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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

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Der Verstand. XVII. Buch.

Folglich hänge die Vollkommenheit des Wizzes, so
wie des Gedächtnisses, von der Beschaffenheit des Kör-
pers ab.

Mir deucht, daß man auf diese Einwürfe gründlich
antworten könne. Es erlangt der Wizz eine grössere Ge-
schwindigkeit, in den Jdeen, welche der Seele gegenwär-
tig sind (u). Solchergestalt kann die Seele, da ihr in-
nerhalb einerlei Zeit mehr besondre Begriffe vor Augen
schweben, die Aehnlichkeiten entdekken (x), welche andre
viel langsamer erreichen, weil gleichsam das Räderwerk
der Jdeen in ihnen träger umläuft. Cäsar besas einen
ungemeinen Wizz (y), weil er vier Schreibern Briefe
diktirte, und so gar sieben, so oft er von allen andern Ar-
beiten frei war. Dieses ist aber ein Werk der Geschwin-
digkeit, indem er nicht sieben Geschäfte ausrichtete, son-
dern von einem zum andern geschwinde übergieng.

Es wird ferner zum Wizze eine grössere Empfindba-
keit, als in einem mittelmäßigen Menschen erfordert, da-
mit uns diese Aehnlichkeit stark und lebhaft rühren möge,
welche sonst einen Dummen nicht in Bewegung sezzen würde.

Beides aber geschiehet von denjenigen Ursachen, von
denen der Wizz, wie wir gesagt haben, vergrössert wird.
Jn den Fiebern und in der Gehirnentzündung, empfin-
det man (z) eine unerträgliche Empfindung (a), ein Zit-
tern (b) bei dem Tone einer gemeinen Stimme, die Au-
genschmerzen beim Lichte (c), und wir riechen und schmek-
ken schärfer, wenn wir gleich wieder gesund werden. So
giebt es Wahnwizzige, welche, wenn sie sich besser befinden,

die
(u) [Spaltenumbruch] BONNET pag 340. Eine
klare Jdee soll in einer halbe Se-
cunde entsteden. CHLADENIUS
de celerit. cogit.
eine alte in drei
Terzen fertig werden IDEM.
(x) Conf. ebenfalls CHLADE-
NIUM.
(y) PLINIUS L. VII. c. 25.
(z) HOME facts p. 183.
(a) [Spaltenumbruch] L. X. p. 293. KLOEKHOF
pag.
112
(b) Phil. trans. Vol. XLIX P. l.
n. 12 BOURDELOT in conterenc.
de Denis p. 129 HOME facts p.

184 an sich selbsten.
(c) HOME l. c. an sich selbst p.
184.
Der Verſtand. XVII. Buch.

Folglich haͤnge die Vollkommenheit des Wizzes, ſo
wie des Gedaͤchtniſſes, von der Beſchaffenheit des Koͤr-
pers ab.

Mir deucht, daß man auf dieſe Einwuͤrfe gruͤndlich
antworten koͤnne. Es erlangt der Wizz eine groͤſſere Ge-
ſchwindigkeit, in den Jdeen, welche der Seele gegenwaͤr-
tig ſind (u). Solchergeſtalt kann die Seele, da ihr in-
nerhalb einerlei Zeit mehr beſondre Begriffe vor Augen
ſchweben, die Aehnlichkeiten entdekken (x), welche andre
viel langſamer erreichen, weil gleichſam das Raͤderwerk
der Jdeen in ihnen traͤger umlaͤuft. Caͤſar beſas einen
ungemeinen Wizz (y), weil er vier Schreibern Briefe
diktirte, und ſo gar ſieben, ſo oft er von allen andern Ar-
beiten frei war. Dieſes iſt aber ein Werk der Geſchwin-
digkeit, indem er nicht ſieben Geſchaͤfte ausrichtete, ſon-
dern von einem zum andern geſchwinde uͤbergieng.

Es wird ferner zum Wizze eine groͤſſere Empfindba-
keit, als in einem mittelmaͤßigen Menſchen erfordert, da-
mit uns dieſe Aehnlichkeit ſtark und lebhaft ruͤhren moͤge,
welche ſonſt einen Dummen nicht in Bewegung ſezzen wuͤrde.

Beides aber geſchiehet von denjenigen Urſachen, von
denen der Wizz, wie wir geſagt haben, vergroͤſſert wird.
Jn den Fiebern und in der Gehirnentzuͤndung, empfin-
det man (z) eine unertraͤgliche Empfindung (a), ein Zit-
tern (b) bei dem Tone einer gemeinen Stimme, die Au-
genſchmerzen beim Lichte (c), und wir riechen und ſchmek-
ken ſchaͤrfer, wenn wir gleich wieder geſund werden. So
giebt es Wahnwizzige, welche, wenn ſie ſich beſſer befinden,

die
(u) [Spaltenumbruch] BONNET pag 340. Eine
klare Jdee ſoll in einer halbe Se-
cunde entſteden. CHLADENIUS
de celerit. cogit.
eine alte in drei
Terzen fertig werden IDEM.
(x) Conf. ebenfalls CHLADE-
NIUM.
(y) PLINIUS L. VII. c. 25.
(z) HOME facts p. 183.
(a) [Spaltenumbruch] L. X. p. 293. KLOEKHOF
pag.
112
(b) Phil. tranſ. Vol. XLIX P. l.
n. 12 BOURDELOT in conterenc.
de Denis p. 129 HOME facts p.

184 an ſich ſelbſten.
(c) HOME l. c. an ſich ſelbſt p.
184.
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[1088/1106] Der Verſtand. XVII. Buch. Folglich haͤnge die Vollkommenheit des Wizzes, ſo wie des Gedaͤchtniſſes, von der Beſchaffenheit des Koͤr- pers ab. Mir deucht, daß man auf dieſe Einwuͤrfe gruͤndlich antworten koͤnne. Es erlangt der Wizz eine groͤſſere Ge- ſchwindigkeit, in den Jdeen, welche der Seele gegenwaͤr- tig ſind (u). Solchergeſtalt kann die Seele, da ihr in- nerhalb einerlei Zeit mehr beſondre Begriffe vor Augen ſchweben, die Aehnlichkeiten entdekken (x), welche andre viel langſamer erreichen, weil gleichſam das Raͤderwerk der Jdeen in ihnen traͤger umlaͤuft. Caͤſar beſas einen ungemeinen Wizz (y), weil er vier Schreibern Briefe diktirte, und ſo gar ſieben, ſo oft er von allen andern Ar- beiten frei war. Dieſes iſt aber ein Werk der Geſchwin- digkeit, indem er nicht ſieben Geſchaͤfte ausrichtete, ſon- dern von einem zum andern geſchwinde uͤbergieng. Es wird ferner zum Wizze eine groͤſſere Empfindba- keit, als in einem mittelmaͤßigen Menſchen erfordert, da- mit uns dieſe Aehnlichkeit ſtark und lebhaft ruͤhren moͤge, welche ſonſt einen Dummen nicht in Bewegung ſezzen wuͤrde. Beides aber geſchiehet von denjenigen Urſachen, von denen der Wizz, wie wir geſagt haben, vergroͤſſert wird. Jn den Fiebern und in der Gehirnentzuͤndung, empfin- det man (z) eine unertraͤgliche Empfindung (a), ein Zit- tern (b) bei dem Tone einer gemeinen Stimme, die Au- genſchmerzen beim Lichte (c), und wir riechen und ſchmek- ken ſchaͤrfer, wenn wir gleich wieder geſund werden. So giebt es Wahnwizzige, welche, wenn ſie ſich beſſer befinden, die (u) BONNET pag 340. Eine klare Jdee ſoll in einer halbe Se- cunde entſteden. CHLADENIUS de celerit. cogit. eine alte in drei Terzen fertig werden IDEM. (x) Conf. ebenfalls CHLADE- NIUM. (y) PLINIUS L. VII. c. 25. (z) HOME facts p. 183. (a) L. X. p. 293. KLOEKHOF pag. 112 (b) Phil. tranſ. Vol. XLIX P. l. n. 12 BOURDELOT in conterenc. de Denis p. 129 HOME facts p. 184 an ſich ſelbſten. (c) HOME l. c. an ſich ſelbſt p. 184.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 1088. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/1106>, abgerufen am 23.11.2024.