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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 4. Berlin, 1768.

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Das Gehirn und die Nerven. X. Buch.

Sie sagen, es müsse das flüßige der Nerven, we-
gen der Kleinigkeit der Nervenröhrchen im Herzen, wenn
man solche mit der Aorte vergleicht, welche um
2880000000 mal kleiner, als diese Aorte sind, um 2880
mal geschwinder, als das Blut, oder innerhalb einer
Sekunde durch 57600000000 Fuß [Spaltenumbruch] b, und nach andern
Rechnungen, welche mäßiger sind, durch 7750 b* und
32400 Fuß in einer Sekunde fliessen. Da dieses aber blos
theoretische Zahlen sind, und ich lieber Versuche vor mich
nehmen, ob diese gleich keine solche gebirgige Sinne her-
ausbringen, so finde demohngeachtet doch, daß die aller-
gröste Geschwindigkeit des Muskelsaftes, nicht weniger,
als einen Raum von 9000 Fuß innerhalb einer Minute
durchstreicht [Spaltenumbruch] c.

Viertens muß das flüßige der Nerven ungemein
zart oder dünne sein, um äusserst kleine, und durch kein
Vergrösserungsglas zu entdeckende Röhrchen durchlaufen
zu können, ia es können die Lebensgeister selbst durch kei-
nerlei Art von Beihülfe, für unsre Sinnen sichtbar ge-
macht werden. Dieses flüßige müste ferner darum un-
gememein zart sein, weil es, vermöge des obigen, die
allerschnellste Bewegungen macht. So ist der Strom
des Wassers träge, hingegen der Strom der Luft die
um tausend mal dünner, als das Wasser ist, schon schnel-
ler, noch schneller aber der Strom der elektrischen Ma-
terie, und am allerschnellsten der Strom des Lichts d,
über welches nichts zärter ist. So haben auch die Ele-
mente unter allen Dingen die stärkste Gewalt, weil ihre
Theile am kleinsten sind, dergleichen von denen zu däm-
pfen ausgedehnten Wassertheilen, und den Theilen der
Luft, des Feuers, der elektrischen Materie und des Lichts,
bekannt ist.

Fünf-
b Ess. sur le mechanism. des
muscl. p.
93.
b* Sauvages de la fievre p. 302.
303
c Conf. L. XI.
d Eberhard physiolog. p. 285.
Das Gehirn und die Nerven. X. Buch.

Sie ſagen, es muͤſſe das fluͤßige der Nerven, we-
gen der Kleinigkeit der Nervenroͤhrchen im Herzen, wenn
man ſolche mit der Aorte vergleicht, welche um
2880000000 mal kleiner, als dieſe Aorte ſind, um 2880
mal geſchwinder, als das Blut, oder innerhalb einer
Sekunde durch 57600000000 Fuß [Spaltenumbruch] b, und nach andern
Rechnungen, welche maͤßiger ſind, durch 7750 b* und
32400 Fuß in einer Sekunde flieſſen. Da dieſes aber blos
theoretiſche Zahlen ſind, und ich lieber Verſuche vor mich
nehmen, ob dieſe gleich keine ſolche gebirgige Sinne her-
ausbringen, ſo finde demohngeachtet doch, daß die aller-
groͤſte Geſchwindigkeit des Muskelſaftes, nicht weniger,
als einen Raum von 9000 Fuß innerhalb einer Minute
durchſtreicht [Spaltenumbruch] c.

Viertens muß das fluͤßige der Nerven ungemein
zart oder duͤnne ſein, um aͤuſſerſt kleine, und durch kein
Vergroͤſſerungsglas zu entdeckende Roͤhrchen durchlaufen
zu koͤnnen, ia es koͤnnen die Lebensgeiſter ſelbſt durch kei-
nerlei Art von Beihuͤlfe, fuͤr unſre Sinnen ſichtbar ge-
macht werden. Dieſes fluͤßige muͤſte ferner darum un-
gememein zart ſein, weil es, vermoͤge des obigen, die
allerſchnellſte Bewegungen macht. So iſt der Strom
des Waſſers traͤge, hingegen der Strom der Luft die
um tauſend mal duͤnner, als das Waſſer iſt, ſchon ſchnel-
ler, noch ſchneller aber der Strom der elektriſchen Ma-
terie, und am allerſchnellſten der Strom des Lichts d,
uͤber welches nichts zaͤrter iſt. So haben auch die Ele-
mente unter allen Dingen die ſtaͤrkſte Gewalt, weil ihre
Theile am kleinſten ſind, dergleichen von denen zu daͤm-
pfen ausgedehnten Waſſertheilen, und den Theilen der
Luft, des Feuers, der elektriſchen Materie und des Lichts,
bekannt iſt.

Fuͤnf-
b Eſſ. ſur le mechanism. des
muſcl. p.
93.
b* Sauvages de la fievre p. 302.
303
c Conf. L. XI.
d Eberhard phyſiolog. p. 285.
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[586/0622] Das Gehirn und die Nerven. X. Buch. Sie ſagen, es muͤſſe das fluͤßige der Nerven, we- gen der Kleinigkeit der Nervenroͤhrchen im Herzen, wenn man ſolche mit der Aorte vergleicht, welche um 2880000000 mal kleiner, als dieſe Aorte ſind, um 2880 mal geſchwinder, als das Blut, oder innerhalb einer Sekunde durch 57600000000 Fuß b, und nach andern Rechnungen, welche maͤßiger ſind, durch 7750 b* und 32400 Fuß in einer Sekunde flieſſen. Da dieſes aber blos theoretiſche Zahlen ſind, und ich lieber Verſuche vor mich nehmen, ob dieſe gleich keine ſolche gebirgige Sinne her- ausbringen, ſo finde demohngeachtet doch, daß die aller- groͤſte Geſchwindigkeit des Muskelſaftes, nicht weniger, als einen Raum von 9000 Fuß innerhalb einer Minute durchſtreicht c. Viertens muß das fluͤßige der Nerven ungemein zart oder duͤnne ſein, um aͤuſſerſt kleine, und durch kein Vergroͤſſerungsglas zu entdeckende Roͤhrchen durchlaufen zu koͤnnen, ia es koͤnnen die Lebensgeiſter ſelbſt durch kei- nerlei Art von Beihuͤlfe, fuͤr unſre Sinnen ſichtbar ge- macht werden. Dieſes fluͤßige muͤſte ferner darum un- gememein zart ſein, weil es, vermoͤge des obigen, die allerſchnellſte Bewegungen macht. So iſt der Strom des Waſſers traͤge, hingegen der Strom der Luft die um tauſend mal duͤnner, als das Waſſer iſt, ſchon ſchnel- ler, noch ſchneller aber der Strom der elektriſchen Ma- terie, und am allerſchnellſten der Strom des Lichts d, uͤber welches nichts zaͤrter iſt. So haben auch die Ele- mente unter allen Dingen die ſtaͤrkſte Gewalt, weil ihre Theile am kleinſten ſind, dergleichen von denen zu daͤm- pfen ausgedehnten Waſſertheilen, und den Theilen der Luft, des Feuers, der elektriſchen Materie und des Lichts, bekannt iſt. Fuͤnf- b Eſſ. ſur le mechanism. des muſcl. p. 93. b* Sauvages de la fievre p. 302. 303 c Conf. L. XI. d Eberhard phyſiolog. p. 285.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 4. Berlin, 1768, S. 586. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende04_1768/622>, abgerufen am 22.11.2024.