Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762.Die Durchseiher. Pflanzen und Thiere grosse Erfarung besas, einerleiGedanken, ob es gleich möglich ist, daß der Ruf von den Ruyschen Erfindungen bis zu ihm gelangt seyn konnte. Doch es war Grew, als er dieses schrieb, bereits sehr alt, und da selbiger lehrte, daß die Drüsen aus Ge- fässen und Fasern bestünden, so legte er dem Zellgewebe etwas mehr Vorzüge, als Ruysch bei. Aus Gefäschen und Bläschen sezzte Joseph Duverney (n*) den ganzen menschlichen Körper zusammen. Doch es übertraf Ruysch, ob er gleich nicht eben grosse Talente in der Hurtigkeit des Verstandes vor sich hatte, noch durch un- ermüdetes Lesen, oder Gelersamkeit sich über andre em- por schwung, dem ohngeachtet doch die meresten Sterbli- chen, an einer sehr grossen Uebung mit todten Körpern umzugehen, an der Bequemlichkeit, die Natur zu Rate zu ziehen, und an Körperzerlegungen, welche selbiger fast ganzer achtzig Jare lang fortgesezzt hatte, wozu noch seine künstliche Hand kam; und es erwarb sich dieser Mann ein desto mehr entscheidendes Ansehn, je weniger er ein Freund von Hipotesen war, und je weniger er Dinge lehrte, die er nicht selbst mit Augen gesehen hatte. Da Ruysch noch jung war, behauptete er fast mit von (n*) [Spaltenumbruch]
Memoir. avant 1699. S. 281. (o) Centur. Observ. med. chir. n. 51. Musci rarior. Repositor. 4. n. 15. (p) Thes. II. ass. n. 1. Thos. III. n. 42. Hier gesteht er wenige [Spaltenumbruch] Drüsen zu, und zwar in den Thieren. (q) Centur. Obs. angef. Ort. Doch scheint er in dieser Stelle nicht von den waren Grundstoffen der Milz geschrieben zu haben. Add. fabric. Glandul. S. 75. v. Hall. Phis. II. Th. R r
Die Durchſeiher. Pflanzen und Thiere groſſe Erfarung beſas, einerleiGedanken, ob es gleich moͤglich iſt, daß der Ruf von den Ruyſchen Erfindungen bis zu ihm gelangt ſeyn konnte. Doch es war Grew, als er dieſes ſchrieb, bereits ſehr alt, und da ſelbiger lehrte, daß die Druͤſen aus Ge- faͤſſen und Faſern beſtuͤnden, ſo legte er dem Zellgewebe etwas mehr Vorzuͤge, als Ruyſch bei. Aus Gefaͤschen und Blaͤschen ſezzte Joſeph Duverney (n*) den ganzen menſchlichen Koͤrper zuſammen. Doch es uͤbertraf Ruyſch, ob er gleich nicht eben groſſe Talente in der Hurtigkeit des Verſtandes vor ſich hatte, noch durch un- ermuͤdetes Leſen, oder Gelerſamkeit ſich uͤber andre em- por ſchwung, dem ohngeachtet doch die mereſten Sterbli- chen, an einer ſehr groſſen Uebung mit todten Koͤrpern umzugehen, an der Bequemlichkeit, die Natur zu Rate zu ziehen, und an Koͤrperzerlegungen, welche ſelbiger faſt ganzer achtzig Jare lang fortgeſezzt hatte, wozu noch ſeine kuͤnſtliche Hand kam; und es erwarb ſich dieſer Mann ein deſto mehr entſcheidendes Anſehn, je weniger er ein Freund von Hipoteſen war, und je weniger er Dinge lehrte, die er nicht ſelbſt mit Augen geſehen hatte. Da Ruyſch noch jung war, behauptete er faſt mit von (n*) [Spaltenumbruch]
Memoir. avant 1699. S. 281. (o) Centur. Obſerv. med. chir. n. 51. Muſci rarior. Repoſitor. 4. n. 15. (p) Theſ. II. aſſ. n. 1. Thoſ. III. n. 42. Hier geſteht er wenige [Spaltenumbruch] Druͤſen zu, und zwar in den Thieren. (q) Centur. Obſ. angef. Ort. Doch ſcheint er in dieſer Stelle nicht von den waren Grundſtoffen der Milz geſchrieben zu haben. Add. fabric. Glandul. S. 75. v. Hall. Phiſ. II. Th. R r
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Die Durchſeiher.
Pflanzen und Thiere groſſe Erfarung beſas, einerlei
Gedanken, ob es gleich moͤglich iſt, daß der Ruf von
den Ruyſchen Erfindungen bis zu ihm gelangt ſeyn
konnte. Doch es war Grew, als er dieſes ſchrieb, bereits
ſehr alt, und da ſelbiger lehrte, daß die Druͤſen aus Ge-
faͤſſen und Faſern beſtuͤnden, ſo legte er dem Zellgewebe
etwas mehr Vorzuͤge, als Ruyſch bei. Aus Gefaͤschen
und Blaͤschen ſezzte Joſeph Duverney (n*) den ganzen
menſchlichen Koͤrper zuſammen. Doch es uͤbertraf
Ruyſch, ob er gleich nicht eben groſſe Talente in der
Hurtigkeit des Verſtandes vor ſich hatte, noch durch un-
ermuͤdetes Leſen, oder Gelerſamkeit ſich uͤber andre em-
por ſchwung, dem ohngeachtet doch die mereſten Sterbli-
chen, an einer ſehr groſſen Uebung mit todten Koͤrpern
umzugehen, an der Bequemlichkeit, die Natur zu Rate
zu ziehen, und an Koͤrperzerlegungen, welche ſelbiger faſt
ganzer achtzig Jare lang fortgeſezzt hatte, wozu noch
ſeine kuͤnſtliche Hand kam; und es erwarb ſich dieſer
Mann ein deſto mehr entſcheidendes Anſehn, je weniger
er ein Freund von Hipoteſen war, und je weniger er
Dinge lehrte, die er nicht ſelbſt mit Augen geſehen hatte.
Da Ruyſch noch jung war, behauptete er faſt mit
allen Perſonen ſeines Jarhunderts, daß in den Einge-
weiden druͤſige Kernchen, z. E. in der Leber (o), in der
Niere (p), in der Milz (q), und in den uͤbrigen Theilen
des menſchlichen Koͤrpers zugegen waͤren. Da er aber
mehr und mehr einſahe, daß nicht nur Membranen,
welche, wenn ſie die Kunſt nicht bearbeitet, vollkommen
weis an Farbe ſind, nach einer kuͤnſtlichen Ausſprizzung,
von
(n*)
Memoir. avant 1699. S.
281.
(o) Centur. Obſerv. med. chir.
n. 51. Muſci rarior. Repoſitor. 4.
n. 15.
(p) Theſ. II. aſſ. n. 1. Thoſ. III.
n. 42. Hier geſteht er wenige
Druͤſen zu, und zwar in den
Thieren.
(q) Centur. Obſ. angef. Ort.
Doch ſcheint er in dieſer Stelle
nicht von den waren Grundſtoffen
der Milz geſchrieben zu haben.
Add. fabric. Glandul. S. 75.
v. Hall. Phiſ. II. Th. R r
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