Kopfe des Krokodils [Spaltenumbruch]g. Eben so lieset man auch von einem Menschen, daß sich dessen abgeschlagener Kopf greslich umgesehen, als man in das Rückenmark einen Finger einsteckte h.
Man würde, wenn man Versuche von grösserer Bewährung aufzuzeigen hätte, an den Vögeln, fast einer- lei Natur mit den Jnseckten antreffen, indem der be- rümte Gautier die Zeichen des Zorns, die Bewegung der Augen, und die Begierde zum Beissen, am Kopfe und auch eben die ietzt erzählten Minen am übrigen Kör- per, als Zeichen des ergrimmten Willens, angetrossen zu haben schreibt. Es hätten aber überhaupt entweder die Theile des Kopfes oder des Leibes nach dem Verhält- nisse den Vorzug gehabt, als das verlängerte und Rü- ckenmark, gegen das Gehirn grösser oder kleiner ge- wesen [Spaltenumbruch]i.
Es scheint mit dem Menschen hingegen gar nicht diese Beschaffenheit zu haben, indem an diesem das ver- renkte Rückenmark der Vollkommenheit der Seele ganz und gar keinen Eintrag thut k, ob es gleich kurz darauf den Tod nach sich zieht.
Daß man aber, wenn sich das Gehirn zu Wasser aufgelößt, und endlich ganz verzehrt hat, dennoch leben könne, solches erweiset weiter nichts, als daß dieienigen Theile ausarten können, welche Lebensbewegungen er- zeugen, und dennoch nicht auf der Stelle den Tod ver- ursachen, ia daß diese Lebenstheile viel von ihren Wesen verlieren, und dennoch einige Geschäfte verrichten kön- nen. Wir haben eben dieses auch vom Herzen erzählt l, ob man gleich dessen Gewalt auf den Fortstoß des Blu- tes, gewiß nicht in Zweifel ziehen kann.
Eben
g Der Kinnbacken eines todten Krokodils beißt den Finger noch ab, Thevenot itin. T. II. c. 72.
hObs. period. 1756. Oct.
iTab. XI.
kp. 351. Galenus, Hipp., Plat. decret. L. VI. c. 8.
lL. IV. p. 432.
VII. Ab. Erſch. d. leb. Geh. Die Empfind.
Kopfe des Krokodils [Spaltenumbruch]g. Eben ſo lieſet man auch von einem Menſchen, daß ſich deſſen abgeſchlagener Kopf greslich umgeſehen, als man in das Ruͤckenmark einen Finger einſteckte h.
Man wuͤrde, wenn man Verſuche von groͤſſerer Bewaͤhrung aufzuzeigen haͤtte, an den Voͤgeln, faſt einer- lei Natur mit den Jnſeckten antreffen, indem der be- ruͤmte Gautier die Zeichen des Zorns, die Bewegung der Augen, und die Begierde zum Beiſſen, am Kopfe und auch eben die ietzt erzaͤhlten Minen am uͤbrigen Koͤr- per, als Zeichen des ergrimmten Willens, angetroſſen zu haben ſchreibt. Es haͤtten aber uͤberhaupt entweder die Theile des Kopfes oder des Leibes nach dem Verhaͤlt- niſſe den Vorzug gehabt, als das verlaͤngerte und Ruͤ- ckenmark, gegen das Gehirn groͤſſer oder kleiner ge- weſen [Spaltenumbruch]i.
Es ſcheint mit dem Menſchen hingegen gar nicht dieſe Beſchaffenheit zu haben, indem an dieſem das ver- renkte Ruͤckenmark der Vollkommenheit der Seele ganz und gar keinen Eintrag thut k, ob es gleich kurz darauf den Tod nach ſich zieht.
Daß man aber, wenn ſich das Gehirn zu Waſſer aufgeloͤßt, und endlich ganz verzehrt hat, dennoch leben koͤnne, ſolches erweiſet weiter nichts, als daß dieienigen Theile ausarten koͤnnen, welche Lebensbewegungen er- zeugen, und dennoch nicht auf der Stelle den Tod ver- urſachen, ia daß dieſe Lebenstheile viel von ihren Weſen verlieren, und dennoch einige Geſchaͤfte verrichten koͤn- nen. Wir haben eben dieſes auch vom Herzen erzaͤhlt l, ob man gleich deſſen Gewalt auf den Fortſtoß des Blu- tes, gewiß nicht in Zweifel ziehen kann.
Eben
g Der Kinnbacken eines todten Krokodils beißt den Finger noch ab, Thevenot itin. T. II. c. 72.
hObſ. period. 1756. Oct.
iTab. XI.
kp. 351. Galenus, Hipp., Plat. decret. L. VI. c. 8.
lL. IV. p. 432.
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[557/0593]
VII. Ab. Erſch. d. leb. Geh. Die Empfind.
Kopfe des Krokodils
g. Eben ſo lieſet man auch von
einem Menſchen, daß ſich deſſen abgeſchlagener Kopf
greslich umgeſehen, als man in das Ruͤckenmark einen
Finger einſteckte h.
Man wuͤrde, wenn man Verſuche von groͤſſerer
Bewaͤhrung aufzuzeigen haͤtte, an den Voͤgeln, faſt einer-
lei Natur mit den Jnſeckten antreffen, indem der be-
ruͤmte Gautier die Zeichen des Zorns, die Bewegung
der Augen, und die Begierde zum Beiſſen, am Kopfe
und auch eben die ietzt erzaͤhlten Minen am uͤbrigen Koͤr-
per, als Zeichen des ergrimmten Willens, angetroſſen
zu haben ſchreibt. Es haͤtten aber uͤberhaupt entweder
die Theile des Kopfes oder des Leibes nach dem Verhaͤlt-
niſſe den Vorzug gehabt, als das verlaͤngerte und Ruͤ-
ckenmark, gegen das Gehirn groͤſſer oder kleiner ge-
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Es ſcheint mit dem Menſchen hingegen gar nicht
dieſe Beſchaffenheit zu haben, indem an dieſem das ver-
renkte Ruͤckenmark der Vollkommenheit der Seele ganz
und gar keinen Eintrag thut k, ob es gleich kurz darauf
den Tod nach ſich zieht.
Daß man aber, wenn ſich das Gehirn zu Waſſer
aufgeloͤßt, und endlich ganz verzehrt hat, dennoch leben
koͤnne, ſolches erweiſet weiter nichts, als daß dieienigen
Theile ausarten koͤnnen, welche Lebensbewegungen er-
zeugen, und dennoch nicht auf der Stelle den Tod ver-
urſachen, ia daß dieſe Lebenstheile viel von ihren Weſen
verlieren, und dennoch einige Geſchaͤfte verrichten koͤn-
nen. Wir haben eben dieſes auch vom Herzen erzaͤhlt l,
ob man gleich deſſen Gewalt auf den Fortſtoß des Blu-
tes, gewiß nicht in Zweifel ziehen kann.
Eben
g Der Kinnbacken eines todten
Krokodils beißt den Finger noch
ab, Thevenot itin. T. II. c. 72.
h Obſ. period. 1756. Oct.
i Tab. XI.
k p. 351. Galenus, Hipp., Plat.
decret. L. VI. c. 8.
l L. IV. p. 432.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 4. Berlin, 1768, S. 557. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende04_1768/593>, abgerufen am 27.11.2024.
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