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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 4. Berlin, 1768.

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VII. Ab. Ersch. d. leb. Geh. Die Empfind.
gen fühlte, nachher aber kaum etwas weiter empfand,
ob es gleich von holen Wegen durchnagt wurde [Spaltenumbruch] y, und
da ein Nerve aus seiner Lage herausgezogen ward, so
hatte dieser schwebende Nerve so lange wenig Empfindung,
als er nicht gespannt und ausgedehnt wurde z. Es
erhellet übrigens aus den Umständen, daß die andern
Versuche nicht gehörig angestellt worden z*.

Man ersieht also aus diesen Versuchen, daß eine
iede Ursache zu einer Muskelbewegung, die von einem
gereitzten Gehirn herrühret, ehe nicht würksam werde,
um eine Ausdehnung in den Nerven hervorzubringen,
als bis solche in das Jnnere des Gehirns durchgedrun-
gen, und man überhaupt alsdenn eine Empfindung wahr-
nehme, wenn das Mark des Gehirns auch nur mittel-
mäßig gedrückt oder durchlöchert wird.

Es bestätigen aber überhaupt berümte Männer, die
Gegner mögen sich auch, wie sie wollen, dagegen setzen,
daß nicht nur der Druck des Gehirns von einem Thiere
empfunden z**, sondern auch die Wunden, wenn diese
etwas tief sind, in der That gefühlt werden, wenn gleich
so wenig die Hirnschaale, als das verlängerte Mark, be-
schädigt sind [Spaltenumbruch] a.

Um diesem Streite nun ein Ende zu machen, habe
ich nicht nur das Gehirn an lebendigen Thieren mit klei-
nen Messern verwundet, die mit Menninge roth gefärbet
waren, sondern auch denienigen Theil des Gehirns un-
tersucht, bei dessen Berührung das Thier Krämpfe
bekam. Jch fand demnach, daß eine ziemlich tiefe
Wunde erfordert wurde b, wenn das verlängerte

Mark
y Morand angef. Ort.
z de Clarellis spir. anim. p. 48.
z* Housset von den Versuchen
des Tendon oder Iausserand in M.
St. diss.
z** Caldan. bis 4. 3. 2. 1. Linien
exp. 14. 27. 28. und 26. und p. 87.
und lettr. 2. p. 446.
a Eben da.
b Thom. Laghi gesteht, daß ein
Schlagfluß entsteht, wenn der Zu-
sammmendruck bis auf einen Zoll
geschicht ep. 2. p. 8. und von dem
fortgesetzten Druck bis zur Basis
der Hirnschaale Fabri p. 206.

VII. Ab. Erſch. d. leb. Geh. Die Empfind.
gen fuͤhlte, nachher aber kaum etwas weiter empfand,
ob es gleich von holen Wegen durchnagt wurde [Spaltenumbruch] y, und
da ein Nerve aus ſeiner Lage herausgezogen ward, ſo
hatte dieſer ſchwebende Nerve ſo lange wenig Empfindung,
als er nicht geſpannt und ausgedehnt wurde z. Es
erhellet uͤbrigens aus den Umſtaͤnden, daß die andern
Verſuche nicht gehoͤrig angeſtellt worden z*.

Man erſieht alſo aus dieſen Verſuchen, daß eine
iede Urſache zu einer Muskelbewegung, die von einem
gereitzten Gehirn herruͤhret, ehe nicht wuͤrkſam werde,
um eine Ausdehnung in den Nerven hervorzubringen,
als bis ſolche in das Jnnere des Gehirns durchgedrun-
gen, und man uͤberhaupt alsdenn eine Empfindung wahr-
nehme, wenn das Mark des Gehirns auch nur mittel-
maͤßig gedruͤckt oder durchloͤchert wird.

Es beſtaͤtigen aber uͤberhaupt beruͤmte Maͤnner, die
Gegner moͤgen ſich auch, wie ſie wollen, dagegen ſetzen,
daß nicht nur der Druck des Gehirns von einem Thiere
empfunden z**, ſondern auch die Wunden, wenn dieſe
etwas tief ſind, in der That gefuͤhlt werden, wenn gleich
ſo wenig die Hirnſchaale, als das verlaͤngerte Mark, be-
ſchaͤdigt ſind [Spaltenumbruch] a.

Um dieſem Streite nun ein Ende zu machen, habe
ich nicht nur das Gehirn an lebendigen Thieren mit klei-
nen Meſſern verwundet, die mit Menninge roth gefaͤrbet
waren, ſondern auch denienigen Theil des Gehirns un-
terſucht, bei deſſen Beruͤhrung das Thier Kraͤmpfe
bekam. Jch fand demnach, daß eine ziemlich tiefe
Wunde erfordert wurde b, wenn das verlaͤngerte

Mark
y Morand angef. Ort.
z de Clarellis ſpir. anim. p. 48.
z* Houſſet von den Verſuchen
des Tendon oder Iauſſerand in M.
St. diſſ.
z** Caldan. bis 4. 3. 2. 1. Linien
exp. 14. 27. 28. und 26. und p. 87.
und lettr. 2. p. 446.
a Eben da.
b Thom. Laghi geſteht, daß ein
Schlagfluß entſteht, wenn der Zu-
ſammmendruck bis auf einen Zoll
geſchicht ep. 2. p. 8. und von dem
fortgeſetzten Druck bis zur Baſis
der Hirnſchaale Fabri p. 206.
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[493/0529] VII. Ab. Erſch. d. leb. Geh. Die Empfind. gen fuͤhlte, nachher aber kaum etwas weiter empfand, ob es gleich von holen Wegen durchnagt wurde y, und da ein Nerve aus ſeiner Lage herausgezogen ward, ſo hatte dieſer ſchwebende Nerve ſo lange wenig Empfindung, als er nicht geſpannt und ausgedehnt wurde z. Es erhellet uͤbrigens aus den Umſtaͤnden, daß die andern Verſuche nicht gehoͤrig angeſtellt worden z*. Man erſieht alſo aus dieſen Verſuchen, daß eine iede Urſache zu einer Muskelbewegung, die von einem gereitzten Gehirn herruͤhret, ehe nicht wuͤrkſam werde, um eine Ausdehnung in den Nerven hervorzubringen, als bis ſolche in das Jnnere des Gehirns durchgedrun- gen, und man uͤberhaupt alsdenn eine Empfindung wahr- nehme, wenn das Mark des Gehirns auch nur mittel- maͤßig gedruͤckt oder durchloͤchert wird. Es beſtaͤtigen aber uͤberhaupt beruͤmte Maͤnner, die Gegner moͤgen ſich auch, wie ſie wollen, dagegen ſetzen, daß nicht nur der Druck des Gehirns von einem Thiere empfunden z**, ſondern auch die Wunden, wenn dieſe etwas tief ſind, in der That gefuͤhlt werden, wenn gleich ſo wenig die Hirnſchaale, als das verlaͤngerte Mark, be- ſchaͤdigt ſind a. Um dieſem Streite nun ein Ende zu machen, habe ich nicht nur das Gehirn an lebendigen Thieren mit klei- nen Meſſern verwundet, die mit Menninge roth gefaͤrbet waren, ſondern auch denienigen Theil des Gehirns un- terſucht, bei deſſen Beruͤhrung das Thier Kraͤmpfe bekam. Jch fand demnach, daß eine ziemlich tiefe Wunde erfordert wurde b, wenn das verlaͤngerte Mark y Morand angef. Ort. z de Clarellis ſpir. anim. p. 48. z* Houſſet von den Verſuchen des Tendon oder Iauſſerand in M. St. diſſ. z** Caldan. bis 4. 3. 2. 1. Linien exp. 14. 27. 28. und 26. und p. 87. und lettr. 2. p. 446. a Eben da. b Thom. Laghi geſteht, daß ein Schlagfluß entſteht, wenn der Zu- ſammmendruck bis auf einen Zoll geſchicht ep. 2. p. 8. und von dem fortgeſetzten Druck bis zur Baſis der Hirnſchaale Fabri p. 206.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 4. Berlin, 1768, S. 493. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende04_1768/529>, abgerufen am 25.11.2024.