So wie diese ganze Theorie von der Sorgfalt der Ge- lehrten, ihre Vollkommenheit bekommen hat, so wissen wir auch das Maaß von der Kugel genau, davon das Glaß ein Theil sein muß, womit ein jeder Kurzsichtiger auf das deutlichste sehen soll. Wenn nemlich alle beide Flächen hohl sind, so muß der Radius gleich sein, der Distanz des deutlichen Sehens, und er muß doppelt so groß als dieselbe sein (q), wenn die eine Fläche platt, die andere hohl ist. Eine andere längere Formel ist folgende, nemlich die Distanz des deutlichen Sehens für ein gewafnetes Au- ge, wird dividiret durch die Differenz beider Distanzen, die für ein bewafnetes und unbewafnetes Auge dienlich sind (r).
Man erforscht endlich die Kräfte der Augen zweier Menschen oder eines Menschen, zu den verschiedenen Zei- ten seines Lebens, wenn man ein Object, so wenigstens sechs Fuß weit entfernt ist, besiehet, und dieses wäre die nächste Distanz, woher die Strahlen einigermassen pa- ralel ankommen, und wenn man die Augen durch zwei kleine Löcher eines Papiers leitet. Solchergestalt muß man erfahren, ob man mit dem blossen Auge einerlei Körper einfach sieht: ob man mit einem convexen oder hohlen Glase sehen müsse, um den Körper einfach zu sehen, und von was für einem Radius man dieses Glaß zu erwählen nöthig habe. Auf solche Art wird der Weit- sichtige aus dem Radio des convexen Glases, welches er nöthig haben wird, den Fehler seiner Augen, so wie der Kurzsichtige, aus dem Radio des Hohlglases abmessen können: und es werden sich die verglichenen Kräfte ihrer Augen, verkehrt wie ihre Radii verhalten (s).
§, 17.
(q)[Spaltenumbruch]HUGEN prop. 32. BOER- HAAVE de morb. ocul. p. 129. zu grossen Entfernungen HELSHAM pag. 378.
(r)HELSHAM pag. 327. POR- TERFIELD II. p. 41.
(s)[Spaltenumbruch]Conf. la HIRE pag. 626. Iourn. des savans 1685 n. 23. das beste Auge soll nach dem Aus- spruche des la HIRE ein Object auf vier Zoll weit einfach sehen.
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IV. Abſchnitt. Das Sehen.
So wie dieſe ganze Theorie von der Sorgfalt der Ge- lehrten, ihre Vollkommenheit bekommen hat, ſo wiſſen wir auch das Maaß von der Kugel genau, davon das Glaß ein Theil ſein muß, womit ein jeder Kurzſichtiger auf das deutlichſte ſehen ſoll. Wenn nemlich alle beide Flaͤchen hohl ſind, ſo muß der Radius gleich ſein, der Diſtanz des deutlichen Sehens, und er muß doppelt ſo groß als dieſelbe ſein (q), wenn die eine Flaͤche platt, die andere hohl iſt. Eine andere laͤngere Formel iſt folgende, nemlich die Diſtanz des deutlichen Sehens fuͤr ein gewafnetes Au- ge, wird dividiret durch die Differenz beider Diſtanzen, die fuͤr ein bewafnetes und unbewafnetes Auge dienlich ſind (r).
Man erforſcht endlich die Kraͤfte der Augen zweier Menſchen oder eines Menſchen, zu den verſchiedenen Zei- ten ſeines Lebens, wenn man ein Object, ſo wenigſtens ſechs Fuß weit entfernt iſt, beſiehet, und dieſes waͤre die naͤchſte Diſtanz, woher die Strahlen einigermaſſen pa- ralel ankommen, und wenn man die Augen durch zwei kleine Loͤcher eines Papiers leitet. Solchergeſtalt muß man erfahren, ob man mit dem bloſſen Auge einerlei Koͤrper einfach ſieht: ob man mit einem convexen oder hohlen Glaſe ſehen muͤſſe, um den Koͤrper einfach zu ſehen, und von was fuͤr einem Radius man dieſes Glaß zu erwaͤhlen noͤthig habe. Auf ſolche Art wird der Weit- ſichtige aus dem Radio des convexen Glaſes, welches er noͤthig haben wird, den Fehler ſeiner Augen, ſo wie der Kurzſichtige, aus dem Radio des Hohlglaſes abmeſſen koͤnnen: und es werden ſich die verglichenen Kraͤfte ihrer Augen, verkehrt wie ihre Radii verhalten (s).
§, 17.
(q)[Spaltenumbruch]HUGEN prop. 32. BOER- HAAVE de morb. ocul. p. 129. zu groſſen Entfernungen HELSHAM pag. 378.
(r)HELSHAM pag. 327. POR- TERFIELD II. p. 41.
(s)[Spaltenumbruch]Conf. la HIRE pag. 626. Iourn. des ſavans 1685 n. 23. das beſte Auge ſoll nach dem Aus- ſpruche des la HIRE ein Object auf vier Zoll weit einfach ſehen.
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IV. Abſchnitt. Das Sehen.
So wie dieſe ganze Theorie von der Sorgfalt der Ge-
lehrten, ihre Vollkommenheit bekommen hat, ſo wiſſen
wir auch das Maaß von der Kugel genau, davon das
Glaß ein Theil ſein muß, womit ein jeder Kurzſichtiger
auf das deutlichſte ſehen ſoll. Wenn nemlich alle beide
Flaͤchen hohl ſind, ſo muß der Radius gleich ſein, der
Diſtanz des deutlichen Sehens, und er muß doppelt ſo groß
als dieſelbe ſein (q), wenn die eine Flaͤche platt, die andere
hohl iſt. Eine andere laͤngere Formel iſt folgende, nemlich
die Diſtanz des deutlichen Sehens fuͤr ein gewafnetes Au-
ge, wird dividiret durch die Differenz beider Diſtanzen,
die fuͤr ein bewafnetes und unbewafnetes Auge dienlich
ſind (r).
Man erforſcht endlich die Kraͤfte der Augen zweier
Menſchen oder eines Menſchen, zu den verſchiedenen Zei-
ten ſeines Lebens, wenn man ein Object, ſo wenigſtens
ſechs Fuß weit entfernt iſt, beſiehet, und dieſes waͤre die
naͤchſte Diſtanz, woher die Strahlen einigermaſſen pa-
ralel ankommen, und wenn man die Augen durch zwei
kleine Loͤcher eines Papiers leitet. Solchergeſtalt muß
man erfahren, ob man mit dem bloſſen Auge einerlei
Koͤrper einfach ſieht: ob man mit einem convexen oder
hohlen Glaſe ſehen muͤſſe, um den Koͤrper einfach zu
ſehen, und von was fuͤr einem Radius man dieſes Glaß
zu erwaͤhlen noͤthig habe. Auf ſolche Art wird der Weit-
ſichtige aus dem Radio des convexen Glaſes, welches er
noͤthig haben wird, den Fehler ſeiner Augen, ſo wie der
Kurzſichtige, aus dem Radio des Hohlglaſes abmeſſen
koͤnnen: und es werden ſich die verglichenen Kraͤfte ihrer
Augen, verkehrt wie ihre Radii verhalten (s).
§, 17.
(q)
HUGEN prop. 32. BOER-
HAAVE de morb. ocul. p. 129.
zu groſſen Entfernungen HELSHAM
pag. 378.
(r) HELSHAM pag. 327. POR-
TERFIELD II. p. 41.
(s)
Conf. la HIRE pag. 626.
Iourn. des ſavans 1685 n. 23.
das beſte Auge ſoll nach dem Aus-
ſpruche des la HIRE ein Object auf
vier Zoll weit einfach ſehen.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 1001. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/1019>, abgerufen am 22.11.2024.
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