Man findet die Aderskelette von Früchten eben so voll- kommen und häufig, und es sind alle Aeste der Aorte, ih- re Zweige und Zweigenfortsäzze, wie auch alle kleinste Gefässe des menschlichen Auges, oder eines andern Ein- geweides, die man nach der Anzal sehr wohl kennt, in eben der Menge, sowol in der Frucht, als im Manne zugegen, es kömmt kein einziges Gefäs mit dem Alter von neuem hinzu, obgleich einige, wenn man sehr erfar- nen Zerlegern glauben kann (n), mit der Zeit gar ver- schwinden, und man in den Eingeweiden des Mannes weniger Gefässe findet, als in den Eingeweiden der Frucht. Auf gleiche Weise hat der berümte Stephan Hales(o) in zarten und erwachsnen Blättern eine glei- che Anzal und eine gleiche Lagenweite unter den Ribben derselben angemerkt.
Es geht aber auf eine andre Weise an, daß sich in einigen Eingeweiden, z. E. an der Gebärmutter in Frauens, mehr Gefässe, als an Mädchens warnehmen lassen. Es ist kein Zweifel, daß selbige nicht grösser wachsen sollten, indem der ganze Leib an Wachsthum zunimmt. Nun sezze man, es hätte ein Muttergefäs- chen in der Frucht in seiner ganzen Länge ein einziges rotes Kügelchen beherbergt, so wird dieses Gefäschen, wenigstens dem blossen Auge unsichtbar bleiben (p), und so wird es für einen beobachtenden Zerleger, als welcher nichts einräumt, als was er sieht, nichts seyn.
Nun sezze man, daß eben dieses Gefäschen von dem Triebwerke des Herzens mit mehreren Kügelchen ange- füllet werde, so wird solches sichtbar zu werden anfan- gen und nunmehro gleichsam heraufsteigen. Es kann aber entweder das ganze Gefäschen, z. E. eine rote Schlagader, erweitert, oder, wenn man die Sache von
einer
(n)[Spaltenumbruch]rvysch Advers. anat. Dec. II. S. 4.
(o)[Spaltenumbruch]Veget. statiks f. 44. 45.
(p) 2. Buch.
Siebendes Buch. Die Urſachen
Man findet die Aderſkelette von Fruͤchten eben ſo voll- kommen und haͤufig, und es ſind alle Aeſte der Aorte, ih- re Zweige und Zweigenfortſaͤzze, wie auch alle kleinſte Gefaͤſſe des menſchlichen Auges, oder eines andern Ein- geweides, die man nach der Anzal ſehr wohl kennt, in eben der Menge, ſowol in der Frucht, als im Manne zugegen, es koͤmmt kein einziges Gefaͤs mit dem Alter von neuem hinzu, obgleich einige, wenn man ſehr erfar- nen Zerlegern glauben kann (n), mit der Zeit gar ver- ſchwinden, und man in den Eingeweiden des Mannes weniger Gefaͤſſe findet, als in den Eingeweiden der Frucht. Auf gleiche Weiſe hat der beruͤmte Stephan Hales(o) in zarten und erwachſnen Blaͤttern eine glei- che Anzal und eine gleiche Lagenweite unter den Ribben derſelben angemerkt.
Es geht aber auf eine andre Weiſe an, daß ſich in einigen Eingeweiden, z. E. an der Gebaͤrmutter in Frauens, mehr Gefaͤſſe, als an Maͤdchens warnehmen laſſen. Es iſt kein Zweifel, daß ſelbige nicht groͤſſer wachſen ſollten, indem der ganze Leib an Wachsthum zunimmt. Nun ſezze man, es haͤtte ein Muttergefaͤs- chen in der Frucht in ſeiner ganzen Laͤnge ein einziges rotes Kuͤgelchen beherbergt, ſo wird dieſes Gefaͤschen, wenigſtens dem bloſſen Auge unſichtbar bleiben (p), und ſo wird es fuͤr einen beobachtenden Zerleger, als welcher nichts einraͤumt, als was er ſieht, nichts ſeyn.
Nun ſezze man, daß eben dieſes Gefaͤschen von dem Triebwerke des Herzens mit mehreren Kuͤgelchen ange- fuͤllet werde, ſo wird ſolches ſichtbar zu werden anfan- gen und nunmehro gleichſam heraufſteigen. Es kann aber entweder das ganze Gefaͤschen, z. E. eine rote Schlagader, erweitert, oder, wenn man die Sache von
einer
(n)[Spaltenumbruch]rvyſch Adverſ. anat. Dec. II. S. 4.
(o)[Spaltenumbruch]Veget. ſtatiks f. 44. 45.
(p) 2. Buch.
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Siebendes Buch. Die Urſachen
Man findet die Aderſkelette von Fruͤchten eben ſo voll-
kommen und haͤufig, und es ſind alle Aeſte der Aorte, ih-
re Zweige und Zweigenfortſaͤzze, wie auch alle kleinſte
Gefaͤſſe des menſchlichen Auges, oder eines andern Ein-
geweides, die man nach der Anzal ſehr wohl kennt, in
eben der Menge, ſowol in der Frucht, als im Manne
zugegen, es koͤmmt kein einziges Gefaͤs mit dem Alter
von neuem hinzu, obgleich einige, wenn man ſehr erfar-
nen Zerlegern glauben kann (n), mit der Zeit gar ver-
ſchwinden, und man in den Eingeweiden des Mannes
weniger Gefaͤſſe findet, als in den Eingeweiden der
Frucht. Auf gleiche Weiſe hat der beruͤmte Stephan
Hales (o) in zarten und erwachſnen Blaͤttern eine glei-
che Anzal und eine gleiche Lagenweite unter den Ribben
derſelben angemerkt.
Es geht aber auf eine andre Weiſe an, daß ſich in
einigen Eingeweiden, z. E. an der Gebaͤrmutter in
Frauens, mehr Gefaͤſſe, als an Maͤdchens warnehmen
laſſen. Es iſt kein Zweifel, daß ſelbige nicht groͤſſer
wachſen ſollten, indem der ganze Leib an Wachsthum
zunimmt. Nun ſezze man, es haͤtte ein Muttergefaͤs-
chen in der Frucht in ſeiner ganzen Laͤnge ein einziges
rotes Kuͤgelchen beherbergt, ſo wird dieſes Gefaͤschen,
wenigſtens dem bloſſen Auge unſichtbar bleiben (p), und
ſo wird es fuͤr einen beobachtenden Zerleger, als welcher
nichts einraͤumt, als was er ſieht, nichts ſeyn.
Nun ſezze man, daß eben dieſes Gefaͤschen von dem
Triebwerke des Herzens mit mehreren Kuͤgelchen ange-
fuͤllet werde, ſo wird ſolches ſichtbar zu werden anfan-
gen und nunmehro gleichſam heraufſteigen. Es kann
aber entweder das ganze Gefaͤschen, z. E. eine rote
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II. S. 4.
(o)
Veget. ſtatiks f. 44. 45.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 708. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/728>, abgerufen am 22.11.2024.
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