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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766.

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II. Abschn. Die Werkzeuge der Rede.
nach der Höle des knochigen Gaumens abgepasst, unten
viel kürzer, mit Drüsen bekleidet, und um ein kurzes En-
de bei der Spizze abgelöset. Sie steigt mit ihrem Rükken
vom Kehlendekkel hinauf, und es ist ihre übrige Länge
mäßig abhängig gemacht (d*). Jhre obere Breite wird
in der Mitten von einer etwas undeutlichen Rinne gethei-
let, welche von der Zunge gleichsam zwo Helften macht (e).
Die ganze Zunge ist sehr beweglich, und ungemein geschikkt,
alle Arten von Lagen, und Figuren anzunehmen, bequeme
sich an die obern und untern Zähne, an den vordern,
mittlern und hintersten Gaumen, und an das Zänefleisch
anzuschliessen, ihre Spizze sowohl zurükke zu ziehen, als
aus dem Zwischenraume der Zähne heraus zu stoßen, sich
in die Höhle der Bakken zu verlängern, diese ganze Höle
durch zu spüren, oder sich endlich zwischen den Lippen
heraus zu bewegen, sich zurükk zu welzen, den Rükken
flach, und wieder hol zu machen, ihre Seiten gegen einander
zu ziehen, und sich zu einem Cilinder zu verdichten, wozu sie
ihre wunderbare Beweglichkeit geschikkt macht. Sie wird,
vermittelst ihrer Bekleidungen, an das Zungenbein, den
Schlund, an die Mandeln, an den Kehlendekkel, und das
Zähnefleisch angehenget, so wie durch Hülfe der Muskeln,
welche wir erzählen wollen. Das bekannte Zungenband (f)
ist eine Falte von dieser gedoppelten Bekleidung, und die-
ses Band bindet den mittlern Theil der untern Zungen-
fläche an diejenige Haut des Mundes, die über den Drü-
sen unter der Zunge liegt, und ans Zähnefleisch. Man
sagt, daß dieses Bändchen, wenn es kurz ist, der freien
Bewegung der Znnge hinderlich seyn könne, und so gar
die Aussprache verhindere, so daß wenigstens die Buch-

sta-
(d*) [Spaltenumbruch] LVCHTM. de sapor. et
gustu.
S. 61.
(e) Die Zunge ist in zween Theile
getheilet, ARIST. part. anim. L.
[Spaltenumbruch] II. c.
10.
(f) ARANTIVS obs. cap. 25.
WEITBRECHT. Syndesinol.
fig. 79. d. J. BONH. Tab. XV. f.
1.
H. Phisiol. 3. B. T t

II. Abſchn. Die Werkzeuge der Rede.
nach der Hoͤle des knochigen Gaumens abgepaſſt, unten
viel kuͤrzer, mit Druͤſen bekleidet, und um ein kurzes En-
de bei der Spizze abgeloͤſet. Sie ſteigt mit ihrem Ruͤkken
vom Kehlendekkel hinauf, und es iſt ihre uͤbrige Laͤnge
maͤßig abhaͤngig gemacht (d*). Jhre obere Breite wird
in der Mitten von einer etwas undeutlichen Rinne gethei-
let, welche von der Zunge gleichſam zwo Helften macht (e).
Die ganze Zunge iſt ſehr beweglich, und ungemein geſchikkt,
alle Arten von Lagen, und Figuren anzunehmen, bequeme
ſich an die obern und untern Zaͤhne, an den vordern,
mittlern und hinterſten Gaumen, und an das Zaͤnefleiſch
anzuſchlieſſen, ihre Spizze ſowohl zuruͤkke zu ziehen, als
aus dem Zwiſchenraume der Zaͤhne heraus zu ſtoßen, ſich
in die Hoͤhle der Bakken zu verlaͤngern, dieſe ganze Hoͤle
durch zu ſpuͤren, oder ſich endlich zwiſchen den Lippen
heraus zu bewegen, ſich zuruͤkk zu welzen, den Ruͤkken
flach, und wieder hol zu machen, ihre Seiten gegen einander
zu ziehen, und ſich zu einem Cilinder zu verdichten, wozu ſie
ihre wunderbare Beweglichkeit geſchikkt macht. Sie wird,
vermittelſt ihrer Bekleidungen, an das Zungenbein, den
Schlund, an die Mandeln, an den Kehlendekkel, und das
Zaͤhnefleiſch angehenget, ſo wie durch Huͤlfe der Muskeln,
welche wir erzaͤhlen wollen. Das bekannte Zungenband (f)
iſt eine Falte von dieſer gedoppelten Bekleidung, und die-
ſes Band bindet den mittlern Theil der untern Zungen-
flaͤche an diejenige Haut des Mundes, die uͤber den Druͤ-
ſen unter der Zunge liegt, und ans Zaͤhnefleiſch. Man
ſagt, daß dieſes Baͤndchen, wenn es kurz iſt, der freien
Bewegung der Znnge hinderlich ſeyn koͤnne, und ſo gar
die Ausſprache verhindere, ſo daß wenigſtens die Buch-

ſta-
(d*) [Spaltenumbruch] LVCHTM. de ſapor. et
guſtu.
S. 61.
(e) Die Zunge iſt in zween Theile
getheilet, ARIST. part. anim. L.
[Spaltenumbruch] II. c.
10.
(f) ARANTIVS obſ. cap. 25.
WEITBRECHT. Syndesinol.
fig. 79. d. J. BONH. Tab. XV. f.
1.
H. Phiſiol. 3. B. T t
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[655[657]/0663] II. Abſchn. Die Werkzeuge der Rede. nach der Hoͤle des knochigen Gaumens abgepaſſt, unten viel kuͤrzer, mit Druͤſen bekleidet, und um ein kurzes En- de bei der Spizze abgeloͤſet. Sie ſteigt mit ihrem Ruͤkken vom Kehlendekkel hinauf, und es iſt ihre uͤbrige Laͤnge maͤßig abhaͤngig gemacht (d*). Jhre obere Breite wird in der Mitten von einer etwas undeutlichen Rinne gethei- let, welche von der Zunge gleichſam zwo Helften macht (e). Die ganze Zunge iſt ſehr beweglich, und ungemein geſchikkt, alle Arten von Lagen, und Figuren anzunehmen, bequeme ſich an die obern und untern Zaͤhne, an den vordern, mittlern und hinterſten Gaumen, und an das Zaͤnefleiſch anzuſchlieſſen, ihre Spizze ſowohl zuruͤkke zu ziehen, als aus dem Zwiſchenraume der Zaͤhne heraus zu ſtoßen, ſich in die Hoͤhle der Bakken zu verlaͤngern, dieſe ganze Hoͤle durch zu ſpuͤren, oder ſich endlich zwiſchen den Lippen heraus zu bewegen, ſich zuruͤkk zu welzen, den Ruͤkken flach, und wieder hol zu machen, ihre Seiten gegen einander zu ziehen, und ſich zu einem Cilinder zu verdichten, wozu ſie ihre wunderbare Beweglichkeit geſchikkt macht. Sie wird, vermittelſt ihrer Bekleidungen, an das Zungenbein, den Schlund, an die Mandeln, an den Kehlendekkel, und das Zaͤhnefleiſch angehenget, ſo wie durch Huͤlfe der Muskeln, welche wir erzaͤhlen wollen. Das bekannte Zungenband (f) iſt eine Falte von dieſer gedoppelten Bekleidung, und die- ſes Band bindet den mittlern Theil der untern Zungen- flaͤche an diejenige Haut des Mundes, die uͤber den Druͤ- ſen unter der Zunge liegt, und ans Zaͤhnefleiſch. Man ſagt, daß dieſes Baͤndchen, wenn es kurz iſt, der freien Bewegung der Znnge hinderlich ſeyn koͤnne, und ſo gar die Ausſprache verhindere, ſo daß wenigſtens die Buch- ſta- (d*) LVCHTM. de ſapor. et guſtu. S. 61. (e) Die Zunge iſt in zween Theile getheilet, ARIST. part. anim. L. II. c. 10. (f) ARANTIVS obſ. cap. 25. WEITBRECHT. Syndesinol. fig. 79. d. J. BONH. Tab. XV. f. 1. H. Phiſiol. 3. B. T t

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766, S. 655[657]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766/663>, abgerufen am 17.06.2024.