Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762.

Bild:
<< vorherige Seite

Sechstes Buch. Der Seitendrukk
sind, nicht zugeben wollen, daß das Blut durch eine
Blutaderwunde schneller laufe (s), daß vielmehr eine
Unterbindung notwendig sey, damit solches nur heraus-
flissen könne (t).

Wollte man einwenden, ich wiederspräche meinem
eignen Vortrage, da ich doch gesagt, daß Blutadern
keine Muskelfasern und folglich keine Reizbarkeit hät-
ten (u), so kann ich auch diese Beschuldigung ohne grosse
Schwierigkeit abfertigen, wenn ich nicht irre. Es ist
ein Zusammenziehen, welches allen thierischen Fasern
gemein ist, seiner Ausdehnung wiederstrebt, und welches
sich bemüht, sich so kurz als möglich, der Länge nach zu
machen. Diese Kraft erwekken keine Gifte oder Mes-
ser (x), sie wird durch keine Nerven vermert oder vermin-
dert, und sie ist auch dem Zellgewebe eigen, aus welchem
Blutadern erzeugt werden; sie klebt den Blut-und
Schlagadern auch in Leichnamen und noch eigensinniger
an, sie ist blos in so fern thätig, daß sie der Erweite-
rung einer Röhre Wiederstand thut, welches nun nicht
geschehen kann, ohne daß die Länge der Fasern, die eine
Blutader ausmachen, zunimmt. Uebrigens haben wir
vorlängst (y), und nur noch in diesem Werke (z), das
Ueberleiten von einem den Augen nicht deutlichen Zu-
sammenziehn der Gefässe gefolgert.

Man ersiehet übrigens leicht daraus, weil Blutadern
im Fortkrichen immer enger werden, daß dieser Drukk in
den kleinsten Gefässen kleiner seyn, in den Blutaderstäm-
men hingegen beständig wachsen müsse, so wie diese Stäm-
me grösser und dem Herzen näher sind. Selbiger muste
aber um die Gegend des Herzens am grösten, und mit

einer
(s) [Spaltenumbruch] morisson Lettres sur les
choix des saignees. L. V. Essavs
de physique.
Ausg. von 1735. S.
522. hamberger de venaesectio.
n.
43.
(t) Ebendas.
(u) [Spaltenumbruch] Premi. Memo. sur les part.
irrit. et sensibl.
S. 53.
(x) 2. Buch.
(y) Second Memoi. u. f. S. 338.
(z) Oben. 1. Absch. §. 39.

Sechſtes Buch. Der Seitendrukk
ſind, nicht zugeben wollen, daß das Blut durch eine
Blutaderwunde ſchneller laufe (s), daß vielmehr eine
Unterbindung notwendig ſey, damit ſolches nur heraus-
fliſſen koͤnne (t).

Wollte man einwenden, ich wiederſpraͤche meinem
eignen Vortrage, da ich doch geſagt, daß Blutadern
keine Muskelfaſern und folglich keine Reizbarkeit haͤt-
ten (u), ſo kann ich auch dieſe Beſchuldigung ohne groſſe
Schwierigkeit abfertigen, wenn ich nicht irre. Es iſt
ein Zuſammenziehen, welches allen thieriſchen Faſern
gemein iſt, ſeiner Ausdehnung wiederſtrebt, und welches
ſich bemuͤht, ſich ſo kurz als moͤglich, der Laͤnge nach zu
machen. Dieſe Kraft erwekken keine Gifte oder Meſ-
ſer (x), ſie wird durch keine Nerven vermert oder vermin-
dert, und ſie iſt auch dem Zellgewebe eigen, aus welchem
Blutadern erzeugt werden; ſie klebt den Blut-und
Schlagadern auch in Leichnamen und noch eigenſinniger
an, ſie iſt blos in ſo fern thaͤtig, daß ſie der Erweite-
rung einer Roͤhre Wiederſtand thut, welches nun nicht
geſchehen kann, ohne daß die Laͤnge der Faſern, die eine
Blutader ausmachen, zunimmt. Uebrigens haben wir
vorlaͤngſt (y), und nur noch in dieſem Werke (z), das
Ueberleiten von einem den Augen nicht deutlichen Zu-
ſammenziehn der Gefaͤſſe gefolgert.

Man erſiehet uͤbrigens leicht daraus, weil Blutadern
im Fortkrichen immer enger werden, daß dieſer Drukk in
den kleinſten Gefaͤſſen kleiner ſeyn, in den Blutaderſtaͤm-
men hingegen beſtaͤndig wachſen muͤſſe, ſo wie dieſe Staͤm-
me groͤſſer und dem Herzen naͤher ſind. Selbiger muſte
aber um die Gegend des Herzens am groͤſten, und mit

einer
(s) [Spaltenumbruch] moriſſon Lettres ſur les
choix des ſaignées. L. V. Eſſavs
de phyſique.
Ausg. von 1735. S.
522. hamberger de venaeſectio.
n.
43.
(t) Ebendaſ.
(u) [Spaltenumbruch] Premi. Memo. ſur les part.
irrit. et ſenſibl.
S. 53.
(x) 2. Buch.
(y) Second Memoi. u. f. S. 338.
(z) Oben. 1. Abſch. §. 39.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0590" n="570"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Sech&#x017F;tes Buch. Der Seitendrukk</hi></fw><lb/>
&#x017F;ind, nicht zugeben wollen, daß das Blut durch eine<lb/>
Blutaderwunde &#x017F;chneller laufe <note place="foot" n="(s)"><cb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">mori&#x017F;&#x017F;on</hi> Lettres &#x017F;ur les<lb/>
choix des &#x017F;aignées. L. V. E&#x017F;&#x017F;avs<lb/>
de phy&#x017F;ique.</hi> Ausg. von 1735. S.<lb/>
522. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">hamberger</hi> de venae&#x017F;ectio.<lb/>
n.</hi> 43.</note>, daß vielmehr eine<lb/>
Unterbindung notwendig &#x017F;ey, damit &#x017F;olches nur heraus-<lb/>
fli&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nne <note place="foot" n="(t)">Ebenda&#x017F;.</note>.</p><lb/>
            <p>Wollte man einwenden, ich wieder&#x017F;pra&#x0364;che meinem<lb/>
eignen Vortrage, da ich doch ge&#x017F;agt, daß Blutadern<lb/>
keine Muskelfa&#x017F;ern und folglich keine Reizbarkeit ha&#x0364;t-<lb/>
ten <note place="foot" n="(u)"><cb/><hi rendition="#aq">Premi. Memo. &#x017F;ur les part.<lb/>
irrit. et &#x017F;en&#x017F;ibl.</hi> S. 53.</note>, &#x017F;o kann ich auch die&#x017F;e Be&#x017F;chuldigung ohne gro&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Schwierigkeit abfertigen, wenn ich nicht irre. Es i&#x017F;t<lb/>
ein Zu&#x017F;ammenziehen, welches allen thieri&#x017F;chen Fa&#x017F;ern<lb/>
gemein i&#x017F;t, &#x017F;einer Ausdehnung wieder&#x017F;trebt, und welches<lb/>
&#x017F;ich bemu&#x0364;ht, &#x017F;ich &#x017F;o kurz als mo&#x0364;glich, der La&#x0364;nge nach zu<lb/>
machen. Die&#x017F;e Kraft erwekken keine Gifte oder Me&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er <note place="foot" n="(x)">2. Buch.</note>, &#x017F;ie wird durch keine Nerven vermert oder vermin-<lb/>
dert, und &#x017F;ie i&#x017F;t auch dem Zellgewebe eigen, aus welchem<lb/>
Blutadern erzeugt werden; &#x017F;ie klebt den Blut-und<lb/>
Schlagadern auch in Leichnamen und noch eigen&#x017F;inniger<lb/>
an, &#x017F;ie i&#x017F;t blos in &#x017F;o fern tha&#x0364;tig, daß &#x017F;ie der Erweite-<lb/>
rung einer Ro&#x0364;hre Wieder&#x017F;tand thut, welches nun nicht<lb/>
ge&#x017F;chehen kann, ohne daß die La&#x0364;nge der Fa&#x017F;ern, die eine<lb/>
Blutader ausmachen, zunimmt. Uebrigens haben wir<lb/>
vorla&#x0364;ng&#x017F;t <note place="foot" n="(y)"><hi rendition="#aq">Second Memoi.</hi> u. f. S. 338.</note>, und nur noch in die&#x017F;em Werke <note place="foot" n="(z)">Oben. 1. Ab&#x017F;ch. §. 39.</note>, das<lb/>
Ueberleiten von einem den Augen nicht deutlichen Zu-<lb/>
&#x017F;ammenziehn der Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e gefolgert.</p><lb/>
            <p>Man er&#x017F;iehet u&#x0364;brigens leicht daraus, weil Blutadern<lb/>
im Fortkrichen immer enger werden, daß die&#x017F;er Drukk in<lb/>
den klein&#x017F;ten Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;en kleiner &#x017F;eyn, in den Blutader&#x017F;ta&#x0364;m-<lb/>
men hingegen be&#x017F;ta&#x0364;ndig wach&#x017F;en mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, &#x017F;o wie die&#x017F;e Sta&#x0364;m-<lb/>
me gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er und dem Herzen na&#x0364;her &#x017F;ind. Selbiger mu&#x017F;te<lb/>
aber um die Gegend des Herzens am gro&#x0364;&#x017F;ten, und mit<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">einer</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[570/0590] Sechſtes Buch. Der Seitendrukk ſind, nicht zugeben wollen, daß das Blut durch eine Blutaderwunde ſchneller laufe (s), daß vielmehr eine Unterbindung notwendig ſey, damit ſolches nur heraus- fliſſen koͤnne (t). Wollte man einwenden, ich wiederſpraͤche meinem eignen Vortrage, da ich doch geſagt, daß Blutadern keine Muskelfaſern und folglich keine Reizbarkeit haͤt- ten (u), ſo kann ich auch dieſe Beſchuldigung ohne groſſe Schwierigkeit abfertigen, wenn ich nicht irre. Es iſt ein Zuſammenziehen, welches allen thieriſchen Faſern gemein iſt, ſeiner Ausdehnung wiederſtrebt, und welches ſich bemuͤht, ſich ſo kurz als moͤglich, der Laͤnge nach zu machen. Dieſe Kraft erwekken keine Gifte oder Meſ- ſer (x), ſie wird durch keine Nerven vermert oder vermin- dert, und ſie iſt auch dem Zellgewebe eigen, aus welchem Blutadern erzeugt werden; ſie klebt den Blut-und Schlagadern auch in Leichnamen und noch eigenſinniger an, ſie iſt blos in ſo fern thaͤtig, daß ſie der Erweite- rung einer Roͤhre Wiederſtand thut, welches nun nicht geſchehen kann, ohne daß die Laͤnge der Faſern, die eine Blutader ausmachen, zunimmt. Uebrigens haben wir vorlaͤngſt (y), und nur noch in dieſem Werke (z), das Ueberleiten von einem den Augen nicht deutlichen Zu- ſammenziehn der Gefaͤſſe gefolgert. Man erſiehet uͤbrigens leicht daraus, weil Blutadern im Fortkrichen immer enger werden, daß dieſer Drukk in den kleinſten Gefaͤſſen kleiner ſeyn, in den Blutaderſtaͤm- men hingegen beſtaͤndig wachſen muͤſſe, ſo wie dieſe Staͤm- me groͤſſer und dem Herzen naͤher ſind. Selbiger muſte aber um die Gegend des Herzens am groͤſten, und mit einer (s) moriſſon Lettres ſur les choix des ſaignées. L. V. Eſſavs de phyſique. Ausg. von 1735. S. 522. hamberger de venaeſectio. n. 43. (t) Ebendaſ. (u) Premi. Memo. ſur les part. irrit. et ſenſibl. S. 53. (x) 2. Buch. (y) Second Memoi. u. f. S. 338. (z) Oben. 1. Abſch. §. 39.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/590
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 570. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/590>, abgerufen am 16.07.2024.