Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762.

Bild:
<< vorherige Seite

bewegten Blutes, in den Schlagadern.
der losfaren, und indem durch ihren wechselweisen Wie-
derstand ihre Richtungslinie verändert wird, so vereini-
gen sie sich in einer Linie, welche auf die Achse senkrecht
wirkt. Was die Umwälzung der Kügelchen um ihre
Achse betrift, welche von Männern, deren Ansehn nicht
zu verachten ist, theils nach der Theorie, theils in Ver-
suchen (e), behauptet worden ist, so habe ich solche für
meine Person nie sehen können.

So wie aber das Blut bald durch eine erweiterte,
bald durch eine zusammengezogene Schlagader gefüret
wird, so nimmt dasselbe auch bald diese, bald andre Be-
schaffenheiten an sich. Erweitert sich die Ader, so ergis-
sen sich die Stoffe des Blutes in einen weiten Kreis aus,
sie verlassen sich einander, ein Kügelchen steht vom an-
dern Kügelchen weiter ab, es vermindert sich das Berü-
ren der Stoffe, und folglich auch ihre Anziehungskraft,
welche sich nach dem direkten Verhältnisse der sich berüren-
den Flächen, und nach dem umgekehrten und vervielfäl-
tigten Ebenmaasse der Entfernungen richtet.

Zieht sich die Schlagader hingegen zusammen, so
gilt von allem diesen gerade das Gegentheil. Denn da
eine Schlagader allenthalben nach Linien, die gegen die
Achse senkrecht stehen, enger wird, so werden auch die
Blutkügelchen aller Orten gegen die Achse und in einen
engern Kreis zusammengedrükkt, und den übrigen Kügel-
chen näher gebracht. Solchergestalt vergrössert sich das
eben beschriebene Reiben, und nunmehr eräugnet sich das-
jenige am stärksten, welches berümte Theoristen (f), laut
ihren Grundsäzzen, herausgebracht haben, nämlich, daß
diejenige Theilchen im Blute, die nicht kuglig sind, kuglig
werden. Man kann nämlich ein jedes Theilchen dieser
Art für eine zalreiche Kette von Hebeln halten, die im
(d)

Mittel-
(e) vieussens Tr. des liqueurs
S. 16. hales Haemastat. S. 96.
(f) [Spaltenumbruch] Vergleichet hiermit bazzi.
caluve
Prop. II. boerhaave In-
stit. re. med. n.
220. u. f.
(d) [Spaltenumbruch] hales S. 108. Premier me-
moire.
S. 58.

bewegten Blutes, in den Schlagadern.
der losfaren, und indem durch ihren wechſelweiſen Wie-
derſtand ihre Richtungslinie veraͤndert wird, ſo vereini-
gen ſie ſich in einer Linie, welche auf die Achſe ſenkrecht
wirkt. Was die Umwaͤlzung der Kuͤgelchen um ihre
Achſe betrift, welche von Maͤnnern, deren Anſehn nicht
zu verachten iſt, theils nach der Theorie, theils in Ver-
ſuchen (e), behauptet worden iſt, ſo habe ich ſolche fuͤr
meine Perſon nie ſehen koͤnnen.

So wie aber das Blut bald durch eine erweiterte,
bald durch eine zuſammengezogene Schlagader gefuͤret
wird, ſo nimmt daſſelbe auch bald dieſe, bald andre Be-
ſchaffenheiten an ſich. Erweitert ſich die Ader, ſo ergiſ-
ſen ſich die Stoffe des Blutes in einen weiten Kreis aus,
ſie verlaſſen ſich einander, ein Kuͤgelchen ſteht vom an-
dern Kuͤgelchen weiter ab, es vermindert ſich das Beruͤ-
ren der Stoffe, und folglich auch ihre Anziehungskraft,
welche ſich nach dem direkten Verhaͤltniſſe der ſich beruͤren-
den Flaͤchen, und nach dem umgekehrten und vervielfaͤl-
tigten Ebenmaaſſe der Entfernungen richtet.

Zieht ſich die Schlagader hingegen zuſammen, ſo
gilt von allem dieſen gerade das Gegentheil. Denn da
eine Schlagader allenthalben nach Linien, die gegen die
Achſe ſenkrecht ſtehen, enger wird, ſo werden auch die
Blutkuͤgelchen aller Orten gegen die Achſe und in einen
engern Kreis zuſammengedruͤkkt, und den uͤbrigen Kuͤgel-
chen naͤher gebracht. Solchergeſtalt vergroͤſſert ſich das
eben beſchriebene Reiben, und nunmehr eraͤugnet ſich das-
jenige am ſtaͤrkſten, welches beruͤmte Theoriſten (f), laut
ihren Grundſaͤzzen, herausgebracht haben, naͤmlich, daß
diejenige Theilchen im Blute, die nicht kuglig ſind, kuglig
werden. Man kann naͤmlich ein jedes Theilchen dieſer
Art fuͤr eine zalreiche Kette von Hebeln halten, die im
(d)

Mittel-
(e) vieuſſenſ Tr. des liqueurs
S. 16. haleſ Haemaſtat. S. 96.
(f) [Spaltenumbruch] Vergleichet hiermit bazzi.
caluve
Prop. II. boerhaave In-
ſtit. re. med. n.
220. u. f.
(d) [Spaltenumbruch] haleſ S. 108. Premier me-
moire.
S. 58.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0463" n="443"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">bewegten Blutes, in den Schlagadern.</hi></fw><lb/>
der losfaren, und indem durch ihren wech&#x017F;elwei&#x017F;en Wie-<lb/>
der&#x017F;tand ihre Richtungslinie vera&#x0364;ndert wird, &#x017F;o vereini-<lb/>
gen &#x017F;ie &#x017F;ich in einer Linie, welche auf die Ach&#x017F;e &#x017F;enkrecht<lb/>
wirkt. Was die Umwa&#x0364;lzung der Ku&#x0364;gelchen um ihre<lb/>
Ach&#x017F;e betrift, welche von Ma&#x0364;nnern, deren An&#x017F;ehn nicht<lb/>
zu verachten i&#x017F;t, theils nach der Theorie, theils in Ver-<lb/>
&#x017F;uchen <note place="foot" n="(e)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">vieu&#x017F;&#x017F;en&#x017F;</hi> Tr. des liqueurs</hi><lb/>
S. 16. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">hale&#x017F;</hi> Haema&#x017F;tat.</hi> S. 96.</note>, behauptet worden i&#x017F;t, &#x017F;o habe ich &#x017F;olche fu&#x0364;r<lb/>
meine Per&#x017F;on nie &#x017F;ehen ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
            <p>So wie aber das Blut bald durch eine erweiterte,<lb/>
bald durch eine zu&#x017F;ammengezogene Schlagader gefu&#x0364;ret<lb/>
wird, &#x017F;o nimmt da&#x017F;&#x017F;elbe auch bald die&#x017F;e, bald andre Be-<lb/>
&#x017F;chaffenheiten an &#x017F;ich. Erweitert &#x017F;ich die Ader, &#x017F;o ergi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en &#x017F;ich die Stoffe des Blutes in einen weiten Kreis aus,<lb/>
&#x017F;ie verla&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich einander, ein Ku&#x0364;gelchen &#x017F;teht vom an-<lb/>
dern Ku&#x0364;gelchen weiter ab, es vermindert &#x017F;ich das Beru&#x0364;-<lb/>
ren der Stoffe, und folglich auch ihre Anziehungskraft,<lb/>
welche &#x017F;ich nach dem direkten Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e der &#x017F;ich beru&#x0364;ren-<lb/>
den Fla&#x0364;chen, und nach dem umgekehrten und vervielfa&#x0364;l-<lb/>
tigten Ebenmaa&#x017F;&#x017F;e der Entfernungen richtet.</p><lb/>
            <p>Zieht &#x017F;ich die Schlagader hingegen zu&#x017F;ammen, &#x017F;o<lb/>
gilt von allem die&#x017F;en gerade das Gegentheil. Denn da<lb/>
eine Schlagader allenthalben nach Linien, die gegen die<lb/>
Ach&#x017F;e &#x017F;enkrecht &#x017F;tehen, enger wird, &#x017F;o werden auch die<lb/>
Blutku&#x0364;gelchen aller Orten gegen die Ach&#x017F;e und in einen<lb/>
engern Kreis zu&#x017F;ammengedru&#x0364;kkt, und den u&#x0364;brigen Ku&#x0364;gel-<lb/>
chen na&#x0364;her gebracht. Solcherge&#x017F;talt vergro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ert &#x017F;ich das<lb/>
eben be&#x017F;chriebene Reiben, und nunmehr era&#x0364;ugnet &#x017F;ich das-<lb/>
jenige am &#x017F;ta&#x0364;rk&#x017F;ten, welches beru&#x0364;mte Theori&#x017F;ten <note place="foot" n="(f)"><cb/>
Vergleichet hiermit <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">bazzi.<lb/>
caluve</hi> Prop. II. <hi rendition="#k">boerhaave</hi> In-<lb/>
&#x017F;tit. re. med. n.</hi> 220. u. f.</note>, laut<lb/>
ihren Grund&#x017F;a&#x0364;zzen, herausgebracht haben, na&#x0364;mlich, daß<lb/>
diejenige Theilchen im Blute, die nicht kuglig &#x017F;ind, kuglig<lb/>
werden. Man kann na&#x0364;mlich ein jedes Theilchen die&#x017F;er<lb/>
Art fu&#x0364;r eine zalreiche Kette von Hebeln halten, die im<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Mittel-</fw><lb/><note place="foot" n="(d)"><cb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">hale&#x017F;</hi></hi> S. 108. <hi rendition="#aq">Premier me-<lb/>
moire.</hi> S. 58.</note><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[443/0463] bewegten Blutes, in den Schlagadern. der losfaren, und indem durch ihren wechſelweiſen Wie- derſtand ihre Richtungslinie veraͤndert wird, ſo vereini- gen ſie ſich in einer Linie, welche auf die Achſe ſenkrecht wirkt. Was die Umwaͤlzung der Kuͤgelchen um ihre Achſe betrift, welche von Maͤnnern, deren Anſehn nicht zu verachten iſt, theils nach der Theorie, theils in Ver- ſuchen (e), behauptet worden iſt, ſo habe ich ſolche fuͤr meine Perſon nie ſehen koͤnnen. So wie aber das Blut bald durch eine erweiterte, bald durch eine zuſammengezogene Schlagader gefuͤret wird, ſo nimmt daſſelbe auch bald dieſe, bald andre Be- ſchaffenheiten an ſich. Erweitert ſich die Ader, ſo ergiſ- ſen ſich die Stoffe des Blutes in einen weiten Kreis aus, ſie verlaſſen ſich einander, ein Kuͤgelchen ſteht vom an- dern Kuͤgelchen weiter ab, es vermindert ſich das Beruͤ- ren der Stoffe, und folglich auch ihre Anziehungskraft, welche ſich nach dem direkten Verhaͤltniſſe der ſich beruͤren- den Flaͤchen, und nach dem umgekehrten und vervielfaͤl- tigten Ebenmaaſſe der Entfernungen richtet. Zieht ſich die Schlagader hingegen zuſammen, ſo gilt von allem dieſen gerade das Gegentheil. Denn da eine Schlagader allenthalben nach Linien, die gegen die Achſe ſenkrecht ſtehen, enger wird, ſo werden auch die Blutkuͤgelchen aller Orten gegen die Achſe und in einen engern Kreis zuſammengedruͤkkt, und den uͤbrigen Kuͤgel- chen naͤher gebracht. Solchergeſtalt vergroͤſſert ſich das eben beſchriebene Reiben, und nunmehr eraͤugnet ſich das- jenige am ſtaͤrkſten, welches beruͤmte Theoriſten (f), laut ihren Grundſaͤzzen, herausgebracht haben, naͤmlich, daß diejenige Theilchen im Blute, die nicht kuglig ſind, kuglig werden. Man kann naͤmlich ein jedes Theilchen dieſer Art fuͤr eine zalreiche Kette von Hebeln halten, die im Mittel- (d) (e) vieuſſenſ Tr. des liqueurs S. 16. haleſ Haemaſtat. S. 96. (f) Vergleichet hiermit bazzi. caluve Prop. II. boerhaave In- ſtit. re. med. n. 220. u. f. (d) haleſ S. 108. Premier me- moire. S. 58.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/463
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/463>, abgerufen am 22.11.2024.