſt, das Blut den Augenblick ſtille, und es hoͤrt die Pulſirung auf (p), weil das von den vo- rigen Zuſammenziehungen des Herzens fortgetriebne Blut, den Augenblik ſeine Bewegung verliert. Hat es ſelbige verloren, und bekoͤmmt es von der neuen nachfol- genden Welle des Herzens keine neue Welle, ſo folgt, daß das Blut auch in lebendigen Thieren ſo gleich ſtille ſtehen mus (q). Es iſt einerlei, ob man das Herz zer- nichten, oder ob man leugnen wollte, daß eine neue Kraft vom Herzen an die vorhergehende Welle gelange. Jſt das Blut uͤberhaupt ſtillſtehend geworden, derglei- chen an Erſaͤuften und Erſtikkten geſchicht, ſo wird das geſammte Blut aller Schlagadern, von dieſer einzigen Welle anfangs in Bewegung geſezzt, und in ſeinen vori- gen Lauf wieder gebracht.
Es hat ſich der beruͤmte Franz Boißier daran ge- macht, dieſe Verhaͤltniſſe der Geſchwindigkeit, mit der ein aus dem Herzen eben hervordringendes Blut in Bewegung geſezzt wird, und mit der ein voranlaufendes fortgefuͤret wird, zu beſtimmen. Er nam aus hidrau- liſchen Gruͤnden an, daß der beſte Erfolg alsdenn ſtatt finde, oder daß eine voranlaufende Welle von der juͤng- ſten und lezten am ſtaͤrkſten fortgeſtoſſen werde, ſo bald die Geſchwindigkeit der bewegenden Kraft, die das Herz iſt, ſich zur Geſchwindigkeit des Fluͤßigen, das bewegt werden ſoll, oder der vordern Welle, wie 4 zu 3 ver- haͤlt (r). Es kaͤme aber das Blut mit ſolcher Geſchwin- digkeit aus dem Herzen hervorgedrungen, daß es aus der Kammer ſelbſt mit einer Geſchwindigkeit hervorſpraͤnge,
wel-
(p)[Spaltenumbruch]
4. Buch.
(q)J. fanton Anatom. S. 309.
(r)Memoir. de l’Academie de Berlin. 1755. S. 38. Jch halte es fuͤr einem Drukkfeler, daß daſelbſt die Zalen wie 3 zu 4 angeſezzt wor- [Spaltenumbruch]
den ſind. Denn es wuͤrde nim- mermehr keine neue Kraft, deren Geſchwindigkeit wie 3 waͤre, eine voranlaufende Geſchwindigkeit, die wie 4 iſt, erreichen koͤnnen.
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Sechſtes Buch. Die Seitenbewegung
welcher Kraft das Blut ſeinen Umlauf verrichte. Reiſ-
ſet man das Herz aus der Bruſt heraus, ſo ſteht, wie
jedermann bekant iſt, das Blut den Augenblick ſtille,
und es hoͤrt die Pulſirung auf (p), weil das von den vo-
rigen Zuſammenziehungen des Herzens fortgetriebne
Blut, den Augenblik ſeine Bewegung verliert. Hat es
ſelbige verloren, und bekoͤmmt es von der neuen nachfol-
genden Welle des Herzens keine neue Welle, ſo folgt,
daß das Blut auch in lebendigen Thieren ſo gleich ſtille
ſtehen mus (q). Es iſt einerlei, ob man das Herz zer-
nichten, oder ob man leugnen wollte, daß eine neue
Kraft vom Herzen an die vorhergehende Welle gelange.
Jſt das Blut uͤberhaupt ſtillſtehend geworden, derglei-
chen an Erſaͤuften und Erſtikkten geſchicht, ſo wird das
geſammte Blut aller Schlagadern, von dieſer einzigen
Welle anfangs in Bewegung geſezzt, und in ſeinen vori-
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Es hat ſich der beruͤmte Franz Boißier daran ge-
macht, dieſe Verhaͤltniſſe der Geſchwindigkeit, mit der
ein aus dem Herzen eben hervordringendes Blut in
Bewegung geſezzt wird, und mit der ein voranlaufendes
fortgefuͤret wird, zu beſtimmen. Er nam aus hidrau-
liſchen Gruͤnden an, daß der beſte Erfolg alsdenn ſtatt
finde, oder daß eine voranlaufende Welle von der juͤng-
ſten und lezten am ſtaͤrkſten fortgeſtoſſen werde, ſo bald
die Geſchwindigkeit der bewegenden Kraft, die das Herz
iſt, ſich zur Geſchwindigkeit des Fluͤßigen, das bewegt
werden ſoll, oder der vordern Welle, wie 4 zu 3 ver-
haͤlt (r). Es kaͤme aber das Blut mit ſolcher Geſchwin-
digkeit aus dem Herzen hervorgedrungen, daß es aus der
Kammer ſelbſt mit einer Geſchwindigkeit hervorſpraͤnge,
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4. Buch.
(q) J. fanton Anatom. S. 309.
(r) Memoir. de l’Academie de
Berlin. 1755. S. 38. Jch halte es
fuͤr einem Drukkfeler, daß daſelbſt
die Zalen wie 3 zu 4 angeſezzt wor-
den ſind. Denn es wuͤrde nim-
mermehr keine neue Kraft, deren
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voranlaufende Geſchwindigkeit, die
wie 4 iſt, erreichen koͤnnen.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/388>, abgerufen am 16.07.2024.
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