Die Mathematiker haben die Erinnerung gethan, es würden von so grossen Kräften nur grobe Bewegungen entstehen, wodurch das äusserstzarte Sehen, in Verwir- rung gebracht werden müste (t), und es sei die verän- derte Länge des Auges nicht hinlänglich, wofern es sich nicht um den zehnten Theil verändern liesse (u). Einige Personen haben auch mit einem unbewegtem Auge voll- kommen gesehen (x).
An den Fischen scheint, der Muskel der Aderhaut das Auge wirklich kürzer zu machen (y): Denn diese Thiere haben einen unbeweglichen Stern, und vermissen also denjenigen Vortheil, den die Natur den übrigen Thierclassen angewiesen hat (z).
Jn der That ist der Kreiß der Traubenhaut an den Vögeln bald knorplich und knochig, bald bestehet er aus Gefässen, es läst sich aber von diesem Kreise keine Wir- kung auf die Hornhaut, welches eine so harte Membran ist, erwarten, und es ist uns auf keinerlei Weise erlaubt, Bauarten zum Behufe einer zum Grund gelegten Noth- wendigkeit zu erdichten.
§. 27. Schon die Bewegung des Sterns ist dazu hinlänglich.
Daß man alle diese Hipothesen erfunden, daran war dieses Ursach, daß die Physiologisten glaubten, ein Mensch sehe in den sehr verschiedenen Weiten dennoch deutlich, und folglich werde eine Veränderung in den brechenden Kräften dazu erfordert.
Nun ist dieses alles geringer, als es gemeiniglich ge- schicht, da ich mich wohl hundertmal der Camera obscura
bedien-
(t)[Spaltenumbruch]PEMBERTON n. 2. TAY- LOR p. 112.
(u)NOLLET lec. de phys. T. V. p. 481.
(x)[Spaltenumbruch]BOYLE post. final. caus. obs. 8.
(y)pag. 364.
(z)pag. 135.
IV. Abſchnitt. Das Sehen.
Die Mathematiker haben die Erinnerung gethan, es wuͤrden von ſo groſſen Kraͤften nur grobe Bewegungen entſtehen, wodurch das aͤuſſerſtzarte Sehen, in Verwir- rung gebracht werden muͤſte (t), und es ſei die veraͤn- derte Laͤnge des Auges nicht hinlaͤnglich, wofern es ſich nicht um den zehnten Theil veraͤndern lieſſe (u). Einige Perſonen haben auch mit einem unbewegtem Auge voll- kommen geſehen (x).
An den Fiſchen ſcheint, der Muſkel der Aderhaut das Auge wirklich kuͤrzer zu machen (y): Denn dieſe Thiere haben einen unbeweglichen Stern, und vermiſſen alſo denjenigen Vortheil, den die Natur den uͤbrigen Thierclaſſen angewieſen hat (z).
Jn der That iſt der Kreiß der Traubenhaut an den Voͤgeln bald knorplich und knochig, bald beſtehet er aus Gefaͤſſen, es laͤſt ſich aber von dieſem Kreiſe keine Wir- kung auf die Hornhaut, welches eine ſo harte Membran iſt, erwarten, und es iſt uns auf keinerlei Weiſe erlaubt, Bauarten zum Behufe einer zum Grund gelegten Noth- wendigkeit zu erdichten.
§. 27. Schon die Bewegung des Sterns iſt dazu hinlaͤnglich.
Daß man alle dieſe Hipotheſen erfunden, daran war dieſes Urſach, daß die Phyſiologiſten glaubten, ein Menſch ſehe in den ſehr verſchiedenen Weiten dennoch deutlich, und folglich werde eine Veraͤnderung in den brechenden Kraͤften dazu erfordert.
Nun iſt dieſes alles geringer, als es gemeiniglich ge- ſchicht, da ich mich wohl hundertmal der Camera obſcura
bedien-
(t)[Spaltenumbruch]PEMBERTON n. 2. TAY- LOR p. 112.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f1041"n="1023"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">IV.</hi> Abſchnitt. Das Sehen.</hi></fw><lb/><p>Die Mathematiker haben die Erinnerung gethan, es<lb/>
wuͤrden von ſo groſſen Kraͤften nur grobe Bewegungen<lb/>
entſtehen, wodurch das aͤuſſerſtzarte Sehen, in Verwir-<lb/>
rung gebracht werden muͤſte <noteplace="foot"n="(t)"><cb/><hirendition="#aq">PEMBERTON n. 2. TAY-<lb/>
LOR p.</hi> 112.</note>, und es ſei die veraͤn-<lb/>
derte Laͤnge des Auges nicht hinlaͤnglich, wofern es ſich<lb/>
nicht um den zehnten Theil veraͤndern lieſſe <noteplace="foot"n="(u)"><hirendition="#aq">NOLLET lec. de phyſ. T.<lb/>
V. p.</hi> 481.</note>. Einige<lb/>
Perſonen haben auch mit einem unbewegtem Auge voll-<lb/>
kommen geſehen <noteplace="foot"n="(x)"><cb/><hirendition="#aq"><hirendition="#g">BOYLE</hi> poſt. final. cauſ.<lb/>
obſ.</hi> 8.</note>.</p><lb/><p>An den Fiſchen ſcheint, der Muſkel der Aderhaut<lb/>
das Auge wirklich kuͤrzer zu machen <noteplace="foot"n="(y)"><hirendition="#aq">pag.</hi> 364.</note>: Denn dieſe<lb/>
Thiere haben einen unbeweglichen Stern, und vermiſſen<lb/>
alſo denjenigen Vortheil, den die Natur den uͤbrigen<lb/>
Thierclaſſen angewieſen hat <noteplace="foot"n="(z)"><hirendition="#aq">pag.</hi> 135.</note>.</p><lb/><p>Jn der That iſt der Kreiß der Traubenhaut an den<lb/>
Voͤgeln bald knorplich und knochig, bald beſtehet er aus<lb/>
Gefaͤſſen, es laͤſt ſich aber von dieſem Kreiſe keine Wir-<lb/>
kung auf die Hornhaut, welches eine ſo harte Membran<lb/>
iſt, erwarten, und es iſt uns auf keinerlei Weiſe erlaubt,<lb/>
Bauarten zum Behufe einer zum Grund gelegten Noth-<lb/>
wendigkeit zu erdichten.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 27.<lb/>
Schon die Bewegung des Sterns iſt dazu<lb/>
hinlaͤnglich.</head><lb/><p>Daß man alle dieſe Hipotheſen erfunden, daran war<lb/>
dieſes Urſach, daß die Phyſiologiſten glaubten, ein Menſch<lb/>ſehe in den ſehr verſchiedenen Weiten dennoch deutlich,<lb/>
und folglich werde eine Veraͤnderung in den brechenden<lb/>
Kraͤften dazu erfordert.</p><lb/><p>Nun iſt dieſes alles geringer, als es gemeiniglich ge-<lb/>ſchicht, da ich mich wohl hundertmal der Camera obſcura<lb/><fwplace="bottom"type="catch">bedien-</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[1023/1041]
IV. Abſchnitt. Das Sehen.
Die Mathematiker haben die Erinnerung gethan, es
wuͤrden von ſo groſſen Kraͤften nur grobe Bewegungen
entſtehen, wodurch das aͤuſſerſtzarte Sehen, in Verwir-
rung gebracht werden muͤſte (t), und es ſei die veraͤn-
derte Laͤnge des Auges nicht hinlaͤnglich, wofern es ſich
nicht um den zehnten Theil veraͤndern lieſſe (u). Einige
Perſonen haben auch mit einem unbewegtem Auge voll-
kommen geſehen (x).
An den Fiſchen ſcheint, der Muſkel der Aderhaut
das Auge wirklich kuͤrzer zu machen (y): Denn dieſe
Thiere haben einen unbeweglichen Stern, und vermiſſen
alſo denjenigen Vortheil, den die Natur den uͤbrigen
Thierclaſſen angewieſen hat (z).
Jn der That iſt der Kreiß der Traubenhaut an den
Voͤgeln bald knorplich und knochig, bald beſtehet er aus
Gefaͤſſen, es laͤſt ſich aber von dieſem Kreiſe keine Wir-
kung auf die Hornhaut, welches eine ſo harte Membran
iſt, erwarten, und es iſt uns auf keinerlei Weiſe erlaubt,
Bauarten zum Behufe einer zum Grund gelegten Noth-
wendigkeit zu erdichten.
§. 27.
Schon die Bewegung des Sterns iſt dazu
hinlaͤnglich.
Daß man alle dieſe Hipotheſen erfunden, daran war
dieſes Urſach, daß die Phyſiologiſten glaubten, ein Menſch
ſehe in den ſehr verſchiedenen Weiten dennoch deutlich,
und folglich werde eine Veraͤnderung in den brechenden
Kraͤften dazu erfordert.
Nun iſt dieſes alles geringer, als es gemeiniglich ge-
ſchicht, da ich mich wohl hundertmal der Camera obſcura
bedien-
(t)
PEMBERTON n. 2. TAY-
LOR p. 112.
(u) NOLLET lec. de phyſ. T.
V. p. 481.
(x)
BOYLE poſt. final. cauſ.
obſ. 8.
(y) pag. 364.
(z) pag. 135.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 1023. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/1041>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.