Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite
IV. Abschnitt. Das Sehen.

Jch lese, daß sich der berühmte Porterfield mit fol-
gender Ausflucht entschuldigt (e). Die weise Seele än-
dere ihr Auge nicht, so bald sie ohne dem deutlich sieht,
deutlich aber sehe sie durch ein kleines Loch.

Jch lese ebenfals, was der berühmte Smith (f),
von den Strahlen geschrieben, die durch ein kleines Loch
nach auswendig gebogen würden, und also von einem nä-
heren Körper herzukommen scheinen. Doch ich glaube
überhaupt, aus den Figuren dieses berühmten Mannes
selbst ersehen zu können, daß seiner Hipothese zuwider, die
Vorstellung von einem entfernten Körper einfach, von ei-
nem nahen aber doppelt geschehen müsse.

Wenn man nun, wie oben gezeiget worden, bedenkt,
daß keine Kräfte da sind (g), die Figur oder Krümmung
der Linse zu verändern: und daß keine gewisse Bewegung
im Auge vorgehe, ausgenommen die Verengerung des
Sterns: wenn man noch bedenkt, daß auch in der Ca-
mera obscura, die Verengerung der Pupille (h), oder
des Loches, durch welches das Licht einfält, macht, daß
nahe Objecte deutlich erscheinen, so wird man mit mir
wahrscheinlich finden, daß die Verengerung der Pupille
dazu hinreichend sei, so wie sie in den Menschen statt fin-
det, und sich zu dem Phänomenon passet (i). Warum
man aber hin und wieder die Veränderung an der Linse,
oder an dem inwendigen Auge (k) für nothwendig ange-
sehen, davon scheint die Ursache in der gar zu grossen
Breite des deutlichen Sehpunkts zu stekken, wie sie be-
rühmte Männer angenommen haben. Wer ein Buch
von kleinen Schriften lieset, wird leicht befinden, daß
eine geringe Distanz unschädlich sei, wenn man dieses
Buch näher oder weiter vom Auge halten darf, ohne

daß
(e) [Spaltenumbruch] Ess. of Edimb. T. II. p. 7.
(f) Remarks p. 3. f. 6. 7.
(g) pag. 515.
(h) le ROI p. 598.
(i) [Spaltenumbruch] la HIRE. le ROI.
(k) SMITH pop. tract. n. 85.
remarks n. 13. 14 PEMBERTON,
DERHAMO 3. p.
1.
H. Phisiol. 5. B. T t t
IV. Abſchnitt. Das Sehen.

Jch leſe, daß ſich der beruͤhmte Porterfield mit fol-
gender Ausflucht entſchuldigt (e). Die weiſe Seele aͤn-
dere ihr Auge nicht, ſo bald ſie ohne dem deutlich ſieht,
deutlich aber ſehe ſie durch ein kleines Loch.

Jch leſe ebenfals, was der beruͤhmte Smith (f),
von den Strahlen geſchrieben, die durch ein kleines Loch
nach auswendig gebogen wuͤrden, und alſo von einem naͤ-
heren Koͤrper herzukommen ſcheinen. Doch ich glaube
uͤberhaupt, aus den Figuren dieſes beruͤhmten Mannes
ſelbſt erſehen zu koͤnnen, daß ſeiner Hipotheſe zuwider, die
Vorſtellung von einem entfernten Koͤrper einfach, von ei-
nem nahen aber doppelt geſchehen muͤſſe.

Wenn man nun, wie oben gezeiget worden, bedenkt,
daß keine Kraͤfte da ſind (g), die Figur oder Kruͤmmung
der Linſe zu veraͤndern: und daß keine gewiſſe Bewegung
im Auge vorgehe, ausgenommen die Verengerung des
Sterns: wenn man noch bedenkt, daß auch in der Ca-
mera obſcura, die Verengerung der Pupille (h), oder
des Loches, durch welches das Licht einfaͤlt, macht, daß
nahe Objecte deutlich erſcheinen, ſo wird man mit mir
wahrſcheinlich finden, daß die Verengerung der Pupille
dazu hinreichend ſei, ſo wie ſie in den Menſchen ſtatt fin-
det, und ſich zu dem Phaͤnomenon paſſet (i). Warum
man aber hin und wieder die Veraͤnderung an der Linſe,
oder an dem inwendigen Auge (k) fuͤr nothwendig ange-
ſehen, davon ſcheint die Urſache in der gar zu groſſen
Breite des deutlichen Sehpunkts zu ſtekken, wie ſie be-
ruͤhmte Maͤnner angenommen haben. Wer ein Buch
von kleinen Schriften lieſet, wird leicht befinden, daß
eine geringe Diſtanz unſchaͤdlich ſei, wenn man dieſes
Buch naͤher oder weiter vom Auge halten darf, ohne

daß
(e) [Spaltenumbruch] Eſſ. of Edimb. T. II. p. 7.
(f) Remarks p. 3. f. 6. 7.
(g) pag. 515.
(h) le ROI p. 598.
(i) [Spaltenumbruch] la HIRE. le ROI.
(k) SMITH pop. tract. n. 85.
remarks n. 13. 14 PEMBERTON,
DERHAMO 3. p.
1.
H. Phiſiol. 5. B. T t t
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f1043" n="1025"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">IV.</hi> Ab&#x017F;chnitt. Das Sehen.</hi> </fw><lb/>
            <p>Jch le&#x017F;e, daß &#x017F;ich der beru&#x0364;hmte <hi rendition="#fr">Porterfield</hi> mit fol-<lb/>
gender Ausflucht ent&#x017F;chuldigt <note place="foot" n="(e)"><cb/><hi rendition="#aq">E&#x017F;&#x017F;. of Edimb. T. II. p.</hi> 7.</note>. Die wei&#x017F;e Seele a&#x0364;n-<lb/>
dere ihr Auge nicht, &#x017F;o bald &#x017F;ie ohne dem deutlich &#x017F;ieht,<lb/>
deutlich aber &#x017F;ehe &#x017F;ie durch ein kleines Loch.</p><lb/>
            <p>Jch le&#x017F;e ebenfals, was der beru&#x0364;hmte <hi rendition="#fr">Smith</hi> <note place="foot" n="(f)"><hi rendition="#aq">Remarks p. 3. f.</hi> 6. 7.</note>,<lb/>
von den Strahlen ge&#x017F;chrieben, die durch ein kleines Loch<lb/>
nach auswendig gebogen wu&#x0364;rden, und al&#x017F;o von einem na&#x0364;-<lb/>
heren Ko&#x0364;rper herzukommen &#x017F;cheinen. Doch ich glaube<lb/>
u&#x0364;berhaupt, aus den Figuren die&#x017F;es beru&#x0364;hmten Mannes<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t er&#x017F;ehen zu ko&#x0364;nnen, daß &#x017F;einer Hipothe&#x017F;e zuwider, die<lb/>
Vor&#x017F;tellung von einem entfernten Ko&#x0364;rper einfach, von ei-<lb/>
nem nahen aber doppelt ge&#x017F;chehen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e.</p><lb/>
            <p>Wenn man nun, wie oben gezeiget worden, bedenkt,<lb/>
daß keine Kra&#x0364;fte da &#x017F;ind <note place="foot" n="(g)"><hi rendition="#aq">pag.</hi> 515.</note>, die Figur oder Kru&#x0364;mmung<lb/>
der Lin&#x017F;e zu vera&#x0364;ndern: und daß keine gewi&#x017F;&#x017F;e Bewegung<lb/>
im Auge vorgehe, ausgenommen die Verengerung des<lb/>
Sterns: wenn man noch bedenkt, daß auch in der Ca-<lb/>
mera ob&#x017F;cura, die Verengerung der Pupille <note place="foot" n="(h)"><hi rendition="#aq">le ROI p.</hi> 598.</note>, oder<lb/>
des Loches, durch welches das Licht einfa&#x0364;lt, macht, daß<lb/>
nahe Objecte deutlich er&#x017F;cheinen, &#x017F;o wird man mit mir<lb/>
wahr&#x017F;cheinlich finden, daß die Verengerung der Pupille<lb/>
dazu hinreichend &#x017F;ei, &#x017F;o wie &#x017F;ie in den Men&#x017F;chen &#x017F;tatt fin-<lb/>
det, und &#x017F;ich zu dem Pha&#x0364;nomenon pa&#x017F;&#x017F;et <note place="foot" n="(i)"><cb/><hi rendition="#aq">la HIRE. le ROI.</hi></note>. Warum<lb/>
man aber hin und wieder die Vera&#x0364;nderung an der Lin&#x017F;e,<lb/>
oder an dem inwendigen Auge <note place="foot" n="(k)"><hi rendition="#aq">SMITH pop. tract. n. 85.<lb/>
remarks n. 13. 14 PEMBERTON,<lb/>
DERHAMO 3. p.</hi> 1.</note> fu&#x0364;r nothwendig ange-<lb/>
&#x017F;ehen, davon &#x017F;cheint die Ur&#x017F;ache in der gar zu gro&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Breite des deutlichen Sehpunkts zu &#x017F;tekken, wie &#x017F;ie be-<lb/>
ru&#x0364;hmte Ma&#x0364;nner angenommen haben. Wer ein Buch<lb/>
von kleinen Schriften lie&#x017F;et, wird leicht befinden, daß<lb/>
eine geringe Di&#x017F;tanz un&#x017F;cha&#x0364;dlich &#x017F;ei, wenn man die&#x017F;es<lb/>
Buch na&#x0364;her oder weiter vom Auge halten darf, ohne<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">daß</fw><lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">H. Phi&#x017F;iol. 5. B.</hi> T t t</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1025/1043] IV. Abſchnitt. Das Sehen. Jch leſe, daß ſich der beruͤhmte Porterfield mit fol- gender Ausflucht entſchuldigt (e). Die weiſe Seele aͤn- dere ihr Auge nicht, ſo bald ſie ohne dem deutlich ſieht, deutlich aber ſehe ſie durch ein kleines Loch. Jch leſe ebenfals, was der beruͤhmte Smith (f), von den Strahlen geſchrieben, die durch ein kleines Loch nach auswendig gebogen wuͤrden, und alſo von einem naͤ- heren Koͤrper herzukommen ſcheinen. Doch ich glaube uͤberhaupt, aus den Figuren dieſes beruͤhmten Mannes ſelbſt erſehen zu koͤnnen, daß ſeiner Hipotheſe zuwider, die Vorſtellung von einem entfernten Koͤrper einfach, von ei- nem nahen aber doppelt geſchehen muͤſſe. Wenn man nun, wie oben gezeiget worden, bedenkt, daß keine Kraͤfte da ſind (g), die Figur oder Kruͤmmung der Linſe zu veraͤndern: und daß keine gewiſſe Bewegung im Auge vorgehe, ausgenommen die Verengerung des Sterns: wenn man noch bedenkt, daß auch in der Ca- mera obſcura, die Verengerung der Pupille (h), oder des Loches, durch welches das Licht einfaͤlt, macht, daß nahe Objecte deutlich erſcheinen, ſo wird man mit mir wahrſcheinlich finden, daß die Verengerung der Pupille dazu hinreichend ſei, ſo wie ſie in den Menſchen ſtatt fin- det, und ſich zu dem Phaͤnomenon paſſet (i). Warum man aber hin und wieder die Veraͤnderung an der Linſe, oder an dem inwendigen Auge (k) fuͤr nothwendig ange- ſehen, davon ſcheint die Urſache in der gar zu groſſen Breite des deutlichen Sehpunkts zu ſtekken, wie ſie be- ruͤhmte Maͤnner angenommen haben. Wer ein Buch von kleinen Schriften lieſet, wird leicht befinden, daß eine geringe Diſtanz unſchaͤdlich ſei, wenn man dieſes Buch naͤher oder weiter vom Auge halten darf, ohne daß (e) Eſſ. of Edimb. T. II. p. 7. (f) Remarks p. 3. f. 6. 7. (g) pag. 515. (h) le ROI p. 598. (i) la HIRE. le ROI. (k) SMITH pop. tract. n. 85. remarks n. 13. 14 PEMBERTON, DERHAMO 3. p. 1. H. Phiſiol. 5. B. T t t

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/1043
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 1025. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/1043>, abgerufen am 22.11.2024.